Fünf Sterne vergebe ich öfter mal für ein sehr gutes Buch. Schließlich filtere ich, wie wohl die meisten schon vorab, was mir überhaupt liegt. Wenn ich abergroßartigschreibe. Dann meine ich großartig. Ich würde sagen, Fonda Lee ist meine neue Lieblingsautorin. Wie alle guten Bücher, das gilt meiner Meinung nach auf für gute Songs oder Musikalben, oder ein ungewöhnliches Essen braucht man eine kleine Weile, um sich darauf einzulassen, um die wahre Größe zu erkennen. WerBohemian RhapsodyvonQueen das erste Mal hört, denkt vielleicht auch "Was ist das denn für ein seltsames Stück?" Trotzdem bleibt am Ende mehr von diesem Song im Gedächtnis, als beiTwo Princesvon denSpin Doctors, wo eine Gitarre von vorne bis hinten demselben Millionenfach gehörten, D Bm A G Akkorde durchnudelt. Man erinnert sich vermutlich auch eher an das erste Mal, als man etwas völlig Neues gegessen hat, als an den letzten Big Mac. Einige Dinge, welche für mich diese Saga außergewöhnlich machen: JADEDie Art und Weise wie F.L. das energetische, manchmal erschreckende Gefühl der Jade Aura beschreibt, lässt einem wirklich mitfühlen, wie es ist diese übernatürliche Kraft zu besitzen oder auch davon überwältigt zu sein. Dieses Gefühl geht weit tiefer, als die oft gelesene: "Puff - Zaubertrick, oh das war jetzt aber anstrengend." Beschreibung. Ein Aspekt, der schwer zu beschreiben ist. Man muss das Buch dazu einfach gelesen haben. KULTURDie Kultur der Stadt Jan Lonn und der Insel Keikon, ist anscheinend an das Hong Kong der 70er - 90er angelehnt und hat als übernatürlichen Aspekt das bioenergetische Jade, was die Bewohner zu einer besonderen Kultur macht. Der asiatische Flair, den die Kultur in dem das Buch spielt, ist ungewohnt und doch zugänglich zugleich. Man fühlt sich wie Reisender, der eine fremde Stadt und Kultur betritt, aber die Sprache spricht.PLOTS- F.L. baut viele Plots, die erst später zum Tragen kommen, frühzeitig auf, manchmal liegen sie so weit in der Vergangenheit, dass man sie fast vergessen hat (mit Absicht), trotzdem ist nicht jeder Tod oder Tragödie immer ein "Es war die ganze Zeit der Plan des Endgegners", sondern manchmal erschreckend banal und unglücklichen Umständen geschuldet. Das verleiht ihren Geschichten eine Lebensnähe, die sehr wirklich ist.CHARAKTERE, KLISCHEES & GESCHLECHTERWELTENF.L. beschreibt eine grundsätzlich von Männern dominierte Welt, durch die ihre weiblichen Charaktere hindurch navigieren müssen. Aber eben nicht nur diese. Auch den Männern wird nichts geschenkt und um die Verpflichtungen, die aus ihrer Geschlechterrolle erwachsen, sind sie nicht zu beneiden (Niko, Hilo). Die Männer-dominierte Welt, wird jedoch nicht grundsätzlich schlecht dargestellt - auch Frauen, haben darin ihren Platz. Trotzdem müssen sie sich an einigen Stellen erst einmal erkämpfen, was ihnen traditionell nicht in die Wiege gelegt ist und hierbei sind es weniger "böse alte Männer", welche die Traditionen aufrechterhalten, sondern die Protagonistinnen selbst, die ihre eigenen traditionellen Vorstellungen überwinden müssen. - Wie im richtigen Leben. Wie im richtigen Leben sind ihre Verbündeten hierbei andere Frauen UND Männer - Ihre Gegner eben auch andere Frauen UND Männer.Ich finde es bei F.L. bemerkenswert, wenn sich eine Frau unvoreingenommen in die Seelen auch von Männern hineinversetzt, eben weil wir in einer Zeit leben, wo der Zeitgeist eine andere Richtung vorgibt und in der sich auch viele männliche Autoren anbiedern, indem sie "Frau alles besser kann" (klug, witzig, kann besser kämpfen, sieht bombe aus) präsentieren und als Gegenpart den im gemachten Nest sitzenden Mann, der heruntergedummt, das Patriarchat vertritt und im besten Falle "dazulernt". Womansplaining gut, mansplaining böse. Natürlich gehts nie ohne die gedemütigte "Opferfrau", die das bestehende Patriarchat irgendwie rechtfertigen muss. Das nervt und Fonda Lee beweist, dass sie über diesen Dingen steht. Ihre weibliche Hauptfigur Shae ist den Männern, gegen sie bisweilen auf diplomatischem oder kämpferischem Wege Antritt, nicht haushoch überlegen, sondern immer nur um Haaresbreite und manchmal eben auch nicht. Die größte Widersacherin ist wiederum, Ayt Madashi eine Frau. Gegen die sie aber, ohne ihren charismatischen, aber manchmal voreiligen Bruder Hilo und ihrem nachdenklichen Cousin Anden nicht bestehen kann. Hauptfigur Anden ist schwul, ist von gemischter ethnischer Herkunft und wächst ohne Elternfiguren auf. Er denkt sein ganzes Leben, dass diese Parameter ihn zu einem Außenseiter machen. Letztendlich ist es eher sein Charakter, der ihn immer ein wenig am Rande stehen lässt (Wobei dieser durch seine Herkunft geprägt ist.) Irgendwann stellt sich heraus, dass sein Außenseiterdasein nichts Schlechtes ist und er gerade deswegen seinen eigenen Weg findet, den keiner - auch der Leser nicht - vorhergesehen hat.Man könnte noch viele Sachen schreiben, aber ich belasse es bei diesen Aspekten.Anmerkung: Ich lese die Bücher auf Englisch und kann nichts zu den Übersetzungen sagen.