Besprechung vom 16.03.2024
Die Biene dankt
Stefanie Höfler und Philip Waechter sind einen Sommer lang Adas Gefühlen auf der Spur
Von Oliver Jungen
Alles muss wachsen, sich entwickeln. Eine Sache nur ist von Geburt an da: die Gefühle. Lernen freilich muss man den Umgang mit ihnen, wie Stefanie Höfler es eingängig fasst (und Philip Waechter hinreißend zeichnet): Wetter im Innern, das ein Wolkenbruch sein kann, ein wärmender Sonnenstrahl, aber viel öfter eine unklare Heiter-bis-wolkig-Stimmung.
"Laute" und "leise" Emotionen entdeckt die aufmerksame, etwas schüchterne sechsjährige Heldin Ada in ihrem Inneren, also überwältigende wie Liebe, Furcht und Eifersucht ("Als ob mich eine Welle aus Schlamm überrollt") und solche, die eher eine Wohlfühldrift nach hier oder dort sind wie Sorge, Mitleid, Scham oder Freude, ohne dass man genau wüsste, weshalb man sich fühlt, wie man sich fühlt; "wahrscheinlich ist es der Sonnenfleck, der irgendwie in Ada reingeschlüpft ist, ohne dass sie es gemerkt hat, durchs Ohr vielleicht".
Kinderbücher über Gefühle gibt es viele. Das Besondere an "Ameisen im Bauch" mit seiner kindlich-poetischen Perspektive ist die Leichtigkeit, fast Beiläufigkeit, mit der sie in den Blick geraten. Emotionen, lernen die Leser, sind untrennbar verbunden mit dem Leben, sind so etwas wie Geschmackssorten beim Eis. So erzählt Höfler eine in sich stimmige Geschichte über Adas Alltag mit dem mitunter nervigen, aber eigentlich geliebten Bruder Max, der liebevollen und doch Grenzen setzenden Mutter und der sich schmerzhafter Weise bald mehr für einen Jungen interessierenden Freundin Laila. Adas Sorgen (um Oma oder ihr Huhn), Ängste (vor dem Untertauchen im Wasser oder Einsamkeit) und Freuden (wenn sie Musik hört oder eine Angst überwindet) sind eingebettet in diesen Plot. Auch das leitmotivisch eingesetzte Wetter findet ganz real statt in der Geschichte. Einmal haben Ada und Max eine Biene vor dem Regen gerettet, die nach dem Guss wieder ins Licht fliegt. "Sie dreht noch eine Schleife vor Adas und Max' Gesicht. 'Das heißt danke!', erklärt Ada." Man glaubt es sofort.
Was das Buch auszeichnet, ist Stefanie Höflers Entscheidung, Adas Gefühlsverstehen nicht nur an den üblichen Kinderbuchschauplätzen stattfinden zu lassen, sondern vor allem an einem Glücksort, der sich mit jeder Volte des Wetters wandelt: dem Freibad. Philip Waechter hat dieses Sommerbiotop in allen Details so freudetrunken und einladend gezeichnet, dass großen wie kleinen Lesern unvermeidlich ihre Freibaderfahrungen vor Augen stehen. Das macht die nicht so schönen Gefühle in der Geschichte leicht erträglich; und natürlich endet das Buch mit einer Woge aus Zuneigung.
Stefanie Höfler: "Ameisen in Adas Bauch".
Illustrationen von Philip Waechter. Beltz & Gelberg, Weinheim 2024. 144 S., geb., 18,- Euro.
Ab 6 J.
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