Über die wunderbaren Wirkungen der Musik: Affekttheorie in der Musik des 17. und 18. JahrhundertsDas vorliegende Buch mit dem Charakter eines Nachschlagewerks beschäftigt sich erstmals umfassend mit der Bedeutung der sogenannten Affekttheorie für Verständnis und Interpretation der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts. Anhand zahlreicher historischer Quellen wird gezeigt, wie die Auffassung von Musik als Nachahmung menschlicher Emotionen ("Affekte") bis weit ins 19. Jahrhundert überaus detailliert und entscheidend das musikalische Denken prägte. Der Notentext ist demnach als komplexe Reihe von Symbolen zu verstehen, die es zu entschlüsseln und dem jeweiligen Affekt gemäß wiederzugeben gilt. Im Einklang mit den historischen Aussagen zeigt sich deutlich, dass es gar nicht möglich ist, adäquate interpretatorische Entscheidungen in Bezug auf Tempo, Artikulation, Dynamik und Ornamentik zu treffen, ohne den jeweiligen Affekt der Komposition zu kennen.
Inhaltsverzeichnis
Einführung
Aus der Seele muß man spielen, und nicht wie ein
abgerichteter Vogel
Der Komponist steht im Vordergrund
Die vermittelnde Rolle des Interpreten
Der Notentext und seine symbolische (Affekt-)botschaft
Die zentrale Rolle der Nachahmung nach dem Prinzip der
Analogie
Die etwas andere Art des richtigen Notenlesens
Wie arbeitet man mit diesem Buch?
Woher bekommen wir die Information?
Musiktheoretische Werke Musiklexika Lehrwerke Sekundärliteratur
Teil I
Historische Grundlagen der Affektdarstellung in der Musik
Zu den Begriffen Affekt, Leidenschaft, Gemütsbewegung,
Empfindung, Gefühl, Charakter
Affect / Affekt / Leidenschaft
Empfindung, Gefühl
Character / Charakter
Die Musik und ihre Wirkung: ein kurzer geschichtlicher
Überblick
Antike
Redekunst und Affekt
Mittelalter
Renaissance
Die Musik des 17. und 18. Jahrhunderts
Die wunderbaren Wirkungen der Musik
Wie wirkt Musik?
Musik als Nachahmung der Natur
Nachahmung nach dem Prinzip der Analogie
Nachahmung versus Ausdruck?
Ausdruck nach dem Prinzip der analogen Nachahmung
Musik als Nachahmung der Sprache
Über die besonders starke affekterregende Wirkung der
textgebundenen Musik
Instrumentalmusik und Affekt
Instrumentalmusik als Nachahmung des Gesangs
Der Text als treibende Kraft des Ausdrucks in der
Instrumentalmusik
Musik und Rhetorik
Rhetorik und musikalischer Vortrag
Musikalische Darstellung der Affekte nach dem Prinzip der
Analogie
Haupt- und Nebenaffekte
Übersicht der Affekte
Liebe Verlangen Zärtlichkeit Die Empfindungen des Anmutigen und Lieblichen Das Niedliche Ruhe, Zufriedenheit, das Angenehme Unschuld Wollust Schmerz, Trauer, Melancholie Missvergnügen Verzweiflung Freude Fröhlichkeit Lachen / Weinen Furcht Zweifel, Wankelmut Mitleid, Erbarmen Trost Hoffnung Stolz und Hochmut Demut, Geduld Ungeduld Mut Feigheit Zorn, Rache, Gewalt Wut und Raserei Hass, Kaltsinn Eifersucht Neid Reue Das Pathetische, Erhabene, Prächtige Das Große Ehrbegierde , Liebe zum Ruhm (Ehrliebe, Ehrgeiz) Schamhaftigkeit Sorglosigkeit Verspottung und Ironie
Teil II
Das Erkennen von Affekten
Wie lassen sich Affekte erkennen?
