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Russische Spezialitäten

Roman

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Bittersüß und zutiefst politisch schreibt Dmitrij Kapitelman in seinem neuen Roman über Familie und die (Un-)Möglichkeit der Verständigung in Zeiten alter und neuer Kriege. Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2025Eine Familie aus Kyjiw verkauft russische Spezialitäten in Leipzig. Wodka, Pelmeni, SIM-Karten, Matrosenshirts - und ein irgendwie osteuropäisches Zusammengehörigkeitsgefühl. Wobei, Letzteres ist seit dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht mehr zu haben. Die Mutter steht an der Seite Putins. Und ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, aber auch keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Klug ist es nicht von ihm, mitten im Krieg in die Ukraine zurückzufahren. Aber was soll er tun, wenn es nun einmal keinen anderen Weg gibt, um Mama vom Faschismus und den irren russischen Fernsehlügen zurückzuholen? Ein Buch, wie nur Dmitrij Kapitelman es schreiben kann: tragisch, zärtlich und komisch zugleich.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
18. Februar 2025
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
182
Autor/Autorin
Dmitrij Kapitelman
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
303 g
Größe (L/B/H)
205/130/22 mm
ISBN
9783446282476

Portrait

Dmitrij Kapitelman

Dmitrij Kapitelman, 1986 in Kyjiw geboren, kam im Alter von acht Jahren als »Kontingentflüchtling« mit seiner Familie nach Deutschland. Er studierte Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Leipzig und absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München. Heute arbeitet er als freier Journalist. 2016 erschien sein erstes, erfolgreiches Buch "Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters", für das er den Klaus-Michael Kühne-Preis gewann. 2021 folgte "Eine Formalie in Kiew", für das er mit dem Buchpreis Familienroman der Stiftung Ravensburger Verlag ausgezeichnet wurde.

Pressestimmen

»Kapitelman schreibt mit zärtlichem Blick über die, denen er politisch hart entgegentreten muss. Ein Buch über die Unmöglichkeit der Verständigung, das Verständnis ermöglicht. « Tobias Becker, Der Spiegel, 22. 02. 25

»Gerade darin entfaltet der Roman seine Qualität wenn der Held zwischen seiner ukrainisch-jüdisch-moldawischen Familie und der bröselnden eigenen Identität nach Gewissheiten sucht. « Ruth Bender, Saarländischer Rundfunk, 02. 04. 25

»Ein höchst seltenes Leseglück. « Erhard Schütz, Das Magazin, 29. 03. 2025

»Herzergreifend komisch Eine aufwühlende und beglückende Lektüre. « Franziska Hirsbrunner, SRF1, 19. 08. 25

»Ich war von diesem Buch begeistert! Es ist eine wahnsinnig berührende und traurige und manchmal auch verzweifelte Geschichte. « Anne-Cathrin Simon, Podcast Die Bücherei , 23. 03. 25

»Man weiß nie genau, wo das Autobiografische aufhört und das Fiktionale beginnt. Aber letztlich ist das einerlei, denn es geht um universelle Themen: wie man für immer in seiner Sprache beheimatet ist und wie schwierig es ist, ein liebender Sohn zu bleiben. « Sabine Frank, MDR Kultur, 17. 03. 25

»Ein autobiografischer Roman über Identitätsfragen in identitätspolitisch hochtoxischen Zeiten. « Alex Rühle, SZ Online, 27. 02. 25

»Das ist witzig, brillant witzig. « Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau, 21. 02. 25

»Den Mutter-Sohn-Konflikt erzählt Kapitelman auf tiefgründige, zärtliche Weise und immer mit einem großartigen Gespür für Situationskomik, obwohl die Lage todernst ist. Russische Spezialitäten ist ganz große Literatur. « Björn Hayer, Der Freitag, 20. 02. 25

»In Russische Spezialitäten erforscht Dmitrij Kapitelman die Beziehung zu seinen Eltern, vor allem zur Mutter; die politischen Kräfte, auch jene in Deutschland, immer im Blick. Er tut dies verzweifelt und zugewandt; liebevoll und verständnislos. Was nach Schwere klingt, liest sich bei Kapitelman dennoch leicht. Weil er ein empathischer Beobachter und Erzähler ist. Weil er sich Worte, Sätze und Szenen ausdenkt, die von liebenswertem Sarkasmus und poetischer Luftigkeit getränkt sind. « Andrea Schwyzer, NDR Kultur, 17. 02. 25

