Besprechung vom 20.04.2025
Neue Reisebücher
Aussterbende Sprachen
Endlich ein Buch für Bildungsreisende mit Flugscham oder Rückenproblemen. Oder beidem. Statt in entfernte Winkel der Welt zu jetten, um dort Vorträgen vor Pyramiden und Pagoden zu lauschen, lässt sich diese Tour zu einmaligen, aber vielfach vergessenen Kulturschätzen völlig CO2-frei und mit hochgelegten Beinen im heimischen Sessel absolvieren.
Der "Atlas der vom Aussterben bedrohten Sprachen" aus dem Dumont-Verlag verspricht eine Reise von Nordfriesland bis nach Amazonien und Aufmerksamkeit für den Zustand von wenigstens 50 der weltweit mehreren Tausend Minderheitensprachen, die "bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wahrscheinlich endgültig verstummt sein" werden. Das klingt dramatisch und ist es natürlich auch. Wie die Autoren bereits in der Einleitung schreiben, geht damit nämlich nicht nur kulturelle Vielfalt verloren, sondern beispielsweise auch wertvolles Wissen über medizinisch wirksame Pflanzen, das häufig in nur einer einzigen indigenen Sprache vorhanden und bisher unerforscht sei. Nun ist weithin bekannt, dass indigene Völker selten vom Transfer solchen Wissens an internationale Pharmakonzerne profitierten. Ihre Sprachen auch nicht. Woher die Autoren ihre Hoffnung nehmen, dass dies künftig anders sein könnte, belegen sie nicht. Das im Duktus eines Lexikons geschriebene Buch kommt weithin ohne die Menschen aus, die in diesen seltenen Sprachen kommunizieren. Stattdessen werden Umfragen zitiert, wonach etwa das Plattdeutsche mit Intelligenz und Kompetenz in Verbindung gebracht wird - die Zahl der Sprecher ist trotzdem gesunken. Zum Baskischen heißt es unter anderem: "Die Verbalflexion ist polypersonal. Das macht sie variantenreich und entsprechend schwer zu lernen." Zu den in der Kalahariwüste lebenden Sprechern des East Taa mit seinen zahlreichen Wörtern für Gerüche: "Es ist anzunehmen, dass dieses ausgebaute Geruchsvokabular in direkter Verbindung mit der nomadischen Lebensweise der Taa als Jäger und Sammler steht."
Auch wenn das Wort "bedrohte" auf dem Buchcover in Alarmrot gedruckt wurde, bleibt man als Leser unberührt von individuellen Schicksalen wie bei einer Bildungsreise mit viel theoretischem Input. Aber wer so etwas mag, für den ist es das Größte. kafi
Atlas der vom Aussterben bedrohten Sprachen. Von Nordfriesland bis nach Amazonien, Dumont, 34 Euro.
Große Fluchten
Wenn das Wetter mitspielt, bietet auch Deutschland ausreichend Fluchtmöglichkeiten aus dem Alltagsgrau. Die Berge sind leider seit Corona vollkommen überlaufen, aber Deutschland ist ja auch ein großes Land mit vielen Ecken und Waterkanten, und manchmal braucht man nur den richtigen Tipp, wohin. "Great Escapes Germany" aus dem Taschen-Verlag zeigt in bewährter Manier und schönen Bildern, wo man es jetzt besser hätte als am Schreibtisch, mehr als 40 Herbergen sind versammelt, manche kennt man als Geheimtipp, von etlichen hat man noch nie gehört, vielleicht weil sie an Orten wie Hessenburg, Kyritz oder Blansingen liegen. Dort liegt Le Rossignol, ein alter Gutshof, in dem man sich schon tief in Frankreich wähnt. Was so große Hotels wie Severin's Resort & Spa und Schloss Elmau in diesem Band zu suchen haben, bleibt rätselhaft. Gesellschafts-Detox ist dort nicht zu erwarten. Dass in Hessen und im Saarland keine Zufluchtsorte im Bildband zu finden sind, ist allerdings keine schöne Nachricht. bali
Great Escapes Germany, Taschen Verlag
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.