Das Römische Reich endlich aus weiblicher Sicht.
Lasst uns das Drehbuch des Römischen Reiches zerreißen: Genug von Brüdermördern, Frauenräubern und Kriegsspektakel! Die Geschichte Roms ist so viel mehr: Mit Emma Southon entdecken wir, wie die Sexarbeiterin Hispala Faecenia eine Verschwörung aufdeckt, wir lernen die klügste Geschäftsfrau von Pompeji kennen, während wir die wunderbare Aussicht auf den Vesuv genießen (was kann da schon schiefgehen?), und wir begleiten Septimia Zenobia, die - nachdem sie mit ansehen musste, wie inkompetente, psychopathische und inkompetent-psychopathische Kaiser das Imperium fast zerstörten - das einzig Logische tut: Sie erklärt sich selbst zur Kaiserin . . . Southon folgt 21 Frauen in Krieg, verbotener Liebe und Naturkatastrophen (sowie der einen oder anderen bacchantischen Orgie) und zeigt uns ein neues Gesicht des Reiches, das wir so gut zu kennen glaubten.
»Southon zeigt, wie Frauen unglaublich häufig aus der römischen Geschichte getilgt wurden . . . Römische Frauen waren immer da - jetzt müssen wir dafür sorgen, dass ihre Geschichten erzählt werden. « BBC History
»Wo war Emma Southon, als ich römische Geschichte studierte? « Laura Shepperson
»Klug, frech und erfrischend feministisch. Dieses Buch verdient einen Platz in den Regalen der Bibliotheken, um die patriarchalischen Sachbuchsammlungen auszugleichen. Wir brauchen mehr Geschichtsschreibungen wie diese. « Booklist
»Emma Southon hat die erstaunliche Fähigkeit, alles, was man über die römische Geschichte zu wissen glaubte, auf den Kopf zu stellen, neu auszurichten und neu zu zeigen, während sie einen gleichzeitig zum Lachen bringt, weil sie, offen gesagt, urkomisch ist. 'Eine Geschichte des Römischen Reiches in 21 Frauen' ist das Geschichtsbuch, von dem ich nicht wusste, dass ich es brauche - ein sofortiger Klassiker. « Jane Draycott
»Dies ist nicht nur ein Buch über das Leben historischer Frauen, sondern eines über die Geschichte des Frauseins. « The Times Literary Supplement
Besprechung vom 29.12.2024
Ein Rom für sich allein
Sie spannen eben nicht nur brav Wolle: Die Althistorikerin Emma Southon erzählt in ihrem aufregenden Buch die Geschichte des Römischen Reiches aus der Sicht von Frauen.
Vor einer Weile geisterte ein Trend durchs Internet, der besagte, dass Männer im Schnitt zweimal pro Woche an das Römische Reich denken. Sollte das tatsächlich so sein, dann denken sie vermutlich an Julius Cäsar, an Gladiatoren, vielleicht an ausgeklügelte Latrinensysteme oder daran, dass Toiletten soziale Orte waren, an denen man sich traf und plauderte. Woran sie sicherlich nicht oft denken, sind die Frauen und wie ihr Leben im Römischen Reich wohl aussah.
Um den Blick zu erweitern und die Geschichten derjenigen zu erzählen, die keine großen Feldherren oder psychopathischen Kaiser waren, hat die britische Althistorikerin Emma Southon "Die Geschichte des Römischen Reiches in 21 Frauen" geschrieben, die gerade in deutscher Übersetzung erschienen ist. Das Buch reiht sich ein in die Riege populärwissenschaftlicher Bücher mit Titeln wie "A History of Ancient Rome in 100 Lives". Doch davon sollte man sich nicht abschrecken lassen.
Denn die Geschichte nur anhand von Herrschern, Siegern und Kaisern - Angehörigen der privilegierten Elite - zu erzählen zeichnet ein unterkomplexes Bild. Man könne den Aufstieg und Fall des Römischen Reiches auch entlang der vielfältigen Biographien von Frauen darstellen, behauptet Southon. Dafür hat sie die klassischen Primärquellen von Livius über Ovid bis Plutarch auf die kleinsten Hinweise auf Leben von Frauen durchforstet und wirft einen kritischen, teilweise belustigt ungläubigen Blick auf die seltsamen Auswüchse des Patriarchats und seiner Überlieferung. Das ist wichtig und lohnt sich, weil die Art und Weise, wie wir Geschichte erzählen, die Gegenwart formt.
