Als Alex Easton einen kryptischen Brief von ihrer Jugendfreundin Madeline Usher erhält, in dem diese von ihrer Krankheit erzählt, macht sie sich sofort auf den Weg, um ihr beizustehen. Doch was sie im Familiensitz der Ushers findet, übersteigt ihr Verständnis und lässt selbst einer hartgesottenen Soldatin wie ihr die Haare zu Berge stehen. Seltsame Pilze wachsen aus allen Ritzen, die Tiere auf den Feldern spielen verrückt und die Bewohner des Hauses scheinen nicht mehr sie selbst zu sein... Dass T. Kingfisher Horror meisterhaft beherrscht, hat sie bereits mit "The Hollow Places" bewiesen, einem Buch, das man definitiv nicht nachts allein lesen sollte. So gruselig wird es aber in diesem Roman nicht. Das muss auch gar nicht sein. Wie die Autorin auch ausführlich in ihrem Nachwort erklärt, ist diese kleine, aber feine Geschichte eine Neuinterpretation des Klassikers "Der Untergang des Hauses Usher" mit einigen Neuerungen, besonders der absolut liebenswürdigen Protagonistin. Alex Easton ist ganz bestimmt keine feine Lady, viel eher eine Soldatin mit einer besonders trockenen Variante von sarkastischem Humor. Ich schreibe an der Stelle Soldatin, auch wenn sie in der Geschichte selbst anders bezeichnet wird, doch die sprachlichen Besonderheiten ihres fiktiven Landes genauer zu erklären, würde den Rahmen sprengen. Unsere Protagonistin ist jedenfalls keine, die man so leicht aus dem Gleichgewicht bringt, eine, die nur an das glaubt, was sie sehen kann und die den einen oder anderen Becher schlecht gebrannten Alkohol verträgt. Auf ihre nüchterne Weise geht sie auf die Seltsamkeiten des Hauses Usher ein und bewahrt viel länger einen kühlen Kopf, als die meisten das geschafft hätten. Zwar ist dem Leser schon früher klar, was in zwischen den düsteren Wänden des alten Gemäuers vor sich geht, das beeinträchtigt die Spannung des Buches jedoch überhaupt nicht. Im Gegenteil: Trotz der Kürze der Geschichte (immerhin nur knapp 200 Seiten), erschafft die Autorin eine düstere, aber dennoch lebendige Atmosphäre, in der sie gekonnt das Makabere mit dem Mysteriösen verbindet und das rätselhafte Setting vor den Augen des Lesers lebendig werden lässt. Mit anderen Worten: In der Kürze liegt die Würze, das trifft für diese Geschichte auf jeden Fall zu. Das Buch vereint perfekt eine Mischung aus Spannung, Humor und Seltsamkeit mit einer gewissen Portion Ekel und Horror, die aber nicht extrem gruselig und nervenaufreibend ist, und lässt dem Leser die Charaktere schnell ans Herz wachsen. "Was die Toten bewegt" ist ein wunderbar seltsamer Snack von einer Geschichte, der sich sehr gut an einem einzigen Nachmittag lesen lässt, perfekt geeignet für die düstere Herbstzeit. Man beachte aber, dass man nach der Lektüre dieses Buches erstmal keinen Appetit mehr auf frisch gepflückte Pilze haben wird.