Die Sterne leuchten nur für uns

Der Buchtitel "Die Sterne leuchten nur für uns" klingt nach einem romantischen Roman. Doch tatsächlich verbirgt sich dahinter eine Familiengeschichte voller Höhen und Tiefen. Anna ist alleinerziehende Mutter. Sie jobbt als Kellnerin, aber das Geld reicht vorn und hinten nicht. Der einzige Mann, der sie besucht, ist der Gerichtsvollzieher. Dann verliert Anna auch noch ihren Job. Statt mit der Abfindung ihre Schulden zu bezahlen, packt sie kurzerhand die Koffer und begibt sich mit ihren Töchtern Chloé und Lily auf eine abenteuerliche Reise zu den Polarlichtern. Die beiden Mädchen sind zunächst alles andere als begeistert. Ihre gemeinsame Fahrt mit dem Camper droht zur Zerreißprobe zu werden. Doch mit jedem gefahrenen Kilometer kommen sie sich die drei wieder näher. Sie merken, dass sie ehrlich miteinander umgehen müssen, spüren aber auch, wie sehr sie sich lieben und miteinander verbunden sind. Virginie Grimaldi ist eine Bestsellerautorin aus Frankreich, von der ich bisher noch nichts gelesen habe. Mit ihrem locker-leichten, mitunter auch amüsanten Schreibstil, zieht sie mich schnell in den Bann ihrer Geschichte, die aus dem Leben gegriffen scheint. Ihre Charaktere sind mit Liebe zum Detail ausgearbeitet und kommen authentisch rüber. Annas und ihre Töchter erzählen abwechselnd aus ihrer Perspektive. Die zwölfjährige Lily ist autistisch veranlagt und gibt ihrem Tagebuch den Namen Marcel. Sie kommuniziert mit ihm, als sei er ein echter Freund. Ihre ältere Schwester Chloé ist hochbegabt und steht kurz vor dem Abitur. Sie ist nicht Fisch und nicht Fleisch, kein Kind mehr, aber auch noch nicht erwachsen. Ihre Mutter hat ihnen nie erzählt, warum sie sich vor acht Jahren von ihrem Vater getrennt hat. Als der wahre Grund während der Reise ans Tageslicht kommt, kann ich gut nachempfinden, was in Anna vorgegangen ist. Andererseits bewundere ich sie für ihren Mut, einfach aus dem Alltag auszubrechen und alle Sorgen für eine Weile auf Eis zu legen. Ich mag das Setting des Buches und die anschauliche Beschreibungen der örtlichen Gegebenheiten während der Reise. Zum Ende hin bringt die Autorin eine Wendung in die Story, die ich nicht gebraucht hätte. Diese erschien mir nicht ganz passend zur vorangegangenen Handlung. Fazit: Ein leiser und emotional berührender Roman voller Herzenswärme, der dazu anregt, auch einmal ein Wagnis einzugehen, um die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu erkennen. Lesenswert! 

Seit ihrer Scheidung leben Anna und ihre Töchter Chloé und Lily von deren knappem Gehalt als Kellnerin. Als ihr Chef sie entlässt und seine Geliebte einstellt, verlangt Anna eine ordentliche Abfindung, um ihre Schulden bezahlen zu können. Aber dann wird ihr bewusst, dass ihr die Mädchen immer mehr entgleiten. Also nimmt sie das Geld und den Camper ihres Vaters und fährt mit ihnen von Frankreich ans Nordkapp, damit sie als Familie wieder zusammenwachsen. Ich bin in meiner Blase geblieben, und die Risiken haben sich in Grenzen gehalten. Meine Töchter brauchten Luft, also habe ich die Blase aufgestochen. (S. 74) Virginie Grimaldi lässt die drei Protagonistinnen abwechselnd erzählen. So bekommt man einen guten Einblick in ihre Gedanken, Gefühle und verschiedenen Blickwinkel. Anna hat immer versucht, ihren Töchtern zumindest kleine Wünsche zu, deswegen ist sie neben dem Kellnern noch Putzen gegangen. Außerdem verheimlicht sie ihnen ihre Panikattacken, um sie nicht zu verunsichern. Vor 8 Jahren hat sie sich von ihrem Mann getrennt, ohne ihren Töchtern den Grund dafür zu nennen. Das kann ihr vor allem Chloé nicht verzeihen. Die ist hochbegabt und hochsensibel, wird ihr Abi mit in Kürze mit Auszeichnung bestehen. Aber sie braucht ständig die Bestätigung anderer, vorzugsweise Jungs. Dafür lässt sie Dinge zu, die sie eigentlich nicht will, aber auch nicht in Frage stellt. Ich liebe mich nicht. Aber das ist nicht schlimm, solange die anderen mich lieben. (S. 79) Lily ist 12 und kommuniziert vorzugsweise mit ihrem Tagebuch, dass sie Marcel nennt und behandelt, als wäre es ihr Brieffreund. Sie ist altklug, witzig, empathisch. Sie bekommt viel mehr mit und versteht mehr, als alle denken. Und auch sie ist auf ihre Weise besonders. Ich weiß ja nicht, ab welchem Alter man seine Träume verliert, aber ich hoffe, so alt werde ich nie. (S. 226) Die Reise wird in mehrfacher Weise zu einem echten Abenteuer. Sie lernen fremde Länder und Kulturen kennen, begegnen Elchen und Walen, erleben die Nordlichter und überqueren den Polarkreis, gehen Eisbaden und in die Sauna, überwinden Streitereien und Ängste, werden sich ihrer Wünsche und Träume wieder bewusst und zu einer richtigen Familie, die über alles reden und miteinander schweigen kann, denn sie verstehen sich endlich wieder und nehmen Rücksicht auf die Bedürfnisse der anderen. Ein leises Buch über Familie und Pubertät, Loslassen und Festhalten, das einige Überraschungen, Gänsehautmomente und Weisheiten bereithält. Ich will nie wie die anderen werden. Es ist doch blöd, die anderen zu sein, wenn man man selbst sein kann. (S. 352)