»Es ist ein sanftes Buch, sehr humorvoll, sehr liebenswert, obwohl es doch ein düsteres Thema hat, aber Kapitelman zaubert aus diesem düsteren Thema ein leichtes, sehr schönes und gleichzeitig auch sehr bewegendes Buch. « Irene Binal, Ö1 ex libris, 16. 02. 25

»Die Schilderungen Dmitrij Kapitelmans gehen unter die Haut und man spürt ihren autobiografischen Charakter. . . . Russische Spezialitäten ist ein intensives Hörerlebnis, vor allem dadurch, dass Dmitrij Kapitelman seinen Gedanken und Gefühlen seine eigene Stimme verleiht. Mal heiter, mal melancholisch, aber immer authentisch. « Hannegret Kullmann, hr2, 12. 9. 25

»Bei aller Schwere hat Dmitrij Kapitelman ein stellenweise komisches Buch geschrieben, eines, das dem Schrecken oft mit freundlichem Sarkasmus begegnet. . . . Wahrheitsfälschung und autoritäre Gewalt bleibt leider ein hochaktuelles Thema. Und niemand kann das so treffsicher auf den Punkt bringen wie Kapitelman. « Anne Stürzer, Nordsee-Zeitung, 10. 9. 25

Besprechung vom 27.02.2025

Zungenmuttersprache

Im sicheren Fritzland Braunschweiger Wurst fressen? Dmitrij Kapitelman lotet in seinem Roman "Russische Spezialitäten" die absurden Spannungen zwischen einem in Kiew geborenen Deutschen und seinen russlandtreuen Eltern aus.

Ganz kurz schießt einem mitten in der Lektüre dieser Gedanke durch den Kopf: Ist das "Russendisko" für die Gegenwart? Steht die auf den ersten Blick sehr amüsant wirkende Schreibweise des 1986 in Kiew geborenen Dmitrij Kapitelman, der im Alter von acht Jahren als "jüdischer Kontigentflüchtling" nach Deutschland kam, in der Tradition jener Kolumnen und Erzählungen, mit denen der 1967 in Moskau geborene Wladimir Kaminer vor 25 Jahren vielen Hörern und Lesern das Leben von Russlanddeutschen im wiedervereinten Berlin parodistisch näherbrachte?

Wenn der Erzähler in Kapitelmans neuem Roman "Russische Spezialitäten" von seiner Jugend in Leipzig zu Beginn der Neunziger berichtet und vom ersten Volkswagen-Dreitürer seiner Mutter, der "schon damals zu siebzig Prozent aus Lidl- respektive Kaufland-Broschüren bestand" und "zu weiteren zwanzig aus Zigarettenstummeln", könnte man sich kurz zurückversetzt fühlen in Kaminers glossig-kritisch und doch euphorisch geschilderte Nachwendezeit. Bald kann sich die Mutter einen Golf leisten und steht auch später für den Sohn stets "motorisiert bereit", um ihn "aus jeglichen Notlagen" herauszumanövrieren.

Aber dann ändert sich von Satz zu Satz die Stimmung, und man begreift, dass der Vergleich nicht weiter trägt, weil eine ganz andere Zeit angebrochen ist. "Seit der Krieg zwischen uns einen Graben zieht, steige ich dennoch nicht mehr so gern ein. Bei einer neuerlichen Fahrten erklärte Mama rundheraus, dass das Massaker von Butscha Fake sei. Dass Ukrainer das alles inszeniert hätten mit Schauspielern, die sich in den Straßen tot stellen, um gegen Russland aufzuwiegeln. Ich versuche, Distanz zu halten."

