Die Zukunft von Mensch und Maschine
Im neuen Buch des renommierten Zukunftsforschers und Technologie-Visionärs Ray Kurzweil wird eine faszinierende Vision der kommenden Jahre und Jahrzehnte entworfen - eine Welt, die von KI durchdrungen sein wird. Kurzweil skizziert in diesem intensiven Leseerlebnis eine Zukunft, in der Mensch und Maschine untrennbar miteinander verbunden sind. Eine Zukunft, in der wir unser Bewusstsein auf eine höhere Ebene heben werden, in der wir uns aus virtuellen Neuronen neu erschaffen werden, in der wir länger leben, gesünder und freier sein werden als je zuvor.
»Eine faszinierende Erkundung unserer Zukunft, die tiefgreifende philosophische Fragen aufwirft. « Yuval Noah Harari
Dank KI eröffnen sich uns in sämtlichen Lebensbereichen ungeahnte Möglichkeiten für Fortschritt, und das in exponentiellem Tempo. Gleichzeitig sensibilisiert das Buch für potenzielle Gefahren, die mit einer unkontrollierten Entwicklung von KI einhergehen. Dabei wird deutlich: Wir haben es selbst in der Hand, in welche Richtung wir uns bewegen.
Ich kenne niemanden, der besser geeignet ist, die Zukunft von KI vorherzusagen als Ray Kurzweil. «
»Kommen Sie mit auf eine atemberaubende Reise in die Welt von Morgen und Übermorgen! « Bill Gates
Ray Kurzweil zählt zu den weltweit bekanntesten und meistgehörten Zukunftsforschern und Tech-Visionären. Er war Leiter der technischen Entwicklung bei Google und gilt als globale Autorität im Bereich Künstlicher Intelligenz und Zukunftstechnologien. Seine wegweisenden Arbeiten in der Sprach- und Mustererkennung haben den Grundstein für zahlreiche moderne Technologien gelegt. Er ist bekannt für seine Theorie der technologischen Singularität, die besagt, dass Fortschritte in KI und Technologie einen Punkt erreichen werden, ab dem Künstliche Intelligenz die menschliche Intelligenz übertreffen wird.
Besprechung vom 29.11.2024
Ein Sturm weht her vom Paradies der Cloud
Wegfallen wird der Erdenrest, auf dass das Rechnen währe: Ray Kurzweil sieht uns auf die Verschmelzung mit den Maschinen zustürmen.
KI ist die Technologie, die es uns ermöglichen wird, die drängenden Herausforderungen zu meistern, vor denen wir stehen - die Überwindung von Krankheiten, Armut, Umweltverschmutzung und all unseren menschlichen Schwächen . . ." So steht es auf der letzten Seite von Ray Kurzweils neuem Buch. Wundern wird diese Aussicht auf eine glänzende Zukunft niemanden, der die Prognosen des mittlerweile vierundsiebzigjährigen Autors - selbst Pionier auf Feldern früher digitaler Entwicklungen und seit mehr als einem Jahrzehnt "Director of Engineering" bei Google - verfolgt hat. Dass die "Singularität" nahe sei, also unsere Verschmelzung mit maschineller Intelligenz, die noch gar nicht absehbare Erweiterungen unserer kognitiven Fähigkeiten und unseres Bewusstseins hervorbringen und unseren biologischen Erbteil letztlich abstoßen wird - diese Prognose hat ihn schließlich berühmt gemacht.
Zumal die Aussicht auf eine solche "umwälzende Transformation der Menschheit" bei Kurzweil von Anfang an eine Naherwartung war. Kurz vor der Jahrtausendwende hatte er sich auf das Jahr 2045 festgelegt, in dem maschinelle Intelligenz unsere natürlichen Fähigkeiten auf ganzer Front hinter sich lassen werde, nachdem sie 2029 bereits die Hürde eines (verschärften) Turing-Tests genommen, sich also als ununterscheidbar von menschlichen Dialogpartnern erwiesen haben würde (wozu gehört, sich weder durch zu wenig noch durch zu viel Intelligenz zu verraten). Kurzweils Singularität lag also damals schon in der Lebenszeiterwartung vieler seiner Leser - und zudem mit etwas Glück seiner eigenen -, der Slogan "The singularity is near" war keine Übertreibung.
