»Ich hatte einfach keine Ahnung, was so ein Katzenbiss bedeuten kann. «
Aus reiner Tierliebe hat die Autorin eine räudige Katze aus dem Straßengraben gerettet und aufgenommen. Wäre da nicht Bonnie, die Hündin, könnte das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein. So aber kommt es zum handgreiflichen Eifersuchtsdrama zwischen den beiden Tieren, das der Schriftstellerin einen üblen Katzenbiss auf dem Arm beschert. Der wird zwar gleich desinfiziert, aber am nächsten Tag beginnt die Hand bedrohlich anzuschwellen und lässt sich nicht mehr bewegen. Da befindet sich die pflichtbewusste Schriftstellerin aber schon im Flieger nach Budapest zu einer Lesung. Was folgt, ist eine Sightseeingtour durch die Notaufnahmen Budapests - und nicht zuletzt ein dramatischer Kampf um Leben, Tod und die Autorenhand.
Inhaltsverzeichnis
Besprechung vom 13.02.2025
Ist das überhaupt ein Buch?
Monika Marons Erzählung "Die Katze"
Ich hatte einfach keine Ahnung, was so ein Katzenbiss bedeuten kann": Mit diesem im Klappentext zitierten Satz ist Monika Marons kaum fünfzig kleine Seiten füllende Erzählung "Die Katze" auch fast schon erschöpfend zusammengefasst. Sie wirft daher gleich mehrere Fragen auf: Ist das überhaupt ein Buch? Ist der Text bedeutend genug für eine Einzelveröffentlichung? Möchte man sechzehn Euro dafür ausgeben? Nun gut, manche mögen hier kontern: Sind denn zwanzig Euro für knapp siebzig Seiten von Peter Handke (siehe oben) eher gerechtfertigt?
Denken wir an "kleine Bücher" in der Geschichte der Prosa, wären Messlatten neben bedeutenden Märchen und Novellen Texte von Thomas Mann, Kafka, Musil und Brecht, vielleicht auch solche wie Heinrich Bölls Satire "Doktor Murkes gesammeltes Schweigen", Sibylle Lewitscharoffs "Pong"-Reihe oder sogar Monika Marons eigene etwa hundertseitige Erzählung "Wie ich ein Buch nicht schreiben kann und es trotzdem versuche". Aber im Gegensatz zu solchen Vorbildern sowie zu Marons Vorgängerwerk, das 2005 eine Zwitterform des poetologischen Erzählens gewitzt auslotete, tut man sich schwer, im vorliegenden Büchlein viel Tiefe oder Witz, überhaupt Literarizität zu erkennen.
Die Botschaft, Katzenbisse könnten derart heftige Bakterieninfektionen verursachen, dass schlimmstenfalls Gliedmaßen amputiert werden müssen, hat in etwa den Schockwert eines Online-Clickbaitartikels, der einem ungewollt auf den Bildschirm gespielt wird und angesichts dessen man ausrufen soll: Boah, krass! Dass Monika Maron eine solche Infektion selbst erlitten hat, als sie eine streunende Katze von ihrem Hund trennen wollte, dann trotz Bissverletzung auf Lesereise nach Budapest ging und die Lage um ihre entzündete Hand sich zuspitzte, ist dramatisch - aber warum es erzählt wird, erschließt sich bis zuletzt nicht recht. Mit viel Wohlwollen könnte man den Erzählkern als "unerhörte Begebenheit" auffassen. Aber eine literarische Novelle wird "Die Katze" doch beim besten Willen deshalb noch nicht.
Vielleicht ist das Ziel der Erzählung eher ein außerliterarisches: nämlich die Rechtfertigung eines gewissen Altersstarrsinns der Autorin. Sie beschwört zwar erst noch, das Überstehen der Infektion mit intakter Hand habe sie zu Sanftmut und Freundlichkeit inspiriert. Aber die dann folgende Auskunft, sie "streite sich schon länger nicht mehr", wird wie folgt begründet: "Über die Streitthemen Migration, Corona, Gender, die ganze Links-und-rechts-Front eben, ist alles gesagt, jeder kennt die Argumente des anderen auswendig. Ich erinnere mich nicht, einen Windkraftenthusiasten von der Kernkraft überzeugt zu haben, wie auch noch niemand meinen Hass auf die Genderei mildern konnte." Dann folgt noch die Erkenntnis: "Nur wenige sind es wert, dass man ihnen widerspricht." Das musste offenbar mal gesagt werden zwischen zwei Buchdeckeln! Aber weiterhin gilt wohl im Journalismus wie auf dem Buchmarkt: Tiere gehen immer. Fortsetzung der literarischen Tradition dann vielleicht beim nächsten Mal. JAN WIELE
Monika Maron:
"Die Katze". Erzählung.
Hoffmann und Campe, Hamburg 2024.
56 S., geb.
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