Die Geschichte entfaltet sich ruhig und unaufgeregt - passend zum verschmitzten, freundlichen Gesicht des Autors auf dem Schutzumschlag. Wir begleiten Samson, der bei einem Überfall seinen Vater verliert und selbst nur durch Glück überlebt, jedoch eine Ohrmuschel einbüßt. Kiew, 1919: Die Revolution wirbelt alles durcheinander, die Machtverhältnisse wechseln ständig, und Samson gerät durch Zufall zur Polizei - nicht wegen seiner Erfahrung, sondern weil er präzise und klar schreiben kann.Sein erster Fall entwickelt sich fast beiläufig aus Beobachtungen in seiner eigenen Umgebung, doch schon bald zieht die Geschichte immer größere Kreise. Es ist spannend und zugleich leise erzählt, wie Samson versucht, die Geheimnisse zu entwirren, und dabei auf unerwartete Weise Hilfe bekommt - eine charmante Ideen, mit der Kurkow überrascht.Auch die Liebesgeschichte mit Nadjeschda beginnt intensiv, verliert jedoch an Raum, je mehr Samson in seine Fälle hineingezogen wird. Das macht die Erzählung umso authentischer: Das Leben in dieser Zeit lässt kaum Platz für Privatheit.Besonders gelungen ist die atmosphärische Dichte: Kurkow zeichnet ein lebendiges Bild von Kiew zur Zeit der Revolution - Straßen, Gerüche, Geräusche, Unsicherheiten. Man taucht tief ein in diese Epoche, die zwischen Chaos und Neubeginn schwankt.Ein Lob verdient auch die Gestaltung des Buches: Der Einband passt wunderbar zur Stimmung der Geschichte, die kurzen Kapitel werden von kleinen Zeichnungen begleitet, und der Vorsatz zeigt eine stilisierte Karte Kiews mit den markierten Schauplätzen.Mich hat dieses Buch wie ein warmes Tuch umhüllt. Eine stille, bildhafte und kluge Erzählung, die mir gut gefällt.