Ein verstörendes, intensives und ungewohntes Lesererlebnis.
Celia wacht in einem fremden Leben auf. Allie erlebt einen Horrortrip in einer abgelegenen Hütte. Maggie kämpft in einem tödlichen Labyrinth um das Leben ihrer Tochter. Die große Frage lautet, wie dieses Gemisch aus Rätsel, Terror und verstörenden Wendungen zusammenhängt.An Christina Henry komme ich nur schwerlich vorbei. Die Autorin hat mich vor Jahren zuerst mit ihren "Dunklen Chroniken" und weiteren berühmt-berüchtigten düsteren Märchenadaptionen gepackt. Ich schätze ihren erfrischenden Stil, ihre originellen Ideen und ihre Bereitschaft, auch mal bösartigere Wege einzuschlagen.Mit "Böse Mädchen sterben nicht" wagt Christina Henry etwas Neues. Das Buch ist eine faszinierende Mischung aus Horror, Dystopie und Splatter, angereichert mit feministischen Akzenten und überrascht mit einem ungewöhnlichen Aufbau.Drei Geschichten, erzählt aus der Perspektive dreier Frauen, stehen eher lose zueinander. Langsam ergibt sich ein größerer Zusammenhang, der sich am Ende in einem Gesamtbild präsentiert.Eine mysteriöse Identitätskrise erlebt zuerst Celia. Sie erwacht in einem Haus, das ihr fremd ist. Von einem kleinen Mädchen wird sie mit "Mama" angesprochen. Sogar ihr Ehemann taucht auf, an den sie sich beim besten Willen nicht erinnert.Celias Geschichte fühlte sich wie ein Krimi mit bedrohlicher Psychonote an. Einige Abschnitte waren etwas langatmig für mich. Trotzdem überwiegt ein mulmiges Gefühl und die Ungewissheit, was da nun vor sich geht, halten bis zum Schluss die Neugier wach.Allie gerät in einen blutigen Überlebenskampf. Eigentlich hat sie einen entspannten Strandausflug mit ihren Freundinnen geplant und landet stattdessen in einer abgelegenen Hütte mitten im Wald. Da fängt wahrer Horror an!Diese zweite Geschichte gleicht einem brutalen Slasher-Film, in dem ein unheimlicher Fremder mit dem üblichen Abzählreim beginnt. Das war die nervenaufreibendste Story für mich, weil sie gar so spannend und atmosphärisch erzählt wurde. Die Gewalt wird explizit beschrieben und ich habe das Grauen der Situation gespürt. Definitiv eine intensive Erfahrung.Maggie stolpert in ein barbarisches Spiel auf Leben und Tod. Sie kommt in einem Labyrinth zu sich, dass es zu durchqueren gilt, um ihre Tochter zu retten. Dieser Abschnitt entspricht den famosen Dystopien wie zum Beispiel "Die Tribute von Panem" oder verstörend verspielten Serien-Varianten wie "Squid Game".Obwohl ich ahnte, wie sich Maggies Weg durch das Labyrinth gestalten wird, war ich von ihrem Kampfgeist und den gut inszenierten Herausforderungen gebannt, die es zu überwinden galt.Besonders spannend fand ich die Hinweise und Details, die in allen drei Geschichten verteilt sind. Daran merken Figuren und Leser:innen gleichermaßen, dass am Geschehen etwas nicht in Ordnung ist. Ich habe gemeinsam mit Celia, Allie und Maggie ständig gegrübelt, wo wie hier gelandet sind.Zudem sind Chatprotokolle eingestreut, die zusammenhanglos wirken und einen aus den Erzählungen reißen. Diese fand ich hervorragend platziert, um mittendrin zu Atem zu kommen, bevor es in der jeweiligen Handlung erneut an die Eingeweide ging.Die Auflösung am Ende lässt mich zwiegespalten zurück. Einerseits passt sie ausgezeichnet in den Gesamtkontext und gibt dem Werk einen feministischen Grundton. Andrerseits hinterließ es bei mir ein Gefühl der Ernüchterung. Vermutlich habe ich insgeheim auf einen verspielteren Schluss gehofft. Die Enthüllung, was wirklich hinter den Ereignissen steckt, ist jedenfalls konsequent aufgebaut.Letztendlich ist "Böse Mädchen sterben nicht" ein verstörendes, intensives und ungewohntes Lesererlebnis. Christina Henry präsentiert sich abermals in düsterer Brutalität und zeigt, dass sie vom kuscheligen Krimi über den blutigen Splatter bis zum grausamen Todesspiel jedes Genre in petto hat. Ich empfand es definitiv lesenswert und bin gespannt, welche dunklen Ideen die Autorin als Nächstes hat.