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Wolfszeit

Ein Jahrzehnt in Bildern. 1945 - 1955

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Der Neubeginn, neu gesehen: ein Panorama der Nachkriegszeit, von der Stunde Null bis zum Wirtschaftswunder

Schönheit und Schrecken in Schutt und Staub: Das Jahrzehnt vom Kriegsende bis zum Wirtschaftswunder bietet Bilder, die man so noch nie gesehen hatte. Kein Wunder, dass Kameras auf dem Schwarzmarkt so hoch gehandelt wurden. Bei seiner Recherche zu dem Buch «Wolfszeit. Deutschland und die Deutschen 1945 -1955», das mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde, stieß Harald Jähner in den Archiven auf einen wahren Schatz von Fotografien. In ihrer visuellen Kraft bilden sie ein Panorama der Zeit, in der Entsetzen und Lebensfreude eng beieinanderliegen: die Trümmerfrau als Ikone des Wiederaufbaus, Bürger beim Plündern und Städter beim Ackerbau, Tanz in Trümmern, Karneval in Ruinen. Und man sieht regelrecht, wie sich Ost und West auseinanderleben. In dem hier vorliegenden Band versammelt Jähner erstmals viele dieser Bilder und gibt ihnen ihre Geschichten zurück, erzählt sie neu. Die Mentalität und der Alltag der Zeit werden dabei auf besondere Weise erfahrbar:
In diesen Jahren wurden die Deutschen, was sie heute sind.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
15. September 2020
Sprache
deutsch
Auflage
1. Auflage
Seitenanzahl
264
Autor/Autorin
Harald Jähner
Illustrationen
Zahlr. s/w Abbildungen
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Abbildungen
Zahlr. s/w Abbildungen
Gewicht
888 g
Größe (L/B/H)
247/180/28 mm
ISBN
9783737101011

Portrait

Harald Jähner

Harald Jähner, geboren 1953 in Duisburg, war bis 2015 Feuilletonchef der «Berliner Zeitung», zugleich Honorarprofessor für Kulturjournalismus an der Universität der Künste Berlin. 2019 erschien das Buch «Wolfszeit. Deutschland und die Deutschen 1945-1955», das mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde; es wurde in zahlreichen Ländern veröffentlicht, darunter USA und England, wo es für den renommierten Baillie-Gifford-Preis nominiert war. 2022 erschien «Höhenrausch. Das kurze Leben zwischen den Kriegen», ebenfalls ein «Spiegel»-Bestseller und in viele Sprachen übersetzt. Die «Neue Zürcher Zeitung» schrieb: «Ein grandioser Erzähler. Das Buch liest sich spannend wie ein guter Roman.»


Pressestimmen

Wer wissen möchte, wie sich der Neubeginn vielleicht angefühlt haben mag, der sollte unbedingt «Wolfszeit» lesen und anschauen . . . Sehenswert und bewegend zugleich. Harald Jähner, Märkische Oderzeitung

Eindrucksvoll. Harry Nutt, Frankfurter Rundschau

Harald Jähner gewährt mit diesem reichen Fotoband Einblicke in den deutschen Alltag im Jahrzehnt unmittelbar nach dem Krieg. Er präsentiert eine Trümmerfotografie, die nicht den Opferstatus umkehren will, sondern Erstaunen weckt. NZZ Geschichte

Ein Buch zum Schauen und Lesen. Dresdner Morgenpost

Besprechung vom 11.10.2025

Ich bin kein Bewohner des Elfenbeinturms

Ein glänzender Erzähler macht sich selbst das Leben schwer: Harald Jähner widmet sich der Wirtschaftswunderzeit von 1955 bis 1967 und schwankt zwischen der Rolle des Historikers und jener des Polemikers.

Von Matthias Alexander

Von Matthias Alexander

Im Jahr 2019 tauchte ein nicht mehr junger Neuling in der Riege der erzählenden Sachbuchautoren auf und nahm sogleich mit einer seltenen Kombination von Begabungen für sich ein: Harald Jähner erwies sich nicht nur als guter Erzähler, sondern zugleich als scharfsinniger und lebenskluger Zeitgeistanalytiker. Und wie begabt war er darin, große und bunte Mengen von historischen Stoffen passgenau zuzuschneiden. Pathos ist dem früheren Feuilletonchef der "Berliner Zeitung" wohltuend fremd, und er nimmt sich auch keine literarischen Freiheiten, um Lücken zu füllen, wo die Quellen schweigen. Sein Ethos ist das des Historikers.

"Wolfszeit" wurde denn auch zum Bestseller; darin schilderte Jähner die zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und zeigte, wie gegen einige Wahrscheinlichkeit aus den Wirren der Nachkriegszeit eine funktionierende Demokratie entstehen konnte. Sogar noch besser gelang ihm drei Jahre später das Porträt der Weimarer Republik ("Höhenrausch"). Selten ist eine Epoche in ihren gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Ausprägungen so plastisch, facettenreich und zugleich mit dem Blick für die inneren Zusammenhänge geschildert worden.

