Besprechung vom 04.08.2025
Sam Altman und die Super-KI
Wie der ChatGPT-Erfinder groß wurde
Zwei Episoden aus dem Leben des jungen Sam Altman: Als er zwei Jahre alt war, die Familie wohnte damals noch in einem wohlhabenden Viertel in Chicago, ging seine hochschwangere Mutter mit ihm auf einen Spielplatz. Rutschen wollte er nicht, schaukeln auch nicht. "Nein Mami, ich bleibe hier bei dir sitzen und wir schauen den Babys beim Spielen zu", sagte Sam. "Diese ,Babys' waren älter als er", erinnert sich seine Mutter. Im Alter von zwölf Jahren wiederum wusste Sam Altman, dass er schwul ist. Seine Mutter, der er dies vier Jahre später verriet, fragte ihn, wie er das damals schon habe wissen können, sie selbst habe in diesem Alter kaum über ihre Sexualität nachgedacht. "Na ja, Mom, das liegt daran, dass du normal warst. Es ist dir nicht in den Sinn gekommen, weil du nicht anders warst. Wenn man anders ist, denkt man darüber nach. Man merkt es", soll er ihr geantwortet haben.
Sam Altman ist gegenwärtig so etwas wie das menschliche Gesicht der Künstlichen Intelligenz. Er führt das amerikanische KI-Unternehmen Open AI, unter ihm machte es mittels ChatGPT diese Technologie innerhalb kürzester Zeit vielen Millionen Menschen rund um den Globus zugänglich, die hierdurch erstmals gewahr wurden, wie gut Computer inzwischen Sprache verstehen, verarbeiten und produzieren können, wie kompetent sie viele Fragen beantworten. Wesentlich Altman und seinem Team ist zu verdanken, dass heute nicht vornehmlich Fachleute rätseln, wie lange es wohl noch dauert, bis die Rechner dem Gehirn gleichkommen oder dieses sogar umfänglicher überflügeln.
Altman ist weltbekannt. Regierungschefs rund um den Globus treffen ihn, Wissenschaftler ebenso, Informatikstudenten fasziniert er. Für Schlagzeilen sorgte er etwa, als er gemeinsam mit Donald Trump und dem Oracle-Gründer Larry Ellison vor einigen Monaten die "Stargate"-Initiative vorstellte im Weißen Haus, durch die eine gewaltige Recheninfrastruktur für KI in Amerika entstehen soll.
Die prämierte und für das "Wall Street Journal" arbeitende Journalistin Keach Hagey hat nun die erste umfangreiche Biographie über den im April 40 Jahre alt gewordenen Altman vorgelegt. Sie hat ihn selbst dafür mehrfach getroffen und außerdem 250 Freunde, Verwandte, Kolleginnen und Kollegen. Sehr detailliert und chronologisch schildert sie seinen Werdegang, beruflich wie persönlich, teilweise intim, etwa in Form der eingangs erwähnten Anekdoten.
Altman wuchs in wohlhabenden, eher behüteten Verhältnissen auf, musste sich nicht nach oben kämpfen - seine Kindheit und Jugend lesen sich beinahe wie ein Gegensatz zur entsprechenden Lebensphase des in einem viel raueren Umfeld in Südafrika aufgewachsenen und nach Nordamerika migrierten Unternehmers Elon Musk. Altman interessierte sich früh für Technik, aber auch für Literatur und Philosophie, brachte sich in der Schule selbst Programmieren und ein überdurchschnittliches Computerverständnis bei.
Hagey beschreibt, wie er als Student in Stanford beschloss, lieber als Unternehmensgründer weiterzumachen denn als Chefingenieur. Wie er sich das Silicon Valley erschloss, an die Spitze der bekannten kalifornischen Start-up-Schmiede Y Combinator rückte. Wie er Paul Graham kennenlernte, wann er erstmals Peter Thiel oder Steve Jobs traf, was er an ihnen bewunderte. Und dann natürlich, warum und wie das Unternehmen Open AI entstand. Wie sich zunächst eine Gruppe Wissenschaftler und Unternehmer traf im Jahr 2015, um über die Chancen und vor allem Gefahren der Künstlichen Intelligenz zu debattieren, wie sie fürchteten, diese Technologie werde womöglich gänzlich von den damals führenden Unternehmen Google und Facebook dominiert. Wie Altman, der an dieser Konferenz nicht teilnahm, etwas später ein "Manhattan-Projekt für KI" erdachte, eine gemeinnützig anzulegende Initiative, die KI eben entwickeln und breit zugänglich machen sollte. Altman verbündete sich mit Greg Brockman, Ilya Sutskever und Andrej Karpathy, zunächst war bekanntlich auch Elon Musk mit dabei, intellektuell wie finanziell.
Hagey nimmt ihre Leser mit durch die Zeit, als Musk sich abwandte. Und durch die dramatische Phase viele Jahre später, als die Open-AI-Führung auch Altman rauswarf, bevor der kurze Zeit später zurückkehrte und seither unangefochten an der Spitze des mit vielen Milliarden Dollar bewerteten Anbieters steht. Und auch am privaten Altman nimmt der Leser bis in die Gegenwart teil, der im vergangenen Jahr den Softwareentwickler Oliver Mulherin heiratete, den er übrigens in Thiels Whirlpool kennengelernt haben soll während einer Party des Paypal-Mitgründers, wie Hagey schreibt.
Der Journalistin ist gelungen, sich einem der erfolgreichsten und wohl auch visionärsten Unternehmer der Gegenwart anzunähern. Sie schreibt schnörkellos, überhöht ihn nicht, erzählt viel, manchmal zu umfassend aus der Familiengeschichte der Altmans. Heraus gekommen ist das Porträt eines überdurchschnittlich technikbegabten, eher schüchternen, machtbewussten und offenbar überaus einnehmenden Mannes, der nicht weniger vorhat, als die Welt zu verändern. Im Grundvertrauen darauf, dass das mit besserer Technologie möglich ist - und Hürden dazu da sind, um überwunden zu werden. ALEXANDER ARMBRUSTER
Keach Hagey: Sam Altman - OpenAI, Künstliche Intelligenz und der Wettlauf um unsere Zukunft. Quadriga Verlag, Köln 2025, 480 Seiten
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.