"1000 strahlende Sonnen" - eine Metapher, die meiner Meinung nach für strahlende Brillanz, Größe, Erhabenheit und Güte steht - kommt in Khaled Hosseinis namensgleichen Roman Lailas Vater in den Sinn, als die Familie nach langem Zaudern zusammenpackt, um aus Kabul zu fliehen. In den Zeilen eines persischen DIchters warten diese 1000 strahlenden Sonnen hinter Kabuls Mauern, aber niemand würde bei Mariam, der zweiten Hauptfigur des Romans an diesen Ausdruck denken. Sie lebt verhärmt, unterdrückt, enttäuscht und fast unsichtbar als Ehefrau des grobschlächtigen und brutalen Schusters Raschid in Lailas Wohnviertel in Kabul. Als 15jährige, uneheliche Tochter eines wohlhabenden Mannes aus Herat wurde sie nach dem Suizid ihrer Mutter verheiratet, um aus dem Augen der restlichen Familie zu sein. Zeit ihres Lebens bekommt sie außer den Koranversen eines Dorfgelehrten keine Bildung und ist nirgends willkommen.Bei einem Raketenangriff kommt Lailas Familie ums Leben und Raschid nimmt Laila nach 20 Jahren Ehe mit Mariam zur Zweitfrau.Zu Beginn dieser Ehe verhält sich Mariam feindselig, eifersüchtig und missgünstig, jedoch entwickelt sich mit der Zeit zwischen den zwei Frauen aus einer erzwungenen Schicksalsgemeinschaft eine zaghafte Freundschaft. Sie beschützen einander, die ältere Mariam entwickelt mütterliche Gefühle und Liebe zu Laila und ihren Kindern. Als sie zum Ende des Romans ein großes Opfer bringt, vergleicht Laila das Andenken an Mariam mit "1000 strahlenden Sonnen".Dieser poetische Teil des Buches hat mich berührt und auch zwischendurch getröstet, als ich daran dachte, das Buch aufzugeben: zu groß und für mich schwer zu ertragen sind die beschriebenen Grausamkeiten der unterschiedlichen Regimes, die allesamt der Bevolkerung Afghanistans insgesamt und besonders den Frauen übel mitspielen. Die Beschreibung der individuellen Grausamkeit Raschids, der durch die herrschenden Gesetze darin unterstützt wird, diese auszuleben, hat mir wirklich zugesetzt.In manchen Rezensionen wurde Hosseini der Vorwurf des Kitsches gemacht, dem kann ich in Bezug auf das hoffnungsvolle, "gute" Ende ein wenig zustimmen. Vielleicht aber hat das Ende des 2009 erschienenen Buches vor allem aus heutiger Perspektive so einen bitteren Beigeschmack: Nach dem Abzug der NATO und der USA 2012 aus Afghanistan verschlechterte sich die Situation der Frauen noch mehr.