Und wenn wir nicht gestorben sind...

Das Innenleben und die Worte zweier hochgradig intellektueller und fantasiebegabter Menschen. Gemeinsam erschaffen sie etwas Besonderes.

Dieses Buch ist etwas besonderes, meiner Meinung nach ein wahres Meisterwerk. Durch sein kleines Format liegt es beim Lesen unglaublich gut in der Hand. Das Cover ist wunderschön und fasst den Inhalt, sowohl den Briefwechsel als auch das Märchen Bruderherz gut zusammen. In der Mitte sieht man Ireene mit ihrem Bruder Michal, die beiden Hauptprotagonisten des Märchens, in einer innigen Umarmung. Am Rande sieht man den Wald, die Bäume, Pilze und Wesen, die da wohnen, alles in grauen Herbsttönen gehalten. Auch eine Tasse Kaffee und ein rotes Herz ganz unten fehlen nicht. Während man das Buch liest, versteht man, was es mit den Motiven auf sich hat. Wenn man es aber noch nicht gelesen hat, springt das atemberaubende Cover ins Auge und macht neugierig. Man merkt sofort, dass man hier etwas einzigartiges in den Händen hält. Nach dem wunderschönen Vorwort von Isa Theobald geht es sofort los mit dem Briefwechsel zwischen Florentine Joop und Holger Much. Sie schreiben über ihr alltägliches Leben und ihre Erinnerungen, tun dies aber auf hochliterarische Weise. Jede einzelne Zeile habe ich genossen. Das Lesen hat einfach unglaublich viel Freude bereitet. Ich mochte es sehr, Frau Müde kennenlernen zu dürfen und habe es gefeiert, wie sie von Florentine Joop so treffend beschrieben worden ist. Auch die etwas verwirrte, aber meiner Meinung nach sympathische Nachbarin hat mir sehr gut gefallen. Die Gespräche mit ihr haben mir jedes Mal ein Lächeln auf dem Gesicht gezaubert. Als Holger Much dann von seinen Reiseerlebnissen in Irland und das Stille Volk erzählte, merkte ich, wie eine unruhige Faszination sich in mir ausbreitete. Es war irgendwie ganz spannend, wie er und seinen Freunden versuchten, den Berg in der Nähe ihrer irischen Unterkunft hochzusteigen, aber auch ziemlich unheimlich, als die Wirtin sie nach ihrer Rückkehr abends davor warnt, es noch mal zu versuchen. Die etwas düstere Atmosphäre war so gut beschrieben, dass ich beim Lesen merkte, wie ich eine leichte Gänsehaut bekam. Sehr gut gefallen hat mir die Erklärung des Kryptozoologen und Albalogen Prof, Dr, Ignatius Glaubersalz, warum Kaffee immer dann kalt wird, als man ihm trinken möchte und das ganz unerwartet, weil er manchmal sogar erst frisch gemacht wurde. Ich freue mich sehr, dass Holger Much das in einer seiner Briefe erwähnt hat, weil es einiges erklärt. In Zukunft werde ich jedes Mal, wenn sich jemand darüber beklagt, dass der Kaffee schon wieder kalt geworden ist, mit einem wissenden Lächeln an diesen Worten zurückdenken. Die Briefe aber enthalten nicht nur eine hochliterarische Beschreibung des Lebens zweier Autoren, aber auch ein herzzerreißendes Märchen, das sich nach und nach entwickelt. Ireene ist ein Mädchen, das von ihren Eltern alles bekommt, schöne Kleidung, Schmuck, ein wundervolles Zimmer, ... Nur was sie eigentlich möchte, ist einen Bruder. Ihr Herz ist so groß und voller Liebe, dass sie dies gerne teilen möchte. Ihre Eltern sehen aber nicht ein wieso und verweigern ihr ihren größten Wunsch. Als eines Tages ein komisches Männlein in ihrem Zimmer steht und ihr ein Brüderchen schenkt, nimmt eine blutige Geschichte ihren Lauf. Mir hat Bruderherz, wie das Märchen heißt, unglaublich gut gefallen. Ich habe von Anfang bis Ende mitgefiebert und es hat mich einige Male ziemlich überrascht. Es zeigt, dass es mehr braucht als nur Materielles, um glücklich zu werden, dass man aber auch aufpassen soll, um jeden Preis seine sehnlichsten Wünsche in Verfüllen gehen lassen zu wollen. So viel Leid und Trauer ist geschehen, einfach, damit Ireene und ihren Bruder zusammen sein können. Sie ist so in ihre eigene Welt und ihre persönliche Suche nach Glück gefangen, dass sie nicht merkt, wie viele andere Leben sie und ihren Bruder damit zerstören. Eigentlich eine tieftraurige Geschichte, die aber so viel Erstaunliches bereit hielt, dass ich mich jedes Mal gefreut habe, wenn wieder ein neues Kapitel kam. Ich wollte wissen, wie es weiterging und bin mit dem Ende sehr zufrieden. Dieses Buch ist ein wahres Kunstwerk, das mit sehr viel Liebe hergestellt worden ist. Es sieht wunderbar aus, versetzt den Leser ständig wieder ins Staunen, überrascht mit seinen atemberaubenden Illustrationen und überzeugt mit seinen lyrischen Schreibstil. Ich konnte es nicht mehr aus der Hand legen und kann es jeder Buchliebhaber empfehlen. Absolut lesenswert!