Besprechung vom 19.05.2025
König Dollar
Zwei Bücher über die wichtigste Währung der Welt
Die Vereinigten Staaten haben einen großen Vorteil gegenüber allen anderen Ländern der Welt. Dieser bemisst sich nicht an der Zahl der Spitzeninformatiker, Hochleistungsrechner, Flugzeugträger oder Atomwaffen (darüber verfügen sie natürlich auch) - sondern an etwas vergleichsweise Unscheinbarem: an der Währung. Der Dollar ist im Prinzip allgegenwärtig. Wer irgendwo auf dem Globus etwas kaufen oder finanzieren möchte, braucht dafür häufig die amerikanische Devise. Und dies auch dann, wenn das eigene Land eine eigene brauchbare Währung begibt. Öl und andere Rohstoffe werden beispielsweise wesentlich in Dollar gehandelt. Das ermöglicht den Vereinigten Staaten, sich leichter und höher zu verschulden, als andere Länder dies vermögen. Der frühere französische Präsident Valéry Giscard d'Estaing bezeichnete die Vorteile des Dollars einst aus guten Gründen als "exorbitantes Privileg".
Doch wie kam es eigentlich dazu? Und wird der Dollar weiter dominieren - oder wie andere ehemalige Weltwährungen irgendwann abgelöst? Zwei lesenswerte Bücher sind nun zu diesem Thema erschienen. Das eine stammt aus der Feder von Kenneth Rogoff. Der Harvard-Ökonom zählt zu den führenden Fachleuten für internationale wirtschaftliche Zusammenhänge. Er hat das Feld akademisch weiterentwickelt insbesondere mit seinem langjährigen Kollegen Maurice Obstfeld, danach aber auch in der praktischen wirtschaftspolitischen Analyse und Beratung eine zentrale Rolle gespielt: Rogoff war Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds. Er leitete die Forschungsabteilung und betreute etwa die großen Berichte und Prognosen zum Zustand der Weltwirtschaft. Sein Buch trägt den Titel "Our Dollar, Your Problem" ("Unser Dollar, euer Problem") und bezieht sich auf den entsprechenden Ausspruch des früheren amerikanischen Finanzministers John Connally, der ihn zu Beginn der siebziger Jahre provokant den Europäern unter die Nase rieb. Rogoff erläutert, wie der Dollar Weltwährung wurde und welche Mechanismen dafür sorgten, dass er seine Rolle schon so lange behalten konnte, warum sogenannte Netzwerkeffekte dafür wichtig sind und die klassischen Währungsfunktionen. Er beschreibt "frühere Herausforderer" wie die Sowjetunion, Japan und den Euro.
Und er geht auf den wohl bedeutendsten gegenwärtigen Konkurrenten ein: China mit der Landeswährung Yuan. Hier verlässt Rogoff das Feld der Währungen und beschreibt sehr ausführlich die wirtschaftliche Entwicklung der Volksrepublik in den zurückliegenden 50 Jahren, flechtet auch persönliche Reisen und Gespräche mit früheren Spitzenpolitikern wie dem chinesischen Ministerpräsidenten Zhu Rongji ein. Rogoff legt dar, wie es China gelangt, auch durch geschickte Binnenmigration über viele Jahre hohes Wirtschaftswachstum zu erzielen, die Teuerung im Griff zu behalten und den Yuan zugleich zunächst an den Dollar und später an einen Korb von Währungen zu koppeln und nur kontrollierte Schwankungen zuzulassen. Er illustriert damalige akademische Debatten etwa zwischen Robert Mundell und Ronald McKinnon auf der einen Seite, die sich zugunsten einer stabilen Lieferkettenentwicklung innerhalb Asiens gegen flexible Wechselkurse aussprachen - und anderen Fachleute wie ihm, Rogoff, die dafür plädier(t)en, die Währung dem Markt zu überlassen.
Das zweite mindestens ebenso lesenswerte Buch stammt von dem prämierten Journalisten Paul Blustein, der schon eine Reihe Bücher zur Finanz- und Wirtschaftsgeschichte publizierte. Sein neues Buch trägt den Titel "King Dollar". Im Kern behandelt er dasselbe Thema wie Rogoff. Er schildert die Geschichte indes anekdotenreicher, bisweilen ausführlicher und geht auch auf Themen ein, die Rogoff ausspart. Blustein schildert beispielsweise das frühe Bankwesen in New York, als die Geldhäuser Dienstboten durch die Stadt schickten, die abgleichen mussten, wer wem was schuldet oder Kredit gegeben hat - und wie sich hieraus die heute institutionalisierten Prozesse herausbildeten, die unter "Clearing and Settlement" verstanden werden. Oder er geht ausführlicher darauf ein, wie gegen Ende des Zweiten Weltkriegs das sogenannten Bretton-Woods-System entstand, die neue Währungsordnung, die den Dollar mächtig machte. Und wie dieses System in den siebziger Jahren zusammenbrach, wer in der amerikanischen Regierung es erhalten wollte, wer bereit war, es zu opfern, oder wie ein damals noch weitgehend unbekannter Ökonom der Federal Reserve von New York namens Paul Volcker um Rat gebeten wurde, weil er sich mit Fixkurssystemen befasst hatte. Blusein erläutert überdies ausführlich die Debatte um Digitalwährungen. Auch er arbeitet sich bis in die Gegenwart vor, landet irgendwann in China und fragt, ob der Yuan die Dollar-Dominanz gefährdet und wie beide Währungen zueinander stehen könnten künftig. Beide Bücher kommen gerade richtig, ergänzen sich gut und informieren erfrischend neutral über eine der zentralen Fragen, von denen die Zukunft der Weltwirtschaftsordnung abhängt, die gegenwärtig mit Zöllen, Zolldrohungen und mehr ausgefochten wird. ALEXANDER ARMBRUSTER
Kenneth Rogoff: Our Dollar, Your Problem. Yale University Press, New Haven 2025, 360 Seiten, 23 Euro.
Paul Blustein: King Dollar. Yale University Press, New Haven 2025, 320 Seiten
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