Okay, wo fange ich an? Ich muss sagen, nach dem Lesen von Das Erbe der Karolinger hatte ich das Gefühl, gerade in eine längst vergangene, aber unfassbar spannende Zeit eingetaucht zu sein und das alles dank Claudius Crönerts Meisterwerk. Der Roman ist einfach... Wow! Der Autor hat es geschafft, Geschichte so lebendig und greifbar zu machen, dass ich förmlich in die Karolingerzeit hineingezogen wurde.
Erzählt wird die Geschichte von Kaiser Ludwig, dem Sohn von Karl dem Großen, der eigentlich alles richtig macht, was ein Herrscher nur tun kann: Er kümmert sich um die Nachfolge, regelt die Machtverteilung unter seinen Söhnen und sorgt für das Reich. Aber, und das ist der Haken, was anfänglich wie eine kluge und weitsichtige Lösung aussieht, entpuppt sich als Pulverfass. Denn Ludwig hat drei Söhne, die zwar alle Land und Macht erben sollen, aber schnell merken, dass sie allesamt ihren eigenen Kopf haben. Und das sorgt für ordentlich Zündstoff. Ganz besonders zwischen Ludwig und seinem ältesten Sohn, Lothar, der schnell zu einem richtigen Zickenkrieg wird und das nicht nur aufgrund von politischen Differenzen, sondern auch wegen persönlicher Eitelkeiten und dem ewigen Kampf um die Krone.
Klar, das könnte jetzt erstmal wie eine langweilige Geschichte über dynastische Machtkämpfe wirken, aber das ist es überhaupt nicht! Crönert versteht es, die ganze Sache mit so viel Spannung, Emotion und Detailtreue zu erzählen, dass ich förmlich an den Seiten klebte. Da gehts nicht nur um politische Intrigen, sondern auch um Macht, Vertrauen, Stolz, Liebe und Familie. Und ja, auch ein bisschen um Frauengeschichten wer hätte das gedacht, dass ausgerechnet die Frau eines Herrschers den ganzen Zirkus erst so richtig anheizt? Denn als Ludwig seine Frau verliert und dann ausgerechnet Judith heiratet, die auch noch das Interesse von Sohn Lothar weckt, eskaliert das Ganze so richtig.
Was ich an dem Buch besonders mochte, war, dass Crönert nie aus der Geschichte herausfällt. Der Roman bleibt dicht an den historischen Fakten, aber der Autor schafft es trotzdem, dem Ganzen genug Raum für kreative Erzählfreiheit zu geben. Es wird nie trocken oder überfrachtet mit zu vielen Details, die einen verlieren lassen. Stattdessen nimmt uns Crönert mit auf eine Reise, die sowohl unterhält als auch Wissen vermittelt und zwar ohne, dass man sich wie im Geschichtsunterricht fühlt.
Ludwig selbst ist eine interessante Figur. Klar, er ist der Kaiser, der das Reich zusammenhalten soll, aber er hat auch so viele menschliche Schwächen, dass man ihn einfach mögen muss. Irgendwie merkt man, dass er zwar viel richtig machen möchte, aber seine eigenen Söhne und Berater nicht ganz im Griff hat. Besonders Lothar, der sich von Beginn an als viel zu ehrgeizig und wenig kompromissbereit zeigt, sorgt immer wieder für Konflikte, die sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch ziehen.
Auch wenn das politische Drama zwischen Vater und Söhnen so ziemlich der zentrale Konflikt des Romans ist, finde ich es spannend, wie Crönert immer wieder auf die Frauen hinter den Kulissen eingeht. Besonders interessant fand ich, wie die Frauen in der Familie, obwohl sie oft im Hintergrund bleiben, dennoch eine bedeutende Rolle spielen oft klüger und besonnener als die Männer. Und wenn man sich die ganze Geschichte ansieht, wird eines klar: Hätten die Männer mal auf die Frauen gehört, wäre das alles vielleicht nicht so aus dem Ruder gelaufen.
Was mich wirklich beeindruckt hat, war auch der Schreibstil. Crönert hat diesen ganz besonderen, bildhaften Stil, der einem die Ereignisse förmlich vor Augen führt. Es fühlt sich an, als ob man mitten im Geschehen wäre, als ob man tatsächlich in einer der prunkvollen Hallen des Karolingerreiches steht oder durch die Straßen eines fränkischen Marktes geht. Und trotzdem bleibt das Ganze immer gut lesbar und spannend, ohne dass man sich zu sehr in historischen Details verliert.
Ein kleines Manko hatte das Buch für mich allerdings: Diese eine Figur, die plötzlich irgendwelche hellseherischen Fähigkeiten bekommt das war für mich irgendwie deplatziert. Es passte nicht so ganz zum restlichen, eher realistisch gehaltenen Roman. Ich hätte mir das gerne gespart und bin froh, dass dieser Teil der Geschichte eher am Rande bleibt. Aber hey, das ist nur ein kleiner Punkt und hat das Gesamterlebnis nicht wirklich geschmälert.
Alles in allem kann ich Das Erbe der Karolinger nur empfehlen. Es ist ein gut recherchierter, spannender und unterhaltsamer historischer Roman, der einen mitnimmt in eine Zeit voller politischer Intrigen, familiärer Konflikte und mächtiger Männer und Frauen, die hinter den Kulissen die Fäden ziehen. Wer sich für das mittelalterliche Europa interessiert oder einfach nur einen richtig guten historischen Roman lesen möchte, sollte auf jeden Fall zugreifen. Und auch wenn man keine Ahnung von der Geschichte hat, kann man in diesen Roman eintauchen und sich gut unterhalten lassen. Für mich ganz klar: 4,5 von 5 Sternen!