Wenn Southon über den Beginn des Römischen Reiches schreibt, geht es nicht um den brudermordenden Gründer Roms, Romulus, sondern um Hersilea. Die erste Frau, die in den Quellen als Römerin anerkannt wird, aber selten Erwähnung findet. Sie ist eine von etlichen - die überlieferten Zahlen variieren - Sabinerinnen, die von Romulus geraubt wurden, um den Neu-Römern Frauen zur Verfügung zu stellen. Denn wo keine Frauen sind, gibt es keine Nachkommen, keine Familien - und die Männer ziehen weiter.
Doch Romulus ist großzügig, er heiratet Hersilea und verspricht den geraubten Frauen die römische Staatsbürgerschaft. Diesen strategischen Schachzug kommentiert Southon so: "Die Staatsbürgerschaft einer vier Jahre alten Stadt voller Kidnapper angeboten durch einen Mann, der seinen Bruder erstochen hatte, war vielleicht nicht die Art von Geschenk, die sich die Frauen erträumt hatten." Trotzdem ist es Hersilea, die einen Krieg abwendet, als die Sabiner ihre Töchter und Schwestern zurückholen wollen. Nur weil dieser Krieg verhindert wurde, konnte das Römische Reich werden, was es bis heute ist. Hersilea ist für die römische Geschichte also von größter Bedeutung, doch selten hat man von ihr gelesen und wohl noch nie so zugänglich und klug. Man erfährt von der freigelassenen Sklavin Hispala, die als Informantin in einem der größten römischen Politskandale auftritt, von tiefen Freundschaften an den äußeren Grenzen des Reiches, von Dichterinnen, Priesterinnen, Märtyrerinnen und Geschäftsfrauen.
Southon erzählt dazu etwa die Geschichte von Iulia Felix, die 79 n. Chr. in Pompeji lebte und deswegen so bemerkenswert ist, weil es heißt, Frauen im Römischen Reich hätten zwar Eigentum besitzen, aber nicht darüber verfügen dürfen. Die wenigen Spuren, die man von Iulia Felix' Leben finden kann, erzählen jedoch etwas anderes. Laut Southon war Felix die Geschäftsführerin eines Gebäudekomplexes, der "der Unterhaltung der arbeitenden Mittelklasse" diente. Auf einer in Stein gehauenen Anzeige, die man fand, bietet sie Teile des Gebäudes zur Vermietung an, was bedeutet, dass sie es eben nicht nur besaß, sondern auch verwaltete. Alles weist darauf hin, dass Iulia Felix wohlhabend, einflussreich, alleinstehend und unabhängig gewesen sein muss. Attribute, die man erst mal nicht mit einer römischen Frau in Verbindung bringt.
Die Geschichten, die Southon versammelt, widerlegen das verbreitete Bild, dass Frauen, weil sie vor dem Gesetz als unmündig galten, keine öffentlichen Leben geführt hätten. Die weibliche Sphäre, in der sie angeblich zurückgezogen lebten, Kinder bekamen und Wolle spannen, gibt es nur in einer Geschichtswissenschaft, in der Menschen immer noch Männer sind. Man kann die Geschichte aber auch anders lesen und interpretieren.
Durch ihr Buch schärft Southon das Bewusstsein dafür, dass wir selbst gerade Geschichte leben. Auch unsere Gegenwart wird einmal historisiert werden, und aller Wahrscheinlichkeit nach werden all diejenigen, die gegenwärtig aufregende, traurige, also normale Leben führen, nur als Randnotizen vorkommen. Dabei ist es manchmal aufschlussreicher und unterhaltsamer, Geschichte abseits der großen Schlachten und ausgeklügelten Latrinensysteme zu suchen.
LAURA HELENA WURTH
Emma Southon: "Eine Geschichte des Römischen Reiches in 21 Frauen". Aus dem Englischen von Rita Gravert und Caroline Weißbach. Aufbau Verlag
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