Jung, undynamisch, erfolglosEs gibt Neunzehnjährige, die an der Schwelle zum "echten" Leben stehen und tatsächlich keinen blassen Schimmer haben, was sie nun mit sich und ihrer Zukunft anfangen sollen. Statt sich auf der Abifeier des eigenen Jahrgangs zu amüsieren und sich ins Studentenleben zu stürzten, hängen sie bis zum Anschlag mit Drogen vollgepumpt in Diskos herum, suhlen sich in ihrer allgegenwärtigen Gleichgültigkeit und sind zu guter Letzt nur ein kleines bißchen darüber erstaunt, daß sie von ihrem ersten Mal im Vollrausch nicht allzuviel mitbekommen haben. Die Protagonisten in Karen Duves Erzählband sind spätpubertierende Mädchen und perspektivlose junge Frauen, die die große Sorge ihrer Eltern sind und sich im wahrsten Sinne mit ihrem Alltag herumschlagen, damit jedoch ganz gut leben können. Egal, das Leben schleppt sie schon irgendwie weiter. "Irgendwie" könnte überhaupt das Motto dieser Geschichten sein. Belanglosigkeit allenthalben.Solche lethargischen Figuren im "echten" Leben ertragen zu müssen, ist wahrlich schon Qual genug, doch ihre Gleichgültigkeit aus nächster Nähe, nämlich in der ersten Person zu lesen, nein, das ist kein Spaß. Karen Duve arbeitet keine ironischen Brechungen in ihre Texte ein, die das Lesen zum Vergnügen machen könnten. So leblos die Protagonistinnen dem Zerrinnen ihrer besten Zeit zuschauen, so teilnahmslos ist auch der Blick der Autorin. Sie zeigt fast unkommentiert Nahaufnahmen der zerlumpten, blutleeren Gestalten, die wir täglich auf dem nächstliegenden Kleinstadtbahnhof betrachten können. Diesen Erzählungen zufolge verhalten sich eben jene jungen Menschen in den eigenen vier Wänden nicht wesentlich anders als auf der Straße: ohne jegliche Würde, weder für sich selbst, noch für andere. Der Band "Keine Ahnung" enthält weniger Geschichten als saftlose Portraits.Dabei wäre für Satire genügend Gelegenheit: So vergißt eine "Heldin" beispielsweise vor lauter Gleichgültigkeit über das, was sich außerhalb ihres Deliriums ereignet, sogar ihre Drogensucht selbst. Alles dreht sich nur noch um - tja, was eigentlich? Jedenfalls regt sich beim Leser nichts. Dabei hat Karen Duve in ihrem "Regenroman" mit viel Witz gezeigt, daß sie kaputte Figuren in ihrer skurrilen und schaurig-ekligen Art aufs Amüsanteste darstellen kann. Indessen werden hier die Figuren immer unglaubwürdiger. Denn wer mit Neunzehn von zu Hause abhaut, ohne eigentlich zu wissen warum, wer in diesem Alter nichts besseres zu tun hat, als das Elend seines Lebens mit peinlichen Kindheitserlebnissen aus der analen Phase zu erklären, und wer sogar den Menschen, der einen liebt, blutig zusammengeschlagen auf der Straße liegen läßt, der hat nicht nur seine eigene Sehnsucht an den Nagel gehängt, sondern auch seine Menschlichkeit aufgegeben. Und also enden die Geschichten wie sie anfangen: Alkoholleichen am Boden, keine Ahnung, wie und wozu man die letzten Wochen eigentlich überlebt hat, bestenfalls aufpassen, daß man nicht vergewaltigt wird. Keine Ahnung, ob in diesem Leben irgendwas passiert. Keine Ahnung, wie es dieser Band geschafft hat, bei Suhrkamp verlegt zu werden. Wenn sich nicht nur die Kreaturen selbst nicht für ihr eigenes Leben interessieren, sondern wenn ganz offensichtlich auch die Autorin keine besondere Mühe für diese recht autobiographisch anlautenden Skizzen aufbringt, warum sollten wir's dann? Wer sich aber trotzdem für Frau Duves Schreibe interessiert, und - nein, keine Ironie! - das sollte man, der möge über diese Schreibübung hinwegsehen und unbedingt gleich zum "Regenroman" greifen. Der ist Welten besser! Und ein ganz großes Lesevergnügen.Julia Ch. N. Brauch