Was wie ein launiger Italien-Krimi aussieht, entpuppt sich als düsterer, kluger Auftakt für eine neue Reihe: "Commissario Gaetano und der lügende Fisch" von Fabio Nola ist alles - außer bequem.Schon der Einstieg lässt keine Zweifel: Ein Mann wird enthauptet, mitten im Centro Storico von Neapel, zur Hoch-Zeit des San-Gennaro-Festes. Was wie ein Ritual wirkt, wird zur Tür in einem vielschichtigen Fall - voller Wendungen, Abgründe und gesellschaftlicher Fragen. Mafia? Eifersucht? Fanatismus? Alles denkbar.Commissario Gaetano selbst ist eine Zumutung: cholerisch, zynisch, alkoholabhängig und gegenüber seinen Kolleg:innen ist er grob, herablassend, manchmal schlicht gemein. Aber glaubwürdig bis ins Mark. Nola verzichtet auf falsche Heldenmythen. Gaetano darf unsympathisch sein, solange er echt ist - und genau das ist er. Ein Ermittler, der mit sich selbst im Clinch liegt, der scheitert, aufsteht, weitermacht. Kein Genie, kein Held - einfach ein Mensch in einer kaputten Welt.Und Neapel? Keine Postkarte. Die Stadt lebt, flucht, verdirbt, betört - und ist immer präsent. Die Hitze, die Gerüche, die engen Gassen, die Korruption - all das wird zum Klangteppich des Romans. Nola kennt seine Stadt - und zeigt sie ohne Zuckerguss.Der Fall selbst ist hart, aber nie Selbstzweck. Die Gewalt dient nicht dem Schock, sondern treibt die Fragen voran: Was ist Schuld? Was treibt Menschen an? Die Ermittlungen verlaufen in Wellen, nie geradlinig, nie vorhersehbar. Und auch das ist Teil der Spannung.Fazit: Kein Wohlfühlkrimi, sondern ein literarisch anspruchsvoller, psychologisch dichter Krimi mit bissiger Hauptfigur, glaubhaftem Setting und erzählerischer Substanz. Wer Lust hat auf einen düsteren Neapel-Krimi mit Tiefe statt Klischees - hier entlang.9/10