Nachdem von Will Dean "Totenstille" (2019) und "Totenwinter" (2020) bereits zwei Kriminalromane in Deutsch erschienen sind, ist nun mit "Die Kammer" erstmals ein deutschsprachiger Stand Alone Thriller von ihm erschienen. Im englischsprachigen Raum sind seine Thriller viel beachtet.Der Plot beginnt langatmig und hat mit einem Thriller wenig gemein. Der Inhalt gleicht eher einem Sachbuch. Hier kann das Buch nicht punkten.Die Geschichte wird von der Protagonistin Ellen Brooke erzählt. Sie ist die einzige Frau an Bord einer Dekompressionskammer, die insgesamt aus sechs Tauchern besteht. Alle außer dem jungen "Tea Bag" mit bisher nur zwei Tauchgängen sind erfahrene Tiefseetaucher. In den ersten Kapiteln erfahren wir mehr darüber, wie die Arbeit und das Leben als Berufstaucher in großer Tiefe ablaufen. Diese melden sich für diesen gefährlichen Job, weil er viel Geld einbringt.Die Figurenzeichnung bleibt mit Ausnahme der Protagonistin Ellen Brooke blass. Man kann sich ein gutes Bild über deren bisheriges Leben machen. Sie sehnt sich nach ihrem Mann und ihren beiden Kindern, bevor man plötzlich erfährt, dass alle drei bei einem Unfall ums Leben gekommen sind. Die innere Zerrissenheit wird deutlich, um mit der Situation umzugehen. Brooke wird mit der Zeit immer paranoider.Bei einem ersten Tauchgang von Ellen und André zur Überprüfung einer Ölpipeline irgendwo in der Nordsee kommt es fast zu einem Unglück, weil sich der Versorgungsschlauch von Ellen verhakt und ein Ventil in der Glocke defekt ist. Weitere Tauchgänge finden aufgrund des plötzlichen Ablebens des jungen Tea Bag gefolgt von weiteren mysteriösen Todesfällen nicht statt.Die Stimmung in der nur wenige Quadratmeter großen Dekompressionskammer an Bord der DSV Deep Topaz ändert sich von gereizt bis ängstlich. Die Crew soll eine Fernautopsie bei Tea Bag durchführen und dem Leichnam Körperproben zur Bestimmung der Todesursache entnehmen. Das stellt eine enorme psychische Belastung für die Taucher dar und wird auch gut vom Autor beschrieben. Die schottische Polizei befragt die Crew-Mitglieder über Funk einzeln und getrennt voneinander, was zusätzlich für Unsicherheit sorgt.Nach dem mysteriösen Todesfall des zweiten Tauchers zieht die Spannung an. Es entwickelt sich ein echter Locked Room-Thriller. Die verbleibenden Taucher werden spürbar nervöser, auf engstem Raum vergleichbar mit einem Kleinbus unter klaustrophobischen Verhältnissen und zwei Leichen in der Nähe. Zunächst der Sturm, das defekte Ventil, zwei erfolglose Wiederbelebungsversuche, die Befragung durch die Polizei und dann Tea-Bags Überführung in das Rettungsboot tun ihr Übriges.Die Stimmung unter den verbleibenden Tauchern schlägt um. Was könnte zum Tod der Taucher geführt haben und woher kommt die Gefahr? Mord, Totschlag oder grobe Fahrlässigkeit? Müdigkeit gepaart mit Angst macht sich breit. Keiner möchte mehr was essen oder trinken, und es dauert noch Tage, bis die Dekomprimierung abgeschlossen ist und man diesen metallischen Sarg verlassen kann. Ein plötzliches Öffnen der Luke würde ohne Druckausgleich zu Gasblasen im Körperinneren führen. Das hat der Autor realitätsnah beschrieben.Gegenseitige Verdächtigungen häufen sich, keiner traut mehr dem Anderen. Die Gefahr um Leib und Leben wächst, die psychische Anspannung auf engstem Raum ohne Ausweichmöglichkeiten nimmt zu. Das Ende wirkt konstruiert und hinterlässt beim Leser Staunen und Unverständnis.In einem Glossar am Ende des Buches werden allgemein verwendete Begriffe des Sättigungstauchens erläutert. Diese Seiten zum Nachschlagen tragen dazu bei, die Materie besser zu verstehen.Tauchunfälle und Tauchanekdoten vergangener Einsätze werden eingestreut. Die waren fast über die ganze Welt verteilt, und man erfährt dabei über Unglücke und Todesfälle aus dieser Zeit. Das bremst immer wieder die Spannung aus.FazitDas Buch hat sowohl Stärken als auch Schwächen. Die Gefahren beim Tiefseetauchen und viele technische Begriffe speziell beim Sättigungstauchen werden vom Autor authentisch und leicht verständlich beschrieben. Das Setting ist düster, aber stimmig. Fehlendes Pacing ist ein Schwachpunkt in diesem Thriller.Es gibt Unregelmäßigkeiten in den Beschreibungen, die evtl. auf eine mangelhafte Übersetzung zurückzuführen sind. Im Todesfall von Tea-Bag untersucht die Grampian Police den Fall. Diese territoriale Polizei der nordöstlichen Region Schottlands wurde bereits 2013 durch die Police Scotland abgelöst. Bei einem "Procurator Fiscal" handelt es sich nicht um einen Rechtsmediziner, wie irrtümlich beschrieben wird, sondern um einen schottischen Staatsanwalt.Auch wenn der bekannte Tiefseetaucher Hans-Jürgen Strickling (49) dieses Buch als wirklichen Pageturner bezeichnet, so kann ich dem nicht ganz folgen.