»Ab einem gewissen Punkt reißt die eine Welt von der anderen ab, und da, wo du stehst, bist du.«
Wenn die eigene Mutter stirbt, schwindet nicht nur ein geliebter Mensch, sondern auch ein Teil des eigenen Lebens. Denn das Leben der Mutter ist auch zugehörig zum eigenen Ich, welches sie meist lebenslang geprägt hat. Ohne sie gäbe es einen nicht und auch wenn die Beziehung oftmals nicht eben leicht erscheinen mag, reißt diese innere Verbindung niemals ab.
So auch bei Nora Gomringer. Ihre Mutter Nortrud verstarb am Dienstag, den 08. Dezember 2020. Seitdem sind fast fünf Jahre vergangen, doch der Schmerz des Verlusts und dessen Trauer hält bis heute an.
Zeit, um der Erinnerung ihren Raum zu geben, die sie zu beabsichtigen gedenkt. Aus diesem Anlass entstand der erste Roman der Autorin und zwar in Form eines von ihr so benannten Nachroughs.
Erinnerung ist schmerzlich, doch das Leben nicht minder.
Ihr wechselhaftes Erzählen über die Mutter zwischen Nähe und Distanz besteht aus Episoden der Kindheit und vielen Einblicken in das Leben der Gomringers, welches selten ein leichtes war. Sie gedenkt ihrer Mutter, versetzt sich in sie hinein und hinterfragt dabei teils ihre Entscheidungen, z.B. sich von ihrem Mann so vereinnahmen zu lassen, statt ihr eigenes Leben mehr zu genießen. Dann auch noch die Kinder aus verschiedenen Partnerschaften, seine Affären und allgemein der schwierige Umgang mit ihm.
Man merkt es schon: Immer wieder blickt neben der Mutter, die eigentlich die Protagonistin sein sollte, der Vater Eugen Gomringer hervor und nimmt Platz für sich in Anspruch, denn sowohl die eheliche Beziehung als auch die zwischen Vater und Tochter war von schwieriger Natur.
Dass Nora Gomringer nicht nur eine Meisterin der Lyrik ist, sondern auch die Langstrecke der Prosa beherrscht, hat sie hiermit eindeutig bewiesen und lässt hoffen, dass in Zukunft Weiteres kommen wird. Ein in seiner Form einzigartiges Buch, das Notrud Gomringer ein literarisches Denkmal für die Ewigkeit setzt.