Warmherziger Blick hinter Amtsfronten: Durgun zeigt, wie zufällig Nationalität ist
"Mama, bitte lern¿Deutsch" hat mich von der ersten Seite an gepackt. Tahsim¿Durgun nimmt uns mit an den Küchentisch seiner Kindheit, wo Behördenbriefe, Untertitel und Dolmetschrollen den Alltag bestimmten. Aus der Perspektive "auf der anderen Seite des Schreibtisches" schildert er mit trockenem Humor und viel Wärme, wie es ist, für die eigene Mutter die Stimme im deutschen Amtssystem zu sein. Dabei legt er schonungslos offen, dass Staatsangehörigkeit letztlich Zufall ist - Empathie dagegen eine bewusste Entscheidung.Besonders beeindruckt hat mich, wie Durgun die Balance zwischen leichten, fast satirischen Beobachtungen und tief berührenden Momenten hält. Seine Sprache ist klar, zugänglich und doch poetisch genug, um Bilder im Kopf entstehen zu lassen. Das Buch ist mit gut 200¿Seiten knapp, lässt aber keinen Aspekt aus: Identität, Verantwortung, gesellschaftliche Vorurteile - alles wird greifbar.Ein kleiner Kritikpunkt: Manche Anekdoten enden abrupt, als wolle der Autor schnell zum nächsten Kapitel springen. Trotzdem bleibt das Gesamtbild stimmig und regt zum Nachdenken an, ohne je belehrend zu wirken.Fazit: Ein wichtiger, menschlicher Blick auf Migration in Deutschland. Wer bereit ist, seine Komfortzone zu verlassen und Empathie als Haltung zu üben, sollte dieses Buch lesen - oder hören.