Trotz des unüberbrückbaren Grabens, der sich zwischen Mutter und Sohn aufgetan hat, sitzen die beiden auf gewisse Weise noch in einem Boot - und manchmal auch doch wieder zusammen im Auto, weil in Deutschland viele Züge ausfallen. Der Sohn versucht, die neue Wirklichkeit weiter mit Humor zu schildern, auch wenn es bisweilen ein Humor der Verzweiflung ist. Die Mutter schaut während der Fahrt auf dem Handy, das am Armaturenbrett klemmt, russisches Staatsfernsehen. "Im Handyrussland meiner Mutter bereiten sich russische Rekruten auf ihren ersten Fallschirmsprung vor. 'Herr Korporal', fragt einer der verängstigten, blutjungen russischen Kadetten. 'Was, wenn der Fallschirm sich nicht öffnet?' - 'Dann bekommst du anschließend einen neuen.'" Der Erzähler muss eingestehen, dass die Pointe "ja tatsächlich prima" war. Also lächelt er "verhalten und möglichst nicht kriegsrelativierend zurück."

Wie Kapitelman diese Autoszene auf der Kippe zwischen Witz und Schock ausbalanciert und dabei poetisch verdichtet, ist meisterhaft. Es gelingt ihm sogar noch, reportagehaft ein Stück ostdeutscher Wirklichkeit mit zu beschreiben, während die fernere ständig dazwischenfunkt: "Wir biegen auf die A 14 ab, passieren die Kiesgrube Kleinpösna, sächsische Baggerseen und Zementmischer. Und stecken doch tief in Osteuropa."

Zuspitzung ist auch das Prinzip des Werks als Ganzem. In schlaglichtartigen Abschnitten entwirft der Erzähler die Geschichte seiner Familie von der Ankunft in Deutschland um 1994 bis zur Gegenwart. Der Laden für "russische Spezialitäten", den sie für einige Jahre gemeinsam in Leipzig betrieben hat und der dem Buch den Titel gibt, wird vom verbindenden Ort zum Brennpunkt einer Entfremdung: Denn während zunächst noch Wodka und Krimsekt, nowosibirische Pelmeni und ukrainischer Kwas unter einem Dach und auf einer Theke zusammenpassen, wird dies mit den wachsenden Spannungen zwischen Russland und Ukraine plötzlich fragwürdig.

Fühlte der Erzähler sich als jugendlicher Verkäufer in jenem Laden noch "wie ein historisch-slawischer Pfandautomat", in den die ostdeutschen Kunden übrig gebliebene Nostalgie einwerfen und dafür "ewige Einheit" mit Russland zurückerhalten, zeigt sich mit seinem Älterwerden bei der Reibung an russischen Produkten immer stärker seine ukrainische Identität, und er erkennt die "unerträglich sinnlose Tragödie, die Russland in mein Geburtsland gebracht hat".

Das führt dazu, dass er im zweiten Teil des Buches nach Kiew reist, mitten im Krieg. Dass er dies kann, ohne zur Armee eingezogen zu werden, verdankt sich seinem deutschen Pass, macht aber die ukrainische Grenzbeamtin wütend: "Warum soll der im sicheren Fritzland Braunschweiger Wurst fressen! Und wir vergehen hier!" Die Kommunikation mit den russlandtreuen Eltern hingegen nimmt bisweilen groteske Züge an: "Hallo Mama, der Massenmörder, den Du unterstützt, hat mich nicht mitvernichtet. Gehe gleich georgisches Zazivi-Hühnchen essen."

Das heikelste Thema des Romans ist die Sprache. Während der Erzähler sich ukrainisch fühlt, bezeichnet er seine Muttersprache als Russisch, und als er in der Ukraine Freunde fragt: "Also musstet ihr eure eigene Muttersprache vergessen?", womit er Russisch meint, herrscht kurz Grabesstille. Einer antwortet dann, er habe vor zwei Jahren selbst noch kein Ukrainisch gekonnt. Aber inzwischen ekle ihn das Russische an. Als "vermaledeite Zungenmuttersprache" bezeichnet der Erzähler es deshalb.