In seinem dritten Streich hat sich Jähner nun die dreizehn Jahre von 1955 bis 1967 vorgenommen. Die keineswegs selbsterklärenden Rahmendaten sollen auf den Primat hindeuten, den der Autor in seiner Betrachtung dem Ökonomischen einräumt: 1955 war das wachstumsstärkste Jahr in der deutschen Geschichte, 1967 kam es zum ersten größeren Konjunktureinbruch im Wirtschaftswunderland. Weil das Bruttoinlandsprodukt aber eine abstrakte Sache ist, setzt das Buch mit der Rückkehr der letzten deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion ein. Jähner-Leser werden den Sound sogleich wiedererkennen: Eindrücklich schildert der Autor, wie die ausgemergelten einstigen Landser am Grenzübergang Herleshausen ankamen und wie fremd sie sich in einer Gesellschaft gefühlt haben müssen, in der der rasante ökomonische Aufschwung längst seine aufputschende und zugleich narkotisierende Wirkung tat.

Das wird überzeugend am Einzelfall und in den großen Linien beschrieben, auch wenn Jähners Wirtschaftswissen hier und da angelesen wirkt: Wie ein Land die Freude am Konsum entdeckte und damit gewaltige Veränderungen im Wirtschaftsleben in Gang gesetzt wurden. Supermärkte und Versandhäuser - wie das des reuelosen Arisierungsprofiteurs Josef Neckermann - machten einstige Luxusgüter zur Massenware. Die Schattenseiten dieser ökonomischen Demokratisierung vergisst Jähner nicht zu erwähnen: Hunderttausende Einzelhändler gingen pleite, die private Verschuldung stieg, der Alkoholkonsum der arbeitsamen Wohlstandsjäger war hoch. Und im Ruhrgebiet, wo die Schwerindustrie die Grundlagen für den wundersam anmutenden Aufschwung schuf, war die Luft so schlecht, dass Kinder weniger wogen und kleiner blieben als Vergleichsgruppen in anderen Landesteilen.

Jähner mischt an dieser Stelle moralisierende Sätze in die historische Erzählung, indem er heutige Umweltschutzmaximen zum Maßstab seiner Bewertung macht. Das hat vermutlich auch mit der Herkunft des Autors aus Duisburg zu tun, wo er 1957 geboren wurde. Erstmals schreibt er über eine Zeit, die er persönlich erlebt hat. Nicht dass er das für eitle Selbstbespiegelung nutzte; persönliche Erinnerungen lässt er nur ganz vereinzelt einfließen - etwa jene an die eigenwilligen Kombinationen aus Fertigspeisen, die seine berufstätige Mutter ihren Kindern vorsetzte, oder an das nächtliche Hören von Piratensendern. Aber man wird das Gefühl nicht los, dass Interessen und Überzeugungen des Autors seine thematische Schwerpunktsetzung stark beeinflusst haben, etwa wenn er dem Aufenthalt der Beatles in Hamburg und jenem von Elvis in Bad Nauheim längere Ausführungen widmet.

Das tut dem Buch nicht gut, auch weil Jähner über das Reiten seiner Steckenpferde wichtige Entwicklungen aus den Augen verliert. Praktisch kein Wort widmet er dem Sport, auch nicht dem Fußball, obwohl in die porträtierte Epoche die Gründung der Bundesliga fällt, und der Aufstieg so prägender Figuren wie Seeler und Beckenbauer. Schwerer wiegt das Schweigen von der großen Politik der Parlamente und Kabinette, die er in "Höhenrausch" (allerdings nicht in "Wolfszeit") noch in wohlerwogener Dosierung in das Gesamtbild der Epoche eingebunden hatte.

Auch an anderer Stelle sind Unwuchten zu beklagen. Günter Grass tritt nur als Wahlkämpfer für die SPD auf, nicht aber in seiner Eigenschaft als Schriftsteller, der in den Sechzigerjahren seinen Durchbruch erlebte. Sieht man vom ausführlich gewürdigten Massenproduzenten Heinz G. Konsalik ab, ist wenig von Literatur die Rede, die doch zur Leitkunstgattung im Ringen der Deutschen mit ihrer Vergangenheit wurde. Bei Ulrich Herbert, dessen großartige "Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert" man zur Abrundung des Epochenbildes nicht nur in dessen politischer Dimension ohnehin zur Hand haben sollte, ist nachzulesen, welche Breitenwirkung die Gruppe 47 erzielte, und auch dass die Schriftsteller eine Pionierrolle im Einstellungswandel der Bürger gegenüber der Bundesrepublik hin zur Bejahung der jungen Demokratie gespielt haben.

