Besprechung vom 25.03.2025
Der andere Reiseführer
FRANKFURT Welche Parks, Cafés und Museen haben es den Künstlern angetan? Amelie Persson hat Zeichner und Illustratoren nach Bildern ihrer Lieblingsorte in Frankfurt gefragt. Entstanden ist ein Sammelband, der durch stilistische Vielfalt glänzt.
Von Alexander Jürgs
Die Autoren der allermeisten Reiseführer, die über Frankfurt geschrieben werden, sind sich einig, was man als Tourist in der Stadt anschauen sollte: den Römer und die Altstadt, die Hochhäuser des Bankenviertels, die Einkaufsstraße Zeil, die Apfelweinkneipen in Sachsenhausen. Daran ist grundsätzlich nichts falsch, trotzdem liefern diese Sehenswürdigkeiten nur ein unvollständiges und auch einseitiges Bild der Stadt. Frankfurt ist mehr als Sauergespritzter und Banken, ist vielfältiger und bunter. Wie aber lässt sich diese Vielschichtigkeit erkunden? Einen guten Ansatz dafür bietet nun ein anderer Reiseführer, initiiert von der Illustratorin Amelie Persson. "Lieblingsorte in Frankfurt" heißt der Band schlicht. 20 Frankfurter Zeichner verraten darin, wo sie sich in der Stadt am wohlsten fühlen.
Tipps, die man seinen zu Besuch kommenden Freunden geben würde, Tipps, die die Schönheit der Stadt beschreiben: Solche Empfehlungen sollten die Beteiligten liefern, ihren Lieblingsorten sollten sie in Form von Zeichnungen ein Denkmal setzen, erzählt Persson bei Matcha Latte und Haferkeksen in ihrem Souterrainatelier in Frankfurt-Dornbusch. Mit diesen Vorgaben hatte sie ihre zeichnenden Kollegen für das Buchprojekt angefragt.
Viele, die sich an dem Sammelband beteiligten, kennt die Illustratorin mit schwedischen Wurzeln, die Anfang der Nullerjahre als Studentin nach Frankfurt kam, schon seit Jahren, sie gehören länger schon zu ihrem "Netzwerk". Andere wie etwa der Zeichnerin Helena Baumeister, deren Comic "oh cupid" mit dem Hamburger Literaturpreis und dem "Peng!"-Preis des Münchener Comicfestivals ausgezeichnet worden war, dagegen kannte Persson vorher nicht persönlich. Stilistisch unterschiedlich sollten die Beiträge werden, das war ihr wichtig. "Das Buch soll zeigen, welche Vielfalt in der Frankfurter Illustratorenszene schlummert", sagt sie.
Diesem Anspruch wird "Lieblingsorte in Frankfurt" mehr als gerecht, die Mischung der Stile macht den Band zu etwas Besonderem. Beteiligt ist zum Beispiel Tatjana Prenzel, deren zarte, mit Buntstiften angefertigte Illustrationen auch schon im "New Yorker" erschienen sind. Sie hat die Buchhandlung Land in Sicht, den Grüneburgpark und das hübsche Kaffeehaus Lucille verewigt. Ins Phantastische bewegen sich die Zeichnungen von Sylvain Mérot: Er hat aus dem Lohrberg einen rätselhaften Riesen gemacht - und lässt bei Nacht eine Akrobatin über der Terrasse des Fleming-Hotels schaukeln. In die Sechzigerjahre versetzt fühlt man sich durch die poppig-bunten Illustrationen von Nadja Zinnecker. Ihre Wahl fiel auf den Kunstverein, den Obsthof am Steinberg und den stillgelegten Militärflughafen in Frankfurt-Bonames, der zu einem beliebten Ausflugsziel für Familien, Radfahrer und Inlineskater geworden ist. Die Zeichnerin Pauline Wernig, die Besuche des Städelmuseums, der Sachsenhäuser Brückenstraße und des zu einem Café umgebauten Kiosks Fein empfiehlt, kombiniert Illustrationen und Collagen. Und Sibylle Lienhard ist in der Subkultur der "Urban Sketchers" aktiv: Die Zeichner ziehen meist gemeinsam los, suchen in ihrem Umfeld nach spannenden Orten, die sie mit Stift oder Aquarellfarben festhalten. Ihre Art, die Umgebung einzufangen, begreift die aus den Vereinigten Staaten stammende Bewegung als "visuellen Journalismus". Lienhards illustrierte Tipps für das Buch sind das Historische Museum, der Kunstverein Familie Montez und der Bornheimer Wochenmarkt.
War es schwierig, die Auswahl für den Band zu treffen? Nein, antwortet Persson. Jeder Zeichner durfte seine drei Lieblingsorte vorschlagen, zu Doppelnennungen kam es kaum. War es doch einmal der Fall, erhielt derjenige, der seine Vorschläge schneller abgeliefert hatte, den Zuschlag. Vor allem Parks und Grünflächen wurden mehrmals genannt. "Das hat mich überrascht", sagt Persson. Es zeigt aber auch, dass Frankfurt eben anders ist als die Klischees, die über die Stadt in der Welt sind: Denn eine "grüne Metropole" dürften wohl die wenigsten Touristen erwarten, wenn sie nach Frankfurt reisen.
Hat Persson selbst durch die Arbeit an dem Buch auch noch neue Orte kennengelernt? Vom Café Mutz, das die Illustratorin Susanne Köhler beigesteuert hat, habe sie vorher noch nicht gehört, sagt sie. Im dörflichen Niederursel findet sich diese charmante Mischung aus Café und Buchhandlung - und gefällt Persson sehr. Auch in der Kneipe Hesseneck (von Comic-Künstlerin Helena Baumeister gezeichnet) und im Obsthof am Steinberg war sie vor dem Beginn des Buchprojekts noch nicht gewesen. Aufgefallen ist ihr außerdem, dass sie noch nie mit dem Ebbelwei-Express, den die Illustratorin und Grafikdesignerin Lara Hies als Lieblingsort ausgewählt hat, gefahren ist. Das will sie, gemeinsam mit ihrer Familie, bald "endlich nachholen". Eine Fortsetzung des Projekts kann Persson sich vorstellen. "Es gibt noch viele Orte mehr in Frankfurt, die es lohnen, entdeckt zu werden", ist sie sich sicher.
Lieblingsorte in Frankfurt erscheint an diesem Freitag im Societäts-Verlag und kostet 20 Euro. Zur Veröffentlichung organisiert Persson eine Ausstellung: Im Galerieraum der Kulturothek in der Altstadt (Hinter dem Lämmchen 9) werden von Freitag, 28. März, bis Sonntag, 30. März, einige Originalzeichnungen aus dem Buch ausgestellt. Geöffnet ist die Schau am Freitag von 12 bis 18 Uhr, am Samstag und Sonntag jeweils von 12 bis 16 Uhr. Dort kann man mit einigen der Zeichner auch ins Gespräch kommen oder sich ein Buch signieren lassen.
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