Von manchen Büchern wird man aufgesogen, ist vom ersten Wort an mitten drin und steigt in die Geschichte ein. So sollte es sein.
Dann gibt es aber wiederum solche Bücher wie dieses. Der Einstieg ins Buch muss hart erkämpft werden. Das Buch hält ganz spezielle Charaktere bereit, die nicht sofort zu durchschauen sind und stellt sich auch selbst kompliziert an, den Leser an seinen Inhalt heran zu lassen, so empfand ich.
Mit einem Bein war ich bereits bei Soja Edith Krüger, der Protagonistin, im Roman, aber mit dem anderen Bein, wollte ich nicht in die Handlung einsteigen, Soja nicht kennen lernen.Hartnäckig bleiben, war hier die Devise.Nach knapp 30 Seiten war ich dann an Sojas Seite. Soja ist eine naive Frau und war früher ein naives Mädchen. Sie ist aus Ostberlin, aber hat es zeitig geschafft, in den Westen der Stadt zu flüchten. Auf der Straße begegnet sie zwei Männern. Ihr Blick bleibt bei einem der beiden hängen und der Blick von ihm, er stellt sich bald als Harry vor, bleibt an ihr hängen. Ein kurzer Smalltalk und beide verabreden sich zu einem Kakao. Das Treffen ist ein ganz spezielles und verläuft sehr merkwürdig. Aber Soja hat sich verliebt, scheint sich verliebt zu haben. Harry ist oft bei ihr und täglich erfährt sie mehr von dem ehemaligen Inhaftierten. Er hat eine magische Anziehungskraft auf sie, stößt sie aber genauso sehr auch ab. Ein Gefühlschaos, was sich täglich neu auszutoben scheint. Soja reißt sich für Harry sprichwörtlich Beine heraus. Sie kümmert sich um ihn, verleiht Geld, sucht Leute, die verantwortungsvoll sind, um Harry täglich mit beizustehen, denn er macht einen Drogenentzug und darf nie ohne Aufsicht den Tag und die Nacht verbringen. Soja tut alles für ihn, doch der Dank bleibt aus und sie stört es nicht, sie liebt Harry, wie er ist und bleibt an seiner Seite. Und dann erzählt Joe, der Leiter der Therapiestunden, etwas über Harry, was erschütternder nicht sein könnte. Soja fällt innerlich in sich zusammen, wie später die Mauer, die den Osten vom Westen trennte.¿Mit der Liebe ist es wie mit den Masern. Man bekommt sie nur einmal, und je später das passiert, desto schlimmer wird¿s.¿Ein bedrückendes Buch, von Seite zu Seite beklemmend. Was hätte ich gern geschrien ¿ ¿Soja, leb dein Leben, lass Harry in Ruhe, ihn kann man nicht mehr retten. Soja, rette dich, lebe dein Leben, mach es lebenswert, genieß es und mach was daraus!¿
Katja Lange-Müller fängt den Leser spätestens im ersten Drittel des Buches auf eine spezielle Art. Das Gefühl, als ob man eingeklemmt ist, umgibt den Leser. Soja hat viel zu erzählen über ihre Jugend, über die Beziehung zu Harry und vor allem über ihre Gefühle während dieser Zeit. Als Leser erlebt man ihr Leben noch einmal mit, wird mit allerhand Leid und Schmerz konfrontiert und von Seite zu Seite wird dieses dünne Buch immer dicker und schwerer. Die Emotionen im Buch muss man sich selbst herauslesen, es ist hart geschrieben, es ist stellenweise sehr kalt und dunkel. Man gibt sich Soja hin und weiß, genau wie Harry ist sie nicht zu retten und doch gibt es Hoffnungsschimmer am Horizont der beiden Leben.
Keine Sommerlektüre, aber ein Lebensbuch einer Liebe, die eine Liebe sein sollte, aber vielleicht doch keine war. Nicht nur in Berlin stand eine Mauer, auch zwischen Harry und Soja.