Besprechung vom 21.03.2019
Kulturschock wegen Pünktlichkeit
Die Bloggerin und Autorin Daniela Langkamp, die erst einen Japaner und dann dessen Heimat lieben lernte, zog 2003 mit ihm für sechs Jahre nach Japan. Die Auszeit in Fernost hat sie zu einem Buch geballter Japan-Liebe komprimiert. In unterhaltsamen Kapiteln bricht sie eine Lanze für ein Land zwischen Überhöflichkeit und Fatalismus, zwischen Hochkultur und Trends und Trash wie Mangas, Maskottchen-Kult oder Maid-Cafés. Doch belässt sie es nicht bei blinder Liebe oder bloßer Lobhudelei, sondern baut Nuancen der Hassliebe und vergiftetes Lob ein. Überzeugend sind ihre reflexiv-entschleunigten Passagen über Tradition, Naturverbundenheit oder sich durchdringende Kulturschichten wie Cosplay als uniformierter Nonkonformismus. Der areligiösen Postmoderne stellt die Autorin Aberglaube wie Zahlenmystik, postulierte Zusammenhänge zwischen Blutgruppe und Charakter oder gute und schlechte Kalendertage zum Heiraten gegenüber. Stärken entfaltet das Japan-Brevier, wenn es Mentalitätsunterschiede wie die grundverschiedenen Gefühlswelten und Pressereaktionen nach der Fukushima-Katastrophe zu eruieren oder neugewonnene Freiheiten (Schlürfen beim Ramen-Essen) und hinweggelächelte Fettnäpfchen im Perspektivwechsel der Manieren und der negativen wie "allerschönsten" Kulturschocks (Pünktlichkeit von Post und Bahn) thematisiert. Am Ende gesteht die Autorin, 29 vorenthaltene Gründe zu haben, Japan nicht zu lieben: Themen wie die neokonservative Regierung oder historischer Revisionismus bleiben denn, wohl auch dem Reihentitel des Verlags geschuldet, ausgeklammert.
sg
"111 Gründe, Japan zu lieben" von Daniela Langkamp. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2018. 272 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Broschiert
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