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Besprechung vom 20.11.2023
Geschichte der Wirtschaftspolitik
Eine Zeitreise vom Absolutismus bis heute
Josef Schlarmann hat als Volkswirt und Jurist, als Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwalt vorwiegend für den Mittelstand gearbeitet. Er war mehrere Jahre Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung und Mitglied des Bundesvorstands der CDU. Sein Buch über die deutsche Wirtschaftsgeschichte seit dem 18. Jahrhundert ist also das Werk eines Politikers. Adressaten sind deshalb nicht Studenten oder Kollegen, sondern Staatsbürger und Steuerzahler. Zwar ist das Buch in weiten Teile, sogar überwiegend, die Beschreibung von Ereignissen, aber die Beschreibung ist mit einer politischen Bewertung verbunden. Die Bewertung ist nicht arbiträr, sondern von ökonomischen Theorien inspiriert. Am deutlichsten sind die Einflüsse von Adam Smith, Ricardo und der Freihandelstheorie, Eucken und der Freiburger Schule der Ordnungspolitik, von Hayek und auch Schumpeter erkennbar. Der rote Faden des Werkes sind wiederkehrende Hinweise auf den instrumentellen Wert von Märkten und der wirtschaftlichen Freiheit, wenn man das Wohlstandsziel erreichen will, und ebenso häufig Hinweise darauf, wie leicht ehrgeizige politische Interventionen in die Wirtschaft Schaden anrichten.
Ausgangspunkt der historischen Betrachtung sind Absolutismus und Merkantilismus. Die Obrigkeit hielt Frondienste und beliebige Eingriffe in Löhne und Preise für berechtigt. Die Märkte waren klein und zersplittert, die Zölle und Handelshemmnisse hoch. Importe wurden behindert. Das Wachstum war gering. In Teilen Deutschlands begann eine vorsichtige Liberalisierung mit den Reformen von Stein und Hardenberg. Aber die Gewerbefreiheit und die Überwindung des Zunftwesens mit dem Nahrungsgedanken setzte sich nur langsam durch. Neben der Liberalisierung haben auch der Zollverein und der Eisenbahnbau zur Vergrößerung der Märkte, der Vertiefung der Arbeitsteilung, der Industrialisierung und Produktivitätsgewinne beigetragen.
Mit der zweiten Industrialisierungsphase, also der Entstehung von Chemie- und Elektrizitätsindustrie, fand ein erstes deutsches Wirtschaftswunder statt, und es entstand ein nach heutigen Maßstäben bescheidener Wohlstand. Die positive Wirtschaftsentwicklung wurde durch die beiden Weltkriege mit Kriegswirtschaft und Zerstörungen, durch die Inflation und Weltwirtschaftskrise der Zwischenkriegszeit und auch durch eine starke Neigung zum etatistischen Interventionismus lange unterbrochen.
Mit dem Ende der Demontagen, der Währungsreform und Ludwig Erhards Freigabe der Preise, der Gründung der Bundesrepublik und der Westorientierung konnte der Wiederaufbau zum Wirtschaftswunder werden. Schlarmann betont neben dem Wirken Erhards die damalige Dominanz des ordnungspolitischen Denkens. Staatsaufgabe ist danach nicht die Durchsetzung von Verteilungszielen oder Steuerung der Wirtschaft, sondern die Sicherung des Wettbewerbs auf den Märkten, beispielsweise durch ein Kartellgesetz.
An mehreren Stellen des Buches werden kurz zentrale Gedanken bedeutender Wirtschaftstheoretiker besprochen. Hier kann nur auf Schlarmanns Stellungnahme zu Keynes und der Umsetzung von dessen Gedanken durch Karl Schiller eingegangen werden. Gegen die Globalsteuerung der Wirtschaft durch Geldpolitik und Finanzpolitik wendet Schlarmann ein, dass der Staat nicht das erforderliche Steuerungswissen besitzt, dass zu langsam wirkende Stimuli leicht aus antizyklischen Intentionen eine prozyklische Politik werden lassen, dass die unterschiedliche Popularität stimulierender und bremsender Maßnahmen dafür sorgt, dass in der Praxis vor allem die Verschuldung des Staates steigt. Dazu hat auch der stetige Ausbau der Sozialleistungen beigetragen.
Während Schlarmann die wirtschaftspolitischen Weichenstellungen unter Ludwig Erhard und in der frühen Bundesrepublik bewundert, wird sein Urteil über die Zeit immer skeptischer. In der Not wurden meist richtige Entscheidungen getroffen, mit zunehmendem Wohlstand immer seltener. Die lange Regierungszeit von Angela Merkel sieht Schlarmann kritisch. Von Anfang an war der Preis ihrer Kanzlerschaft der Verzicht auf ordnungspolitische Reformen. Die problematischen Entscheidungen fangen mit dem Atomausstieg an, gehen über die Art der Rettung der Südländer der Eurozone weiter zur Öffnung der Grenze 2015 für Flüchtlinge bis hin zu einer Energie- und Klimapolitik, die mit etatistischem Interventionismus die Funktionsweise der Märkte untergräbt. Schlarmann kann sich gut vorstellen, dass die deutsche und europäische Klimapolitik zwar unseren Wohlstand untergräbt, aber nicht zur Lösung der globalen Probleme durch CO2-Emissionen nennenswert beiträgt.
Das Buch ist gut lesbar. Implizit ist es nicht nur ein Plädoyer für wirtschaftliche Freiheit, sondern auch ein Appell an jüngere Christdemokraten, zu den ordnungspolitischen Maßstäben zurückzukehren, denen die CDU die lange Dominanz im deutschen Parteienspektrum und denen Deutschland seinen Wohlstand und die Stabilität seiner Demokratie verdankt. Es ist auch ein allgemeiner Appell an die Politik, nicht schon die Vergabe von Subventionen an Unternehmen für eine gute Wirtschaftspolitik zu halten. ERICH WEEDE
Josef Schlarmann: Die Magie vom Wohlstand. Eine Zeitreise durch Deutschlands Wirtschaftspolitik. Lau Verlag, Reinbek 2023, 568 Seiten
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