Nun ist sie noch deutlicher näher gerückt, nur zwanzig Jahre trennen uns von ihr, entsprechend abgewandelt ist der Slogan (und Titel der Originalausgabe des neuen Buchs): "The singularity is nearer". Denn Kurzweil sieht keinen Grund, vom Jahr 2045 abzugehen für die von ihm prognostizierte Zeitenwende, welche die alte, biologisch träge Evolution endgültig auf den Kurs so gut wie unbeschränkter und rasanter maschineller Innovation bringt. Was ihn darin bestärkt, ist nicht schwer zu erraten: Es ist die ungeheure Beschleunigung, mit der sich immer günstiger verfügbare Rechenleistung in Anspruch nehmen lässt. Diese exponentiell zunehmende Rechenkapazität ist für ihn im Wesentlichen der Garant, dass die Singularität bevorsteht. Schließlich hat die KI gezeigt, dass entgegen früheren, konkurrierenden Ansätzen die Rechenleistung den Ausschlag gab.
In zwei Jahrzehnte drängt sich jetzt also für Kurzweil die Entwicklung konvergenter und exponentiell an Durchschlagskraft gewinnender Technologien, die im Rahmen seines ganz an der Informationstechnologie orientierten Schemas der Menschheitsgeschichte für einen Übergang zu deren vorletzter Epoche führen sollen. Im Moment befinden wir uns für ihn noch in einer vierten Epoche, in der Speicher- und Rechentechnologien zwar bereits unsere Fähigkeiten entschieden erweitern. Doch erst in der folgenden werden Computer-Gehirn-Schnittstellen für den entscheidenden Schub sorgen und die natürliche neuronale Ausstattung mit virtuellen Neuronen in der Cloud erweitern, also noch sehr viel mehr Rechenleistung erbringen. Da greift auch die beim Tech-Futurologen Kurzweil seit je bestehende transhumanistische Tendenz: Die Körper mögen noch - durch eine von KI und Nanotechnologie revolutionierte Medizin - vor Krankheit und Verfall bewahrt werden, aber in letzter Instanz werden sie offenbar doch zurückgelassen, löst sich die Biologie in ein digitales Rechenmedium auf, in das wir - bei Kurzweil natürlich: unsere erweiterten Gehirne - eingehen. Was im übrigen, das bestimmt Kurzweils sechste und letzte Epoche, dann der gesamten natürlichen Materie widerfährt, die in solche höchstmöglicher Rechendichte umgewandelt wird. Und dann - breitet sich unsere so bestimmte Intelligenz über das gesamte Universum aus.
Von dieser Aussicht auf die letzten Dinge, wo gerechnet wird ohne Unterlass, ist zwar im neuen Buch nur kurz die Rede. Aber sie ist nun einmal der Abschluss, auf den Kurzweils am Informationsbegriff aufgehängte Geschichte der Gattung zuläuft, ihr Telos. Schwer, da nicht an ältere Charakterisierungen der aufgehobenen Zeit zu denken, das körperlose Rechnen neben die ebenso körperlos das Lob des Allmächtigen singenden Seligen zu halten. Vorstellen kann man sich schließlich beides nicht, wenn auch Singen sich etwas einnehmender als Rechnen ausnehmen mag.
