Besprechung vom 18.02.2020
Wer zögert, zerstört die Illusion
Lektionen in Nonchalance: Michael Caine zeichnet seinen Weg zum Charakterdarsteller nach
Alt fühle er sich nur, wenn er sein Lichtdouble ansehe. Während früher ein junger Mann als Doppelgänger beim Einleuchten diente, sei es heute ein älterer Herr, dem aus dem Stuhl geholfen werden müsse. Trotzdem schreibt Michael Caine: "Ich bleibe jung, indem ich mich weigere, alt zu sein." Seine Autobiographie "Die verdammten Türen sprengen und andere Lebenslektionen" ist ein Ratgeber für alle, die "sich nicht hinsetzen", aufhören, in den Ruhestand gehen wollen.
Woher rührt sein Optimismus? Caine, Jahrgang 1933, sagt über sich, er habe immer alle Gelegenheiten ergriffen, was bedeute, dass er in vielen schlechten Filmen zu sehen sei. Dafür bescherte er der Filmgeschichte zahlreiche Archetypen: vom Womanizer Alfie in "Der Verführer läßt schön grüßen" (1966) und dem Bond-Konkurrenten Harry Palmer in "Ipcress - streng geheim" (1965) über den Gangster Charlie Croker in "Charlie staubt Millionen ab" (1969) bis zu Ebenezer Scrooge in der Muppet-Verfilmung von Charles Dickens' "Weihnachtsgeschichte".
Caine, der aus dem Arbeiterviertel Elephant and Castle im Süden Londons stammt, verbrachte seine Kindheit und Jugend in einfachsten Verhältnissen. Er erlebte die Zerstörung Londons während des Zweiten Weltkriegs und wurde im Alter von achtzehn Jahren eingezogen, um im Korea-Krieg seinen Militärdienst abzuleisten. Im Anschluss begann er Theater zu spielen, sein Rollenstudium habe er vor allem in Bus und U-Bahn absolviert, durch Beobachtung seiner Mitreisenden. Schließlich umgab er sich mit den "Angry Young Men", jenen Künstlern aus der Mittel- und Arbeiterklasse, welche im England der sechziger Jahre gegen gesellschaftliche Konventionen anschrieben. Aus dieser Zeit hätte man gerne mehr erfahren, es bleibt jedoch bei schlaglichthaften Erinnerungen.
Caine serviert etliche Maximen, von denen sich manche vor allem am Set oder auf der Bühne beherzigen lassen - jede Requisite und jede Tür vor dem Spielen testen, denn "ein Moment des Zögerns zerstört die Illusion" -, andere wiederum sich an jedermann richten: Vorbereitung und Zuverlässigkeit sind alles, sei es beim Spielen, Sprechen, Schreiben oder Kochen. Die "Probe ist die Arbeit, die Aufführung ist Entspannung" - erst die Vorarbeit ermögliche Spontanität im Spiel.
In nonchalantem Ton berichtet Caine von seinem Weg nach Hollywood und zum großen Charakterdarsteller. Er erzählt, wie er sich von Vivien Leigh Tipps zur Aneignung eines Akzents holte, von Liebesszenen mit Elizabeth Taylor, von seinem sechzigsten Geburtstag mit Quincy Jones und von seiner Angst davor, Laurence Olivier beim Dreh zu "Mord mit kleinen Fehlern" (1972) anzusprechen. Formell wurde der dreifache Oscar-Preisträger Lord Olivier genannt. Er ließ Caine, dessen Ängste erahnend, gleichwohl eine Nachricht zukommen: "Sobald wir uns die Hand gegeben haben, bin ich auf ewig nur noch Larry."
Bei all seinen Erfolgen entpuppt sich Caine als ausgesprochener Familienmensch. Großvater zu sein sei die beste Rolle seiner langen Karriere. Die Balance zwischen Arbeit und Familie habe er dadurch gefunden, dass er Erstere stets am Set gelassen, seine Familie aber immer mit an den Drehort genommen habe.
Gleich zu Beginn des Buchs heißt es: "Für alle, die versuchen, reich und berühmt zu werden, lautet mein Rat: Lassen Sie es." Eine Maxime, an die sich Michael Caine selbst nicht gehalten hat.
LILI HERING
Michael Caine:
"Die verdammten Türen sprengen". Und andere
Lebenslektionen.
Aus dem Englischen von Gisbert und Julian Haefs. Alexander Verlag, Berlin 2019. 310 S., geb.
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