Kurzer historischer Überblick über Aussagen zur
Affekterkennung
Stil
Allgemeines
Drei wichtige Kategorien: der Kirchen-, der Theater- und der
Kammerstil
Kirchenstil
Theaterstil
Kammerstil
Die Auswirkung des Stils auf die Interpretation
Nationalstil
Hohe, mittlere, niedrige Schreibart
Die Auswirkung der hohen, der mittleren und
der niedrigen Schreibart auf Affekterkennung und Vortrag
Gattungen, Formen
Allgemeines
Vokalinstrumentale Musik
Oper Pastorale Oratorium Kantate Arie (Arien-)Ritornell Arioso Rezitativ
Chor Lied Choral
Instrumentalmusik
Ouverture Sinfonia, Sinfonie, Symphonie Intrada Concerto grosso / Concerto / Konzert Divertimento Marche Rondeau Saltarella Serenata, Serenada Solo Sonata, Sonate Fantasie Fuga Lamento, Lamentatione Romanze Orgelvor- und -zwischenspiele
Instrumentalmusik Tanzsätze
Übersicht der Tänze (alphabetisch)
Allemanda, Allemande Bourrée Bransle / Branle Canarie Chaconne, Ciacona Courante Entrée Folie d Espagne Forlane Furie Galliarda, Galliarde Gavotte Gigue Ländler Loure Menuett Musette Passacaille, Passacaglia Passamezzo Passepied Pastorale Pavane / Paduana Polonaise Rigaudon Sarabande Siciliano Tambourin Villanella
Tonart
Allgemeines
Kirchentonarten
Charakteristiken der einzelnen Kirchentonarten
Dur-Moll-Tonarten
Drei Aspekte der Tonartencharakteristika
Charakteristiken der einzelnen Dur- und Moll-Tonarten
C-Dur G-Dur D-Dur A-Dur E-Dur H-Dur Gis-Dur a-Moll e-Moll h-Moll fis-Moll as-Moll / gis-Moll cis-Moll F-Dur B-Dur Es-Dur As-Dur Des-Dur / Cis-Dur Ges-Dur / Fis-Dur d-Moll g-Moll c-Moll f-Moll b-Moll es-Moll
Das Prinzip der Reinheit als Hilfe zur Bestimmung
des (Affekt-)Charakters einer Tonart
Melodie
Allgemeines
Melodie als Nachahmung: das Analogieprinzip
Tonlage
Höhe der Stimmung
Intervalle
Intervallschritt, Intervallsprung / Gradus, saltus
Terminologischer Exkurs
Intervallsymbolik
Übersicht der einzelnen Intervalle
Kleine Sekund Die Position der kleinen Sekund als bestimmend für den affektiven Charakter verschiedener Tonfolgen Chromatische Fortschreitungen Große Sekund Verminderte Terz, kleine Terz Große Terz Quarte Übermäßige Quarte Quinte Kleine Sexte Große Sexte Septime Oktav
Melodierichtung
Anabasis catabasis Circulatio
Melodieumfang
Hyperbole hypobole
Regelmäßigkeit / Unregelmäßigkeit des melodischen Verlaufs
Rhythmus
Allgemeines
Der symbolische Wert der Notenwerte
Verbindung von Melodie und Rhythmus
Verschiedene Formen von Tonrepetitionen
Repetierte Sechzehntelnoten genere (stile) concitato Repetierte Achtelnoten
Rhythmische Bewegung in Kombination mit melodischer
Bewegung
Sekundwiederholungen, Triller Die sog. wesentlichen Manieren Verschiedene Intervalle in Verbindung mit kurzen Notenwerten als Ausdruck von heftigen oder flüchtigen Affekten Exclamatio Tirata Passagien Fuga Gebrochene Akkorde Passagen bzw. gebrochene Akkorde mit Bindebögen Akkordzerlegungen
Punktierter Rhythmus
Punktierte Rhythmen in Kombination mit Bindebögen Der unterschiedliche Vortrag der
punktierten Rhythmen Der sog. lombardische Rhythmus und sein Vortrag
Versfüße
Die Charakteristik der einzelnen Versfüße
Zweisilbige Versfüße Spondäus Pyrrhichius Jambus Trochäus
Dreisilbige Versfüße Anapäst Daktylus Tribrachys Molossus Bacchius Amphimacer Amphibrachys Palymbacchius
