Großartig. Das Witzigste, was ich von Thomas Mann gelesen habe.
Thomas MannsFelix Krullglänzt - wie viele seiner Werke - durch eine hochartifizielle, gewählte Ausdrucksweise. Doch was diesen Roman im Vergleich zu seinen anderen Arbeiten besonders auszeichnet, ist der durchgehend ironische Tonfall. Der feine, mitunter sarkastische Humor ließ mich beim Lesen oft schmunzeln - manchmal sogar laut auflachen.Der Protagonist und Ich-ErzählerFelix Krullberichtet in einer kunstvoll geschönten, selbstverliebten Sprache über seine "Entwicklung". Doch diese ist keine klassische Bildungsreise hin zu moralischer Reife oder geistiger Erleuchtung - vielmehr erleben wir die raffinierte Perfektionierung der Täuschung und des Spiels. Felix stilisiert sich dabei auf geradezu absurde Weise zum Genie in allen Lebenslagen - mit einer Selbstsicherheit, die so überzogen ist, dass sie komisch wirkt.Krull ist ein wahrer Meister der Selbstdarstellung. Er spricht mit charmantem Pathos und nutzt Sprache als Werkzeug der Verführung - elegant, wortgewandt, oft theatralisch. Sein Aufstieg gelingt nicht durch Fleiß oder Tugend, sondern durch Charme, Lüge und ein tiefes Verständnis für die Schwächen seiner Mitmenschen.Gerade diese Konstellation erzeugt den eigentümlichen Humor des Romans: Der Leser erkennt die Absurdität und Eitelkeit des Erzählers besser als dieser selbst. Diese dramatische Ironie schafft Distanz - aber auch ein leises, durchdachtes Vergnügen.Der Ton ist über weite Strecken leicht misanthropisch - nie laut, nie verletzend, sondern stets mit Eleganz und feinem Gespür für sprachliche Nuancen. Es ist ein entlarvender Humor, gespeist aus Intelligenz, Formgefühl und ironischer Weltbetrachtung. Besonders reizvoll ist dabei der Sprachwitz, der aus der Gegenüberstellung pseudo-tiefsinniger Reflexionen mit banalen oder lächerlichen Inhalten entsteht.Der Humor inFelix Krullist gebildet, ironisch, subversiv und mit einem Hauch sarkastischer Eleganz durchzogen. Thomas Mann nutzt ihn nicht, um bloßzustellen oder zu verspotten, sondern um das Genre des Bildungsromans, die bürgerliche Gesellschaft und die menschliche Identitätskonstruktion auf kluge Weise zu hinterfragen. Das Leben erscheint bei ihm als Bühne - und Felix ist kein Held und kein Schurke, sondern ein Spieler, der die Masken des Daseins mit Lust wechselt.Ich bin überzeugt, dass man die lange Entstehungsgeschichte des Romans (1910-1954) im Text spürt - sowohl stilistisch als auch thematisch. Der Reifeprozess des Autors spiegelt sich in der Vielschichtigkeit der Sprache und im ambivalenten Porträt des Protagonisten wider.Ich habe diesen Roman sehr genossen und bedaure, dass Thomas Mann die "Bekenntnisse" nicht fortgeführt hat. Gerne hätte ich Felix Krulls weitere Reise begleitet.