Man muss gleich anfügen, dass Kurzweil aus dieser Nichtvorstellbarkeit keinen Hehl macht. Sie ist vielmehr gerade ein Ausweis der Singularität, deren Auswirkungen eben tiefgreifender sein werden, als sich überhaupt vorwegnehmen lässt. Irgendwie soll mehr Rechenleistung auf ein anderes Bewusstsein führen, Intelligenz sowieso, damit auf neue Ausdrucksformen. Etwa neue Formen der Schauspielkunst, wie er einmal etwas unvermittelt kundtut, nämlich die Möglichkeit, die "ungefilterten, unorganisierten, nicht verbalen Gedanken" einer dargestellten Figur direkt in unser Gehirn zu übertragen. Da bekommen wieder einmal die Körper ihr Fett weg, die "nur" Worte, Haltungen und Gesten zustande bringen, während das ungefilterte mentale Innere des Anderen - also was ihm so alles durch die Rübe rauscht - im Gegenzug von "unsagbarer Schönheit und Komplexität" erstrahlt. Wir nehmen es als Anpreisung gemeinsamen Rechnens und gestatten uns der Vollständigkeit halber noch die Anmerkung, dass Sex nicht einmal mit Maschinen vorkommt.
Je näher Kurzweil der Singularität kommt oder sogar über sie hinaus zu lugen versucht, desto eher ist man geneigt, das Ergebnis als Umpolung alter Endzeiterwartungen zu nehmen. Aber zu konzedieren ist auch, dass sich sein Buch nicht darin erschöpft. Der "Director of Engineering" bei Google kennt das Terrain, dem die angelaufene große Umwälzung zu verdanken ist, aus erster Hand. Er schwebt nicht bloß über den (letzten) Dingen, sondern hält sich ein gutes Stück weit durchaus an handfeste rezente KI-Entwicklungen, um an sie seine Erwartungen zu knüpfen. Wobei er sich nicht gerade dabei aufhält, viel aus den dabei zu lösenden Problemen zu machen, denn die Rechenleistungen werden alle dazu notwendigen Modellierungen und Emulationen immer besser schaffen, eben bis hin zum "Back-up" unser selbst in der Cloud, obwohl die Neurowissenschaftler einstweilen bloß einen allerblassesten Schimmer davon haben, wie das Gehirn und sein Körper "Speicherungen" hinbekommen.
Und außerdem möchte Kurzweil keinen Zweifel daran lassen, dass wir damit den Pfad eines Fortschritts entlang stürmen - siehe den eingangs zitierten Satz -, der alle Probleme dieser Welt lösen wird, sofern nur ein paar Risiken und Missbrauchsmöglichkeiten abgewendet werden. Schließlich hat das bei der atomaren Bedrohung geklappt, also wird sich auch die von KI getriebene Entwicklung auf der richtigen Spur halten lassen, um das neue Zeitalter zu etablieren, in dem dann das planetarische "Wir" definitiv konstituiert ist, das ein Tech-Visionär vom Schlage Kurzweils freilich durchweg schon im Voraus in Anspruch nimmt - immer mit der Erwartung, dass die über Rechenleistungen gesicherten Wohltaten, selbst wenn sie anfangs teuer sein mögen (etwa die zukünftig passgenaue Medizin oder der notorische "Back-up"), schnell zu billigen Angeboten werden, weil sie auf der Explosion von Rechenkapazität beruhen.
Eine Wette über die von der KI genommene Hürde des modifizierten Turing-Tests bis 1929 ist Kurzweil bereits eingegangen. Für 2045 ist die Sache wohl nicht so leicht auf halbwegs eindeutige Kriterien zu bringen, die eine Wette erfordert. Aber vielleicht lässt die Bewusstseinserweiterung, die "uns" nach Kurzweil blüht - und dem Universum droht -, dann alles in anderem Licht erscheinen. HELMUT MAYER
Ray Kurzweil: "Die nächste Stufe der Evolution". Wenn Mensch und Maschine eins werden.
Aus dem Englischen von S. Schmid, M. Langer und J. Hagestedt. Piper Verlag, München 2024. 496 S., Abb., geb.
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