Nach h. M. haben Aktionäre bei unterlassenem Pflichtangebot nach § 35 WpÜG mangels individualschützenden Zwecks des WpÜG keinerlei Rechtsschutzmöglichkeiten. Das WpÜG dient aber der Umsetzung der Übernahme-RL und ist anhand der EuGH-Judikatur, nach welcher Unionsbürger zur Rechtsdurchsetzung mobilisiert werden sollen (funktionale Subjektivierung), auszulegen. Ergebnis der Arbeit ist daher in Abweichung von der h. M. , dass eine Subjektivierung der Pflichtangebotsregel unionsrechtlich geboten ist.
Die Pflichtangebotsregelung in
35 WpÜG soll Aktionären im Falle eines Kontrollerwerbs die Möglichkeit zur Desinvestition eröffnen. Allerdings stehen den Aktionären nach derzeit h. M. in der Konstellation eines unterlassenen Pflichtangebots weder öffentlich-rechtliche noch privatrechtliche Rechtsschutzmöglichkeiten offen. Diese gänzliche Versagung des Rechtsschutzes wird vorrangig damit begründet, dass die Normen des WpÜG nach klassischer Auslegung nicht individualschützend seien. Das WpÜG dient allerdings der Umsetzung der Übernahme-RL. Im Rahmen seiner Auslegung ist daher die Rechtsprechung des EuGH zu beachten, nach welcher zur Durchsetzung des Unionsrechts die Unionsbürger mobilisiert werden sollen, indem ihnen Rechtsschutzmöglichkeiten durch das nationale Recht eingeräumt werden müssen (funktionale Subjektivierung). Vor diesem Hintergrund kommt die Arbeit in Abweichung von der h. M. zu dem Ergebnis, dass eine Subjektivierung der Pflichtangebotsregel unionsrechtlich geboten ist.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Grundlagen unionsrechtlicher Individualberechtigung
2. Die Pflichtangebotsregelung in der Übernahmerichtlinie
3. Die Pflichtangebotsregelung im WpÜG und Rechtsschutz der Aktionäre bei unterlassenem Pflichtangebot
4. Unionsrechtliche Rechtsschutzvorgaben: Abwägung zwischen einheitlicher Wirksamkeit und mitgliedstaatlicher Rechtsdurchsetzungsautonomie
5. Rezeptionsmöglichkeiten
6. Ergebnis und Folgen für den Rechtsschutz der Minderheitsaktionäre