Priska hatte einen Unfall, bei dem sie ihr Gehör fast ganz verlor. Nach Versuchen mit einem Hörgerät entschließt sie sich zu einer Operation. Ein Implantat soll die Hörfähigkeit auf einem Ohr künstlich wiederherstellen. Doch die Eingewöhnung ist langwierig und schwierig. Sie muss das Hören üben. Ihre Therapeutin rät ihr, das mit der Musik zu machen, die sie kennt und liebt. Und das ist der Punk der 80er Jahre, die Musik ihrer bewegten Jugend, in der sie aktiv in der Zürcher Frauen- und Lesbenbewegung war.
Der Weg der Heilung, der Weg in die Zukunft ist für sie die Erinnerung an die Vergangenheit und an eine große Liebe: die mysteriöse Gina, die mal bei ihr wohnt, mal für Wochen in den Untergrund abtaucht, vielleicht in linksterroristische Aktivitäten verwickelt ist. Schibli erzählt (mitunter humorvoll) in der Ich-Perspektive über die Richtungskämpfe und die ermüdenden Grundsatzdiskussionen in der Frauenbewegung, über die Befreiung durch den Punk und die Clubszene. Dies ist die zweite, sehr anschauliche Erzählebene in diesem intensiven und sehr direkten Roman.
Die Autorin lässt Priska teils tagebuchartig über ihr Leben mit dem Implantat berichten, über die Zumutungen der Wechseljahre und über ihr Eheleben, das sie aus einer jugendlichen Perspektive wohl als spießig bezeichnet hätte.
Dokumentarisch und journalistisch erzählt ist die dritte Ebene: über den Fichen-Skandal, die Abhör-Affären, die Ende der 80er Jahre (und 2010 nochmals) die Schweiz erschüttern und die Ich-Erzählerin prägen.
All das fügt sich zu einem komplexen Bild über eine Frau zusammen, die einen neuen Anfang wagt, indem sie zurückblickt, durch die Musik neue Kraft gewinnt und ihre persönliche Wahrheit findet:
"Ich kann nicht ungefiltert in die Vergangenheit eintauchen und meinen, das, was ich da dann antreffe, sei authentisch."
Ein eindrucksvoller Roman, nicht nur für Punk-Fans und Feministinnen. Aber für die besonders.