Das Ziel der Reise, nämlich seine Mutter von der Absurdität russischer Propaganda zu überzeugen mit Berichten und Bildern aus eigener Anschauung, scheitert leider auf absurde Weise. Nach einem Besuch in Butscha sitzt der Erzähler in Kiew, als es einen Luftangriff gibt. Im Bunker geht das Licht aus, aber das Handy hat Empfang. Die Mutter schreibt aus Deutschland, es bestehe "keine richtige Gefahr", denn "Russland beschießt ja ausschließlich militärische Ziele". Der Sarkasmus von Dmitrij Kapitelmans kurzem, aber abgrundtiefem Roman ist bisweilen so stark, dass er kaum auszuhalten ist. Da hilft auch ein halbversöhnlicher Schluss mit einem weiteren Schuss verzweifeltem Humor nicht viel. JAN WIELE

Dmitrij Kapitelman:

"Russische Spezialitäten".

Roman.

Hanser Berlin Verlag,

Berlin 2025.

184 S., geb

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.

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LovelyBooks-BewertungVon dunis-lesefutter am 11.09.2025
Über die Macht von Propaganda "Die wirksamste Propaganda sind nicht die Lügen, sondern das Verschweigen der Wahrheit." Dieser Satz von George Orwell sagt schon alles aus. Gezielte Manipulation ist die erste Waffe, die in bilateralen Auseinandersetzung eingesetzt wird, und kurioserweise fruchtet sie bei sehr vielen Menschen. Sobald sich Fronten bilden, ist man geneigt, den Regierenden zu glauben, denen man sonst lieber misstraut. Wenn man sich die breite Masse der Verschwörungstheorien nicht nur auf Social Media anschaut, ist man geneigt zu denken, die ganze Welt ist verrückt geworden.So geht es auch dem ICH Erzähler, der genau wie der Autor Dimitrij heißt. Er hadert sehr damit, dass seine Mutter der russischen Propaganda an den Lippen hängt. Dabei kommen sie aus Kyjiw, und sind anfang der 90er Jahre als jüdische Kontingentflüchtlinge nach Deutschland eingewandert. Mama betreibt ein kleines Geschäft, in dem Spezialitäten und Nützliches aus der Heimat verkauft wird. Der Laden heißt "¿¿¿¿¿¿¿", was im Deutschen schlicht "Magazin" heißt. Die Leute kommen allerdings nicht nur zum einkaufen, sondern auch um sich zu treffen und sich auszutauschen. Ein Treffpunkt aller Osteuropäer und besonders die Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion sind hier wieder vereint. Der Überfall Russlands 2014 auf ukrainische Gebiete und die Zuspitzung 2022 verändert einiges. Auf einmal ist wird auch in diesem kleinen Kosmos deutlich, dass man aus zwei unterschiedlichen Welten kommt, aus Freunden werden Feinde  und das Geschäft steuert auf sein Ende zu. Und russische Informationsquellen werden die ständigen Begleiter von Dimitrijs Mutter.Das gefällt ihm gar nicht. Er liebt seine Mutter, und er liebt die russische Sprache, obwohl er sie nicht perfekt beherrscht, aber dass sie den Sprachrohren Putins mehr glauben schenkt als anderen weltweit zugänglichen Quellen findet er sehr befremdlich und er sorgt sich, dass der Keil, der zwischen Russen und Ukraine getrieben wurde auch in seiner Familie zerstörerische Kräfte entwickelt. Kurz entschlossen macht er sich auf den Weg in die Ukraine, kein risikoloses Unterfangen - und sucht dort nach Erinnerungen und Menschen, die im Nahe stehen. Sinulja- was so viel wie Söhnchen bedeutet- möchte die schrecklicher Realität des Krieges, wie ein Souvenir einpacken und mit nach Hause nehmen. Ob ihm das glückt müsst, ihr selber lesenKapitelman hat in diesem Buch ein Phänomen der Gegenwart eingearbeitet, dass auch mich immer wieder fassungslos macht. Die mangelnde Reflektion manipulativer Videos, auf Basis eigener Erfahrungen scheint in manchen Gesellschaftsschichten nicht möglich zu sein, und so verfällt man Worten die eigentlich sofort als Lügen zu entlarven sind. Die Suche nach den Ursachen, warum seine Mutter plötzlich mit Blind- und Taubheit geschlagen scheint scheint genauso aussichtslos wie die Suche nach Möglichkeiten diