Benoni ist Fischer, wie alle hier an der Küste. Aber außerdem bringt er die Post über die Berge und zurück, er macht diese Tour alle vierzehn Tage und bezieht für diese Arbeit einen kleinen, festen Lohn. Benoni ist ein fleißiger, flinker Bursche, ein Teufelskerl, der lernt, nachahmt und wenn er einen Ort verlässt, immer etwas Nützliches mitnimmt. Mit diesen Eigenschaften ist es nicht verwunderlich, dass der weithin bekannte und respektierte Kaufmann Mack auf ihn aufmerksam wird und ihn unter seine Fittiche nimmt. Doch Benoni schleppt einen schweren Kummer in seinem Herzen mit sich rum. Er ist aussichtslos in Rosa verliebt, die aber ihrerseits einen Juristen zur ihrem Liebsten außerkoren hat, der nach 14 Jahre Studium im Süden des Landes wieder zurück in den Norden kommt. Meine persönlichen Leseeindrücke Es war Roger Willemsen, der seine Begeisterung für den norwegischen Nobelpreisträger Knut Hamsun auf mich übertragen konnte. Ich mag Hamsun unwahrscheinlich gerne lesen und Benoni ist, nach Hunger und Victoria, mein 3. Buch. Eine gewisse Ähnlichkeit zu Victoria ist nicht zu leugnen. In beiden Romanen geht es um eine unglückliche Liebe, die vor allem für die Frauen, die sich jeweils für den falschen entschieden haben, schlecht ausging. Und so ist es auch hier. Rosa bevorzugt ihren verschollenen Verlobten, den Juristen Nikolai, von dem sie sich eigentlich aufgrund dessen unsteten Charakters und weil er doch gar nicht zu ihr passen wollte, getrennt hatte, und weil Benoni, der einst einfache Fischer und Postbeamte, ihr wohl zu wenig ist. Da hilft auch Kaufmann Macks Fürsprechen nicht.Doch lieber zurück zu Benoni, der Romanhauptfigur, der sich vom einfachen Fischer aber in der Rolle als Postbote eine Obrigkeit mit Schloss und Löwe auf seiner Posttasche, zu einer angesehenen und respektieren Person mausert, und nicht mehr mit dem Vornamen, sondern mit dem Nachnamen Hartvigsen angesprochen wird. Seine Stellung steigt sogar noch, als die Leute anfangen, ihn um Rat zu fragen oder ihn um die Lösung eines Problems zu bitten. Damit steht er seinem Lehrherren und Geschäftspartner Kaufmann Mack in nichts nach.Ai, was hatte das Geld Benoni zum Menschen machen können!Nun, Benoni schafft, was wenigen gelingt. Aus erster Hand sozusagen erfährt er den dramatischen Gegensatz zwischen Geld und Arbeit, zwischen Natur und Stadt, zwischen der Gelassenheit eines armen, aber in eine harmonische Gemeinschaft eingebetteten Lebens und der Qual eines reichen, von individualistischem Egoismus geprägten Daseins. Knut Hamsun hat Benoni 1908 geschrieben, dem mit Rosa ein zweiter und letzter Teil folgt. In der neuen Übersetzung von Gabriele Haefs hat der Alfred Körner Verlag den Klassiker der norwegischen Literatur 2023 neu aufgelegt. Knut Hamsun versteht es wahrlich meisterhaft das schwierige Dasein der norwegischen Bevölkerung im Norden des Landes in leichte Worte zu fassen. Dabei spart er nicht mit schelmischen Szenenbildern, die besonders die Männer- und Frauenrolle darstellen und gesellschaftliche Aspekte einbinden. Man riskiert beim Lesen und Schmunzeln einige nachdenkliche Szenen zu übersehen, wie z. B. die Rollen der Mägde im Hause des Kaufmanns Mack, dem sie das Bad vorbereiten und seinen Rücken schrubben! oder auch das Schicksal des kleinen Mädchens Mathilde, das als Haushaltshilfe zu Rosa kommt. Knut Hamsun hat die Gabe, den Lesenden die Schicksalen seiner Romanfiguren nahezubringen; sie lassen keinen unberührt. Unter der Vielzahl der Akteure im Roman findet sich für jeden eine Lieblingsfigur, auch wenn ich mokieren muss, dass meist der weibliche Part schlecht wegkommt. FazitDer Roman "Benoni" von Knut Hamsun in der neuen Übersetzung von Gabriele Haefs 2023 im Alfred Kröner Verlag erschienen, erzählt von dem einfachen Fischer und Postboten Benoni, der es mit Glück und Verstand zu Wohlstand und Ansehen bringt. Trotz allem bleibt seine Liebe zu Rosa aussichtslos.