... weißt du was, Jonas, sagt er mit einem schiefen Lächeln, du bist im Leben wie im Ring, du weichst nur aus.(S. 83)Vor einigen Wochen habe ich den buchpreisnominierten RomanStreulichtgelesen, in dem die Autorin Deniz Ohde gekonnt aufzeigt, wie strukturelle Rahmenbedingungendazu führen, dass sich das deutsche Versprechen vom Aufstieg durch Bildung nicht bei jedem Mitglied unserer Gesellschaft erfüllt. Nach dem Lesen des Klappentextes vonAus der Deckungerhoffte ich mir eine thematisch verwandte Geschichte, die sich den französischen Verhältnissen widmet, in denen Elitedenken und strukturschwache Regionen eine ungünstige Kombination eingehen.Stimmungsmäßig sind sich beide Romane tatsächlich auch sehr ähnlich. Auch David Lopez' Romanschlägt während der Lektüre erheblich aufs Gemüt, was vor allem an der sehr unmittelbaren Erzählweise des Autors liegt. An Leser wird man ohne Vorwarnung in die derben Szenen rund um Jonas und seine Clique mit hineingezogen, deren Alltag primär aus Kiffen, Alkohol, Kartenspielen und hin und wieder einem Boxkampf in örtlichen Boxzentrum besteht. Ihre Gesprächsthemen decken ein ähnliches Spektrum ab, hin und wieder gewürzt mit Bemerkungen über Frauen, die man flachlegt oder zumindest gerne flachlegen müssen.Lopez' Szenen sind ungeschönt, ungefiltert, rau, toxisch; Gespräche werden nicht durch Anführungszeichen gekennzeichnet, sondern gehen nahtlos in Gedanken über (und umgekehrt), was das Gefühl,Teil der Szenerie zu sein, erheblich verstärkt.Diese Art und Weise ist nicht jedermanns Sache und das Erzählte ist tatsächlich auch alles andere als schön. Trotzdem istAus der Deckung nicht plump oder vulgär, sondern weist in seiner Brutalität gegen andere (aber auch in der Brutalität des Protagonisten Jonas gegen sich selber) eine ganz eigene Poesieauf. Der Autor erfolgt eindeutig das Ziel, die Stimmungswelt seiner Figuren authentisch wiederzugeben und den Leser an derLethargie, ja gar Fatalität, die diese befallen hat, teilhabenzulassen. Schon nach gut der Hälfte der 250 Seiten wird einem bewusst: Hieraus kann nichts mehr Gutes entstehen. Der Antrieb, der jungen Menschen eigentlich innewohnen sollte, ist bei dieser Gruppe von Kleinganoven, Gelegenheitsjobbern und Boxanimateuren nicht mehr vorhanden.Lopez' Botschaft kommt an - und doch fehlt ihr etwas ganz Zentrales und unterscheidet diesen Roman so sehr von oben gerühmtenStreulicht:der Überbau. Die Lebenssituation der Figuren bleibt seltsam schwammig. Ja, sie leben ländlich, aber es gibt Freizeitmöglichkeiten, ein Vereinswesen, Bildungseinrichtungen sind vor Ort. Ja, es gibt ein ökonomisches Gefälle in ihrer Stadt, doch sie selber scheinen alle zu unteren Mittelschicht zu gehören. Ja, die Eltern scheinen nicht die besten Vorbilder zu sein, doch innerhalb der Jugend selber gibt es durchaus ehrgeizige Figuren wie Lahuiss und Wanda, die Ziele haben und am Aufstieg und Ausbruch träumen. Als Leser fragt man sich: Wie sind die Jungs, die man begleitet, in diese Lethargie abgerutscht? Welche strukturell bedingten Faktoren waren der Auslöser? Wo müsste angesetzt werden, damit für die nächsten Generationen ein Ausweg möglich wäre?Aus der Deckung verweigert hier jede Analyse, die einzige Antwort des Romans scheint zu sein: Das Leben muss so sein. Nichts kann man daran ändern. Und so wundert es nicht, dassdie Geschichte quasi im Kreis verläuftund Leser wie Protagonist am Ende an der gleichen Stelle stehen wie am Anfang.Ein Buch mit Potential, von eigentümlicher sprachlicher Kraft, das aus seinem Thema aber nicht alles rausholt.Für mich insgesamt zu unbefriedigend, da die Geschichte nichts anbietet, was man aus ihr mitnehmen könnt.Durchschnittliche 3 Sterne.