"Lockruf der Fremde" ist die Fortsetzung von "Der Duft des Regenwaldes". Obgleich im selben Verlag erschienen, wurde der erste Band um die Abenteuer der Künstlerin Alice Wegener unter Pseudonym veröffentlicht. Die Autorin von beiden Bänden ist die in München lebende Historikerin Tereza Vanek, und man darf sich wundern, weshalb vom Verlag diese merkwürdige Pseudonym-und-dann-doch-real-name-Konstellation gewählt wurde.In "Lockruf der Fremde" bricht Alice Wegener als junge Frau 1903 nach Mexiko auf, um nach ihrem Bruder zu suchen. In "Lockruf der Fremde" ist sie eine Frau um die 45-50, hat drei erwachsene Kinder und auch Enkelkinder. Sie ist mit Andres verheiratet, der von den Ur-Einwohnern abstammt, jetzt aber einen hochdotierten Posten bei der mexikanischen Regierung hat. Für die Leserin ziemlich unerklärlich (und das übrigens bis zuletzt!): Alice kehrt 1931 mit ihrem Sohn Paul und ihrer Tochter Leonora, zurück nach Deutschland. Sie ist inzwischen eine angesehene Künstlerin und will dort ihre Bilder ausstellen und verkaufen. Ob man dazu allerdings über ein Jahr braucht? Hmm. Nun gut, Alice Wegener war ja schon als junge Frau sehr eigenwillig. So viel darf verraten werden: das ist im Alter keinesfalls besser geworden. Manchmal waren mir ihre Arroganz und ihr Selbstbewusstsein schon wirklich zu viel. Ihre Tochter, Leonora, hatte dagegen kaum eines, was beim Ego dieser Mutter nicht wundert. In Deutschland passiert dann folgendes: Alice residiert in einer schönen Berliner Wohnung und sucht Kontakt zu Galeristen und potenziellen Käufern. Leonora langweilt sich, betätigt sich als Aushilfe in einem Krankenhaus und lernt dort den jüdischen Arzt Jakob kennen. Paul bandelt mit der schönen verarmten Adeligen Friederike an, deren Bruder ein ganz überzeugter Nazi ist. Da liegt auch gleich der Hund begraben, denn Theodor, der Bösewicht, stemmt sich natürlich gegen die Heirat von Friederike mit diesem Halb-Ureinwohner. Mit halb gebrochenem Herzen schließt sich Paul einem Archäologen an und reist nach Südamerika, um eine geheime Ruinenstadt zu finden. Als Friederike, die nicht mit ihm abschließen kann und will, davon erfährt, haut sie quasi von zu Hause ab, um ihren Traummann zu suchen. Und auch Alice Wegener bricht ihre Zelte in Deutschland ab, denn das gesellschaftliche Klima wird immer mehr von den Nazis dominiert.Die clevere und Historienroman erfahrene Leserin ahnt es jetzt schon: es gibt ein fulminantes Finale im Regenwald inklusive eines wilden Inka-Stammes, einer Gefangennahme und mit Andres, Alices Mann. Mehr darf ich natürlich nicht verraten.Tereza Vanek hat wieder starke Frauenfiguren geschaffen, die eigene Wege gehen und deren einziges Ziel es nicht ist, vom Märchenprinzen gerettet zu werden. Das macht ihre Romane so sympathisch. Sie versteht sich zudem darauf, uns immer wieder in fremde Welten und alte Kulturen zu entführen und die Vergangenheit lebendig werden zu lassen. Danke, Tereza Vanek, für dieses Buch und alle anderen!