Jähner dagegen pflegt eine ausgewachsene Aversion gegen Exponenten der Hochkultur, und zwar sowohl gegen kulturpessimistische Konservative als auch gegen Exponenten der Avantgarde, denen er lagerübergreifende Herablassung gegenüber den einfachen Leuten und ihrer Freude am neuen Wohlstand vorhält. In seinen Ausführungen über das damals sehr beliebte Genre des Hörspiels mokiert sich Jähner über die immer experimentelleren Formen, zu denen sich die von üppigen Honoraren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Arroganz gemästeten Autoren gegenseitig anstachelten, bis sie das Publikum zur eigenen Befriedigung ganz aus dem Blick verloren hatten.

Sehr hart im Urteil ist Jähner auch in seinem Blick auf die Protagonisten des Jungen Deutschen Films. Das gesucht progressive Selbstverständnis und die routiniert-ignoranten Klagen der Protagonisten über die Übermacht der Traditionalisten spießt er genüsslich auf; er zeigt, wie die Alten den aufmüpfigen Nachwuchs gleichsam in den Arm nahmen, was der ihnen aber überhaupt nicht dankte. Das ist unterhaltsam und kenntnisreich aufgeschrieben, aber es schwingt ein populistischer Anti-Intellektuellen-Duktus mit.

Dazu passt, dass Jähner kein gutes Haar an den aufkommenden 68ern lässt, sondern sich über ihr verquastes Theoriekauderwelsch lustig macht und darauf hinweist, dass es sich um einen zahlenmäßig unbedeutende Gruppe gehandelt habe. Nicht dass Jähner hier keinen Punkt hätte, schließlich haben viele der gesellschaftlichen Veränderungen, die angestoßen zu haben sich die 68er in ihrer Selbstüberschätzung gern zugute halten, lange vorher eingesetzt. Aber etwas mehr Souveränität, das Überschießende, das in jeder Revolte zutage tritt, als sprechendes Übergangsphänomen zu betrachten, hätte ihm gut angestanden. Er gibt stattdessen einem Ressentiment nach, das schon in "Wolfszeit" aufschien, dessen Ursprung aber hier wie dort nicht ersichtlich wird.

Am besten ist Jähner immer dann, wenn er die großen gesellschaftspolitischen Entwicklungen in den Blick nimmt. Am Beispiel von Familien- und Sexualleben führt er vor Augen, wie nach der auch sexuell ausschweifenden unmittelbaren Nachkriegszeit wieder restriktivere Moral- und Lebensvorstellungen galten, vor allem zulasten der Frauen. Aber eben auch, wie sich die Sitten langsam wieder zu lockern begannen (die Stigmatisierung der Homosexuellen ausgenommen). In der Kindererziehung galten gleichzeitig denkbar unterschiedliche Leitideen, je nach Milieu oder individueller Prägung: Ratgeber, die schon im Nationalsozialismus gelesen worden waren, fanden genauso wie liberale Erziehungsleitfäden reißenden Absatz.

Mit der Zeit wuchs auch die Bereitschaft, sich der Vergangenheit zu stellen. In bewundernswert anschaulicher Dichte stellt Jähner dar, wie einschneidend sich die Berichterstattung über den Eichmann-Prozess in Jerusalem und den sich anschließenden ersten Auschwitzprozess in Frankfurt auf den Umgang der Öffentlichkeit mit dem Erbe des Nationalsozialismus auswirkte. Enttäuschend ist dagegen die Entscheidung des Autors, sich im Wesentlichen auf die Geschichte der Bundesrepublik zu beschränken. Auf die DDR wirft er nur Seitenblicke, etwa wenn es um die Situation an der innerdeutschen Grenze geht. Das ist umso bedauerlicher, als Jähner auf den wenigen einschlägigen Seiten andeutet, zu welch kenntnisreichem Blick auf die zweite deutsche Diktatur er in der Lage wäre; so analysiert er das komplizierte ideologische Wechselspiel zwischen den beiden deutschen Staaten kurz, aber klug, etwa mit Blick auf die in Teilen erfolgreichen Bemühungen der SED-Führung, in Abgrenzung zum Westen eine DDR-Identität zu befördern.

Harald Jähner ist zum ersten Mal unter seinen Möglichkeiten geblieben. Womöglich sind fette und ein wenig langweilige Jahre für seine Art der Geschichtserzählung besonders wenig geeignet. Schaut man nach vorn, dann sind es zwei Epochen der deutschen Geschichte, die man gern noch von einem Jähner in Hochform erzählt und interpretiert sähe: der Nationalsozialismus und das lange sozialdemokratische Jahrzehnt 1968 bis 1982.

Harald Jähner: "Wunderland". Die Gründerzeit der Bundesrepublik

1955 -1967.

Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2025. 480 S., Abb., geb.,

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