Dieses Buch ist ein ja, was? Eine Erzählung? Eine Sage? Ein Märchen? Ein Sammelsurium von philippinischer Mythologie? Eine Familiengeschichte? Ein historischer Roman? Eine Gesellschaftskritik? Ein Fingerzeig gegen die Kolonisierung? Oder ganz einfach alles zusammen, geballt in einer bildhaften Erzählung, die ganz tief in die philippinische Volksseele eintaucht.
Die Mutter der fünfzehnjährigen Luklak verschwindet öfter mal in den dichten Mangrovenwäldern. Ihr Mann lässt sie im guten Glauben gewähren, doch eines Tages konnte sie die heranwachsende Frucht in ihrem Leibe nicht mehr verleugnen. Sie schweigt darüber, und ihr Schicksal nimmt seinen tödlichen Lauf. (Achtung, verstörender Spoiler:) Vor ihrem Tod gebiert Luklaks Mutter einen Aal, den Luklak verspeist; - ihren Bruder. Sie infiziert sich dabei mit dem Speichel der Faulatmigen (Anm.: Geister), die ebenfalls am Aal geleckt hatten, den ihnen Luklak verweigerte.
Das Mädchen verwandelt sich, allmählich wird sie zu einem Krokodil, zu einer Aswang. Luklak beginnt, sich von allen Erwartungen, die an sie gelegt wurden, zu befreien. Alles, was an ihrem Menschsein hängt, wie ihr Geschlecht, ihre gesellschaftlichen Stellung oder ihre von Geburt an zugedachter Religion streift sie ab. Ihr Vater ist verzweifelt, sucht Heilkundige auf, jedoch ohne Erfolg.
Während die Verwandlung geschieht, streift die Erzählung durch die Geschichte des Inselstaates. Sie nimmt die Zeit vor der Invasion der Spanier auf, genauso wie das unbarmherzige Joch der Konquistadoren. Die brutale Einführung der einzig wahren Religion namens Katholizismus, der sich die Spanier selbst auf Gedeih und Verderb ausgeliefert hatten, und der Raub am fruchtbaren Land wird fest mit der Mythologie des Landes verknotet. Die Verwandlung des Mädchens stellt insofern den tief schlummernden Wunsch nach Veränderung und Befreiung dar.
Der Roman ist eine wilder, schneller Ritt voller bildhaften Episoden. Man muss, ja man darf ,sich darauf einlassen, konzentriert Wort für Wort.
Und man wird reichlich belohnt mit einem Wissen über einen Staat, den wir kaum kennen.
Das Buch ist wunderbar gestaltet. Einband, Umschlag, Vorsatz sind herrlich bedruckt, einzelne Zeichnungen lockern das Buch auf. Die Übersetzung selbst aus der philippinischen Amtssprache ist eine Wucht, aufgelockert mit Begriffen aus dem Tagalog, welche am Ende des Buches ihre Erklärungen finden.
Sehr gerne bin ich in diese mir bisweilen unbekannte Welt eingetaucht, und gebe eine Leseempfehlung für alle, die sich auf dieses Abenteuer einlassen wollen, oder sich auch auf den bevorstehenden Gastauftritt der Frankfurter Buchmesse vorbereiten möchten.