Ein richtiges Kammerspiel
von
Beate Leinweber
- Hugendubel Buchhandlung Leipzig Petersstr.
- 02.07.2018
Einem Missverständnis heraus ist es zu verdanken, dass sich fast alle Kinder von Inge Boysen und deren Familien Ende Dezember im Familienhaus auf einer kleinen Nordseeinsel (wo genau der Roman spielt bleibt das Geheimnis der Autorin)einfinden. Nachdem die jeweils handelnden Personen dem Leser kurz vorgestellt werden und deren jeweilige Beschäftigung zu der Zeit als der Anruf von Oma Inges Ableben sie erreichte, und sie dann alle in ihrem kleinen, gemütlichen, reetgedeckten Elternhaus ankommen, entwickelt sich der Roman zusehend zu einem Kammerspiel,- zu einem Einblick in die Seelen der handelnden Personen, die irgendwie alle mit ihrem Leben hadern, alten verlorenen Träumen nachtrauern, mit sich und der Welt unzufrieden sind oder etwas zu verbergen haben. ---Als dann zwischen Ende Dezember und Anfang Januar auch noch unverhofft der Winter ausbricht und ein furchtbarer Schneesturm, samt Stromausfall und Sturmflut, über die Insel hereinbricht, und die Menschen in dem kleinen Friesenhaus buchstäblich von der Außenwelt abgeschnitten werden, eskaliert die angespannte Situation immer mehr, während die Protagonisten auf engstem Raum ausharren müssen- und jeder für sich sein bisheriges Leben überdenkt. ---Zwischen dem sommerlich- leicht anmutenden Buchdeckeln, mit dem wunderschönen, idyllischem Cover, welches auf dem ersten Blick eine locker-leichte, irgendwo an der Küste spielende Geschichte verspricht und vermuten lässt, steckt bei genauerer Betrachtung (sprich: nach dem Lesen der ersten Seiten) viel mehr... Der Schein des Buchcovers trügt, sozusagen. ---Spannend finde ich, mit welchem psychologischen Spürsinn und Geschick, mit welcher kraft und mit welchem Blick für Details und menschliche Abgründe die Autorin, Sybille Volks, ihren Worten Ausdruck verleihen konnte, und mich als Leserin gefangen- und mitnahm auf ihre Reise. Beeindruckend fand ich, wie ich in die Köpfe der Protagonisten schauen konnte, denn Sybille Volks lässt jedes Familienmitglied abwechselnd (mit inneren Monologen) zu Wort kommen. Obwohl die Autorin daraus eine wunderbare, an manchen Stellen nahezu verstörende Geschichte flechtet, kommt man beim Lesen absolut nicht durcheinander. ---Ich war beim Lesen gefesselt und ließ mich in diese außergewöhnliche Geschichte, in Sybill Volks Sprachgewalt, hineinziehen. ---Aber am Ende bleibt, wie ich persönlich finde, ein kleiner Wermutstropfen: Der Schluss des Romans bleibt irgendwie offen, ohne jetzt zuviel verraten zu wollen,- die angespannte Stimmung im Haus heizt sich immer mehr auf (man wartet regelrecht auf eine Eskalation),- und verpufft dann irgendwie. Auf der anderen Seite bleibt das Buch so dem Leser im Gedächtnis und so kann man auch wunderbar darüber diskutieren und spekulieren... ---Auf alle Fälle ist der Roman = Wintergäste= sehr lesens- und empfehlenswert.