¿Zeilenflüstern¿ ist der Auftakt der ¿Sweet Lemon Agency¿-Trilogie von Kyra Groh. Der New-Adult-Roman hat mich mit seinem Setting sofort angesprochen, weil ich selbst ein Faible für Stimmen, Hörbücher und Synchronsprecher habe. Wie faszinierend, dass eine Stimme allein reicht, um einer Figur eine ganz neue Tiefe zu verleihen! Leider bringt der Roman auch einige typische Schwächen mit, die es mir ¿ wie so oft im Genre ¿ schwer machen, mich vollständig auf die Geschichte einzulassen.Inhalt:Die junge Texterin Klara ist ein großer Fan der Schwingen-Saga, vor allem wegen des Sprechers Noel Carter. Als ihre Agentur ein neues Werbekonzept für Schokolade entwerfen soll, bringt sie die Idee ein: verführerische Texte, gesprochen von einer ebenso verführerischen Stimme. Noel alias Noel Zimmermann will jedoch eigentlich ernst genommen werden ¿ und hadert damit, dass seine Karriere auf das Vertonen von Romantasy reduziert wird.Neben der sich anbahnenden Liebesgeschichte spielen Themen wie Selbstfindung, Selbstliebe und Identität eine große Rolle. Gegensätze wie laut/leise oder hören/sprechen ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch ¿ besonders spannend, da Klaras Eltern gehörlos sind. Das gibt der Geschichte noch mehr Tiefe. Stil:Die Kapitel sind klar strukturiert und tragen passende Überschriften. Erzählt wird abwechselnd aus der Sicht von Klara und Noel. Der Schreibstil ist nicht besonders anspruchsvoll und das Buch lässt sich leicht lesen. Persönliche Eindrücke:Klara ist leider eine typische Protagonistin, wie man sie aus vielen New-Adult-Romanen kennt: übertrieben unsicher, emotional kaum belastbar und durchgängig auf der Suche nach Bestätigung. Sie stellt drei (!) Fragen und zweifelt danach, ob sie nicht zu aufdringlich war ... Oder sie leidet Jahre später noch unter einem WG-Erlebnis, bei dem ihr lediglich gesagt wurde, sie schlürfe die Milch zu laut. Auch dass sie sich emotionalen Support von einer ihr eigentlich fremden Frau holt, deren Poster sie sich über das Bett hängt, wirkte eher kindlich-naiv als nachvollziehbar erwachsen. Solche Figuren sollen Vorbilder sein?Noel dagegen wirkte auf mich authentischer ¿ trotz Selbstzweifeln hat er eine gewisse Bodenhaftung. Dass er sich nicht auf seine Romantasy-Rolle reduzieren lassen will, fand ich nachvollziehbar. Ich konnte verstehen, dass er mehr will. Die Chemie zwischen Klara und Noel hat funktioniert ¿ ihre Liebesgeschichte war glaubwürdig und angenehm zu lesen. Es gab viele schöne, aber auch traurige Momente. Die Nebenfigur Franka bedient so ziemlich jedes Klischee der politisch korrekten, feministisch-provokanten besten Freundin und ist dabei auch noch vegan, tätowiert, bunt, laut. Einmal würde ich mir wünschen, dass nicht sie, sondern die ruhige Hauptfigur die Veganerin ist ¿ einfach nur, um das übliche Bild zu durchbrechen.Einen besonderen Kritikpunkt habe ich für die Passage, in der eine deutsch-österreichische Fernsehserie erwähnt und kritisiert wird. Es ist natürlich einfach, 15 Jahre alte Serien mit heutiger Brille auseinanderzunehmen ¿ das Problem liegt hier allerdings weniger im Inhaltlichen als in der schlampigen Umsetzung. Wenn Seriennamen, Schauspielernamen und Rollennamen durchweg falsch wiedergegeben werden (¿Diaries¿ statt ¿Diary¿, ¿Ampft¿ statt ¿Amft¿, ¿Mark¿ statt ¿Marc¿), muss man sich fragen, ob die Autorin die Serie je gesehen hat, die sie hier kritisieren will. Schade, denn die Anspielung hätte Potenzial gehabt.Fazit:Ein leicht zu lesender Roman mit unterhaltsamer Grundidee, einem spannenden Setting und einer süßen Liebesgeschichte ¿ im wahrsten Sinne des Wortes. Anspruchsvoll ist der Schreibstil nicht, die Figuren bleiben oft zu eindimensional. Besonders in Erinnerung bleiben mir Noels Stimme und das innovative Agentur-Setting.