Barcelona kurz vor dem Jahrhundertwechsel 1799/1800.Don Rafael Massó, seines Zeichens Gerichtspräsident von Barcelona und deswegen mit dem Titel Senyoria anzusprechen, liebt die schönen Seiten des Lebens: Mit Vergnügen betrachtet er die Sternbilder am Himmel oder die üppigen Rundungen der Damen der oberen Gesellschaft. Doch durch sein Leben geht ein Riss: Macht ersetzt Glück nicht wirklich, wie er feststellen musste. Als dann im November, kurz vor den großen Feierlichkeiten zur Jahrhundertwechsel, der Mord an einer berühmten Sängerin passiert, findet sich Don Rafael in den Gewirren von Politik, Machtspielen und Intrigen wieder und eine alte Geschichte von früher wird ihm zum Verhängnis¿Ich bin ja der absoluten Überzeugung:Die Katalanen sind die großen Meister der Erzählkunst.Jaume Cabré liefert mir mitSenyoriaeinen erneuten Beweis:Virtuos und mit einer ordentlichen Prise schwarzem Humorzeichnet Cabré in diesem Romandie Welt der höheren Gesellschaft in Barcelona am Ende des 18. Jahrhunderts. Und es wird wieder einmal deutlich: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. In Cabrés Erzählwelt wird intrigiert und gehurt, schmutzige Geschäfte werden geschlossen, Machtfäden werden gezogen und bei Bedarf Unschuldige in die tiefsten Löcher gestoßen.Der Protagonist Don Rafael Massó mischt bei diesen Spielen wie viele mit hohem Einsatz mit¿ und muss am Ende lernen, dass man sich auf dem Weg nach oben mehr Feinde als Freunde macht und man durchaus Opfer der eigenen Tricksereien werden kann.Sprachlich hat michSenyoriawie Cabrés andere Bücher vollends überzeugt.Er schreibt verschachtelt und komplex.Szenen können unmittelbar wechseln, die Worte der einen Figur können plötzlich aus dem Mund einer anderen gesprochen werden.Übergänge werden nicht immer deutlich macht, sodass es am Leser ist, sich einen Weg durch dieses Labyrinth des Erzählens zu finden.Durchaus eine anspruchsvolle Lektüre, die sich meiner Meinung nach aber lohnt!Senyoriaist eininteressanter Gesellschaftsroman, der mit seiner Verortung im 18. Jahrhundert aucheine historische Noteenthält. Durch den Mord, der alle Geschehnisse ins Rollen bringt, kommt auchSpannung und Nervenkitzelauf ¿ allerdings meiner Meinung nach nur bis zur Hälfte des über 400 Seiten starken Buches. Danach weist der Romandoch durchaus einige Längenauf. Zudem finde ich, dass Senyoria im Vergleich zuDie Stimmen des Flussesund vor allem zuDas Schweigen des Sammlerstrotz allem Lob weniger eindrucksvoll erzählt ist ¿ Cabré nutzt das Spiel mit den Perspektiven und der verschiedenen Ebenen hier weniger drastisch aus als in seinen anderen Romanen.Vielleicht ist es aber daher besonders etwas für die Leser, die mit der Komplexität und Wirrheit der anderen Bücher so ihre Probleme hatten.Ich bin wie immer begeistert und warte gespannt auf weitere Romane des Autors.