Annett ist Ende 40 und arbeitet in einer Kleinstadt an der Nordsee als Bibliothekarin. Ihre Tochter Linn ist Mitte 20 und engagiert sich für Umweltprojekte. Bei einem Klimavortrag in einem Hotel bricht sie zusammen und wird im Krankenhaus behandelt. Bei ihrer Mutter möchte sie sich von ihrem Burnout erholen. Annett hat nach dem frühen Tod ihres Mannes alleine für Linn gesorgt und alles versucht um ihr ein Studium zu ermöglichen. Anfangs möchte Linn nur eine Woche bleiben, daraus wird ein Monat und schließlich der ganze Sommer. Annett versucht, Verständnis für Linn aufzubringen und ihr zu helfen, wo sie kann, ist aber ebenso enttäuscht, dass sie sich so gehen lässt, wo sie einiges an Entbehrungen auf sich genommen hat um Linn ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen.
"Halbinsel" ist mein erster Roman der Autorin und ich wurde auf Buch aufmerksam als es den Preis der Leipziger Buchmesse 2025 bekommen hat. Die Ausgangslage klingt zunächst vielversprechend und nach einer spannenden Mutter-Tochter-Beziehung. Schnell wird jedoch klar, dass es vielmehr eine Aneinanderreihung von mehr oder weniger wichtigen Situationen ist.
Der gesamte Roman ist "in einem Stück" geschrieben ohne Kapiteleinteilungen und nur durch Absätze getrennt. Das hat mir öfters das Lesen schwer gemacht, denn irgendwann bin ich durcheinander gekommen, wie viel Zeit nun vergangen ist und wo man gerade steht, da die Geschichte auch in Rückblenden die Familiengeschichte erzählt. Dazu trägt auch der Erzählstil und die Perspektive bei: Annett erzählt aus der Ich-Perspektive und das bringt sie in den Fokus der Geschichte, lässt das Ganze aber auch eindimensional und einseitig wirken.
Die Beziehung von Annett und Linn wird erstaunlich wenig beleuchtet, Annett erzählt von ihrem Frust und ihrer Enttäuschung über Linns Zustand, aber es kommt kaum ein Gespräch zwischen den beiden zustande. Generell plätschert die Geschichte eher vor sich hin, Annett zieht sich zurück und scheut die Konfrontation mit ihrer Tochter, Linn bleibt wortkarg. Oft habe ich mich beim Lesen gefragt, wo die Autorin die Geschichte hinführen möchte, denn für mich hat die Handlung gefehlt. Es wird aus Annetts Leben erzählt, die Ehe mit ihrem Mann und dessen früher Tos und Linns Kindheit. Gleichzeitig passiert mir zu wenig und es kommt keine Aussprache oder Konfrontation vor.
Kristine Bilkau verwebt wichtige Themen in ihrem Roman wie Erwartungshaltungen, Leistungsdruck, unbewältigte Trauer und von allem Generationenkonflikte. Das gefällt mir an dem Roman sehr gut, die Figuren jedoch und die Handlung bleiben an der Oberfläche und bekommen zu wenig Tiefe. Für mich ein Buch für zwischendurch, dass mir aber nicht groß im Gedächtnis bleiben wird.