Viersilbige Versfüße Pæon Epitritus Jonicus, a majori; Jonicus, a minori
Pausen
Suspiratio, stenasmos Tmesis Pausa generalis, aposiopesis Fermata Dubitatio Abruptio Ellipsis
Rhythmische Regelmäßigkeit Unregelmäßigkeit
Zum Vortrag der unterschiedlichen Notenwerte
Tempo, Bewegung
Allgemeines
Tempo (Bewegung) und Affekt
Tempo (Bewegung) und das Prinzip der analogen Nachahmung
Kompositionen ohne Tempoangaben
Tempo giusto
Kompositionen mit Tempo- / Charakterangaben
Tempoangaben als Verdeutlichung oder Abweichung von der Norm Tempoangaben als Charakterangaben Adagio, presto und tardo als Tempoangaben Allegro, vivace als Charakterangaben Verwandlung der Charakterangaben in Tempoangaben
Zwei grundlegende Bewegungstypen adagio und allegro
Adagio Allegro
Plötzlicher Tempowechsel als Ausdruck von
Gefühlsschwankungen oder Eifersucht
Die beschränkte Aussagekraft von Tempoangaben
Das richtige Gefühl als unverzichtbare Voraussetzung für die
richtige Tempowahl
J. G. Portmann und seine Anleitung zum Empfinden verschiedener Affekte
Die Rolle der Deutlichkeit und Verständlichkeit bei der
Tempobestimmung
Stimmen gegen zu schnelles Tempo bzw. Tempoextreme Extremes Tempo als Ausdruck von extremen Gefühlen
Agogik, Tempo rubato
Affekte, die nach Temposchwankungen verlangen Konkrete Hinweise zur Anwendung affektbedingter Temposchwankungen Ad 1) Charakter des musikalischen Satzes, Stil, Gattung Ad 2) Melodische und rhythmische Kontraste Ad 3) Verzierungen Ad 4) Wiederholungen Ad 5) Crescendo decrescendo D. G. Türk über das Eilen und das Zögern Tempo rubato
Takt
Allgemeines
Der Takt als wichtiger Hinweis auf den Affekt
Ad 1) Der gerade / ungerade Takt
Ad 2) Die einzelnen Taktarten als Hinweise auf die
Art der Bewegung
Ad 3) Takt und vorherrschende Notenwerte der Komposition
Modifikation der Bedeutung der Taktart durch Tempoangabe
Übersicht der Taktarten
Der gerade Takt 2/1-Takt 2-Takt, ? -Takt, ? -Takt, 2/2-Takt 4/2-Takt, ? -Takt, ? 4-Takt 2/4-Takt, ? -Takt - ? -Takt, 4/4-Takt Alla breve-Takt (?) 8/4-Takt 2/8-Takt 4/8-Takt 4/16-Takt 8/8-Takt 8/16-Takt
6/1-Takt 6/2-Takt 6/4-Takt 6/8-Takt 6/16-Takt
12/1-Takt 12/2-Takt 12/4-Takt 12/8-Takt 12/16-Takt 18/16-Takt 24/16-Takt
Der ungerade Takt 3-Takt 3/1-Takt 3/2-Takt 3/4-Takt 3/8-Takt 3/16-Takt
9/1-Takt 9/2-Takt -9/4-Takt 9/8-Takt 9/16-Takt
Taktordnung. Die Bedeutung der Synkope
Harmonie
Allgemeines
Die besonders affekterregende Kraft von Dissonanzen
Pathopoiea Parrhesia, relatio non harmonica Catachresis, fauxbordon Verschiedene Dissonanzen als Hinweis auf den Affekt der Komposition Häufigkeit von Dissonanzen als Hinweis auf den Affekt
Modulation
Modulation und Affekt Dubitatio Modulation im Rezitativ
Sonderfall Unisono
Dynamik
Allgemeines
Dynamik und Affekt
Dynamische Nuancen als Folge nuancierter Affektdarstellung
Die Dynamik und das Prinzip der analogen Nachahmung
Con sordino
Kompositionen ohne dynamische Angaben
Komponierte Dynamik Mehrstimmige Klänge als Form der Akzentuierung Der melodische Verlauf als Hinweis auf dynamische Schattierungen Anabasis catabasis Circulatio Saltus, saltus duriusculus Exclamatio Interrogatio Arpeggien
Dynamische Extreme als Ausdruck extremer Empfindungen
Nachdruck als dynamische Kategorie
Akzente Vortragsangaben und Nachdruck
Wie lassen sich wichtige Töne (Figuren) erkennen?
a) Harmonische Hervorhebung
Harmoniefremde Töne Verzierungen Modulationen
b) Rhythmische Hervorhebung
Lange Töne innerhalb schneller Passagen Kurze Töne innerhalb langsamer Passagen Synkopen, Ligaturen
c) Melodische Hervorhebung
d) Verweilen als weitere Verstärkung der dynamischen
Akzentuierung
Suspensio
e) Wiederholungsfiguren
Anaphora, repetitio Wiederholung als Echo Epizeuxis Anadiplosis Paronomasia Climax (griech.) bzw. gradatio (lat.) Hyperbaton Epistrophe
f) Antithesis, antitheton
g) Noema
Dynamische Angaben als Hilfe zur Affekterkennung
Aufführungsort, Anlass und Dynamik
Artikulation
Allgemeines
Artikulation und Affekt
Sprache als Vorbild Eine vernünftige dem Affekt entsprechende Wahl der Artikulation
Die Artikulation und das Prinzip der analogen Nachahmung
Die An- und Aussprache der Töne
Tongebung, Tongestaltung
Der Vortrag der Auftakte Der leichte und der schwere Vortrag
Kompositionen oder Abschnitte ohne Artikulationszeichen
Die Melodie als Affektträger: die Artikulation
von Schritten und Sprüngen
Drei Möglichkeiten der Artikulation: gezogen, geschleift,
gestoßen
Schritte und Sprünge und musikalisch-rhetorische Figuren bzw. Verzierungen Sprünge als Hinweise auf eine innere Gliederung Schritte und Sprünge als Hinweise auf Affektwechsel
Das Binden und Trennen der Töne Strich, Punkt, Bindebogen
Artikulation und Verzierungen
Der Bindebogen
Die mildernde Wirkung des Bindebogens Seufzerfiguren Intensivierte Seufzerfiguren Viererbindungen als Nachahmung von Meereswellen Bindebogen über dem Taktstrich Unregelmäßige Länge der Bindebögen / unregelmäßige Artikulation
Das Trennen der Töne
Strich und Punkt Unterschiede zwischen den Instrumenten Unterschiedliche Arten der getrennten / gestoßenen Artikulation und der Affekt
Scharfe Stimmen gegen den willkürlichen Umgang mit der
Artikulation
Ergänzungen von Artikulationsangaben (Unangebrachtes) Ergänzen von Bindebögen
Punktierte Rhythmen (Unangebrachtes) Ergänzen von Punkten und Strichen bzw. hüpfende , springende Spielweise
Verzierungen
Allgemeines
Verzierung und Affekt
Verzierungen und das Prinzip der analogen Nachahmung
Anmerkungen zum Vibrato, Triller und mordent Vibrato und Affekt
Kritische Stimmen gegen zu viele Verzierungen
Verzierungen im Adagio
Wo sind keine Verzierungen angebracht?
(Keine!) Verzierungen im Rezitativ
Kadenzen und Fermaten
Besetzung, Instrumentation
Allgemeines
Die Besetzungsgröße und das Prinzip der analogen Nachahmung
Bassetto-Technik
Die Instrumentenwahl und das Prinzip der analogen Nachahmung
Saiteninstrumente
Laute Viola da gamba Viola d amore, Baryton Violine Viola da braccio Violoncello Violone / Kontrabass
Blasinstrumente
Flöte, Traversflöte Flageolet, Pfeifen, Pfiffari Oboe Chalumeau Klarinette Zink Fagott Horn Trompete Pauken, Trommel Posaunen
Tasteninstrumente
Cembalo Orgel Orgelregister
Über den sog. guten Vortrag
Die Wichtigkeit des Sich-Hineinversetzens in den Affekt
Stimmen gegen Virtuosität als Selbstzweck
Zusammenfassung
Die Feststellung des Affekts als erster Schritt der Interpretation
Analyse des Notentextes nach den Prinzipien der analogen
Nachahmung
Vortrag
Bibliographie
Ausgaben
Quellen
Sekundärliteratur
Personenregister
Dank
Biographie der Autorin