Besprechung vom 05.06.2020
Der Baron war oft dagegen
Im Frühjahr 2012 erklärte der Dirigent Enoch zu Guttenberg in dieser Zeitung, warum er aus dem "Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland" ausgetreten sei, den er 1975 mitbegründet hatte: Der Verein habe sich von der Wind- und Ökostrom-Industrie kaufen lassen und zerstöre nun die Landschaften, für deren Erhalt er sich jahrzehntelang eingesetzt habe - der Baron war zur Galionsfigur der Windkraftgegner geworden. Der Kulturjournalist Georg Etscheit, selbst Kritiker der Energiewende, bringt es in seinem biographischen Porträt auf den Punkt: "Guttenberg kämpfte, wetterte, antichambrierte con brio und molto agitato, und das oft im Alleingang und immer wieder zu Lasten seiner dem Höhepunkt zustrebenden Karriere als Dirigent: ein oberfränkischer Don Quichotte, der ganz im Wortsinne gegen Windmühlenflügel kämpfte."
Musik und Naturschutz lassen sich im Leben und Wirken des 2018 verstorbenen Barons nicht trennen, darauf hebt Etscheit in seinem sorgfältig recherchierten, stets Anteil nehmenden, doch nie in Beweihräucherung verfallenden Porträt mit Nachdruck ab. Die Sorge um Natur und Landschaft gehörte in Guttenbergs musikalischer Ausbildung bei dem bayrischen Komponisten-Querkopf Karl Feilitzsch, dem freigeistigen Ökopionier und Autor der Oper "Die Apokalypse" (1949), dazu. Dass der Baron gleichzeitig passionierter Jäger war und zu seinen Trophäen auch ein Riesenkrokodil gehörte, unterschlägt Etscheit keineswegs. Aber Widerspruch ist Guttenberg konstitutionell eingeschrieben - gegen den Vater, der Musik wie Umweltschutz gleichermaßen für "Quatsch" hielt, gegen die auferlegten Adelspflichten und die katholische Kirche, gegen die CSU, aus der er austrat, gegen die Konsumhaltung eines verwöhnten Klassikpublikums, schließlich gegen die Hoffnung auf Weltverbesserung durch Kunst. Was neben dem musikalischen Vermächtnis von Guttenberg mit der von ihm 1967 gegründeten Chorgemeinschaft Neubeuern und dem Orchester "KlangVerwaltung" bleibt, ist nach Etscheit der Respekt und Sympathie verdienende Weg eines zwar privilegierten, aber durch seine Herkunft alles andere als prädestinierten Künstlers.
LOTTE THALER.
Georg Etscheit: "Musizieren gegen den Untergang". Der Dirigent und Umweltschützer Enoch zu Guttenberg - ein biografisches Porträt.
Vorwort von Kent Nagano. Schott-Verlag, Mainz 2020. 261 S., br.
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