Mathe fürs Leben oder: Wie lange brauche ich zu Fuß zum Mond?

Besprechung vom 25.11.2024

Die glückliche Klasse
Lebenskunde im Einmaleins: "Mathe fürs Leben" räumt leichthändig mit Vorurteilen auf

Wenn man in eine beliebige Menge mittelalter Schulkinder hineinfragt, was denn ihr meistgehasstes Fach sei, dürfte Mathematik in der Hitliste ganz oben stehen. Warum ist das verlässlich so, über Generationen hinweg? Ein paar Antworten lauten: weil schlecht erklärt und vermittelt wird, weil selten deutlich wird, was die Mathematik mit dem Leben zu tun hat. Und weil die Bücher, auch neuere, die sich alle Mühe geben, mit Witzen, Karikaturen und ermutigenden Zusatzaufgaben gute Stimmung zu verbreiten, oft immer noch als zu trocken erscheinen. Und wenn aus all diesen Gründen Mathe schon ein Feind der Elterngeneration gewesen ist, werden sich dort wenige Erwachsene finden, die dem Kind vermitteln, wie toll Mathematik ist. Wie viel Spaß das Problemlösen durch Rechnen macht.

Die fünfte Klasse von Frau Verbeek und Herrn Sanders ahnt von selbst, dass Mathe besser ist als das, was beide Seiten in zähen Unterrichtsstunden erleben. Schließlich wollen die Lehrer selbst das Buch am liebsten ins Klo werfen! Mano, der beliebteste Schüler der Klasse, hat das beim Nachsitzen mitgehört. Was daraus erwächst, ist, wie es am Anfang heißt, ein Feuer in 22 Kinderköpfen. Und man darf dazusetzen: in zwei Lehrerköpfen auch.

Wer je das Glück gehabt hat, einen Mathelehrer, eine Mathelehrerin zu erleben, die Mathematik als Sprache und als Denkweise vermittelt, weit weg vom exakt verordneten Stoff im Buch, kann dem Zauber der Mathe auch dann erliegen, wenn es nicht für eine Zwei oder Eins im Zeugnis reicht. Genau diesen Zauber erlebt diese fünfte Klasse einer Schule, die Theo-Thijssen-Schule heißt. Da setzt das Buch an, das gleich drei gleichberechtigte Schöpferinnen und Schöpfer und dazu die Übersetzerin Sylke Hachmeister verbindet. Edward van de Vendel, der einst Grundschullehrer und Schulgründer gewesen ist, bevor er, Jahrgang 1964, vor guten 20 Jahren beschlossen hatte, nur noch zu schreiben, für Kinder und Jugendliche. Ionica Smeets, die Mathematikerin und Professorin für Wissenschaftsvermittlung in Leiden ist. Und Floor de Goede, der als Comiczeichner und Illustrator beides verbindet.

Jedes Kind muss eine Mathefrage stellen, entstanden aus Erlebnissen, wie sie Kinder zwischen neun und 13 Jahren haben, die aus unterschiedlichen Milieus stammen. Sie erzählt van de Vendel zwischen den Mathe-Comics, von Liebe, Fußball und Geschwistern. Das wirkt manchmal etwas konstruiert, aber es erfüllt exakt das, was "Mathe fürs Leben" nahebringen will. Das gewinnt im Verlauf der Kapitel einen ganz eigenen Charme in Text und Bild und animiert die Leser zum Mitrechnen - es gibt sogar ein paar extra Arbeitsblätter mit Lösungen auf den Schlussseiten.

Man lernt, einerseits, durch Rechnen, dass Eis überall gleich kalt ist - jedenfalls wenn man Celsius in Fahrenheit umrechnet und umgekehrt. Und andererseits, dass, wie die italienische Gelateria-Besitzerin erklärt, es eben doch einen riesigen, kulinarischen Unterschied gibt: Amerikanisches Eis mit viel mehr Fett und Zucker ist cremig bei minus 12 Grad Celsius, ein italienisches gelato aber erst bei minus 5 Grad, weil es aus Früchten, Milch und weniger Zucker besteht.

So sind sie alle, die Geschichten, die van de Vendel zwischen die Mathestunden streut. Nicht umsonst hat er 2024 den Theo-Thijssen-Preis, den höchstdotierten Jugendliteraturpreis der Niederlande, erhalten. Thijssen ist Schriftsteller und Reformlehrer gewesen, wie van de Velde, bevor er ein international erfolgreicher Schriftsteller für Kinder und Jugendliche geworden ist. Am Schluss des Buchs steht ein Thijssen-Zitat. Weil es auch ihm um eine "glückliche Klasse" ging. Die in "Mathe fürs Leben" ist es am Ende. EVA-MARIA MAGEL

Edward van de Vendel, Ionica Smeets, Floor De Goede: "Mathe fürs Leben".

Aus dem Niederländischen von Sylke Hachmeister. Carlsen Verlag, Hamburg 2024. 288 S., geb., 15,- Euro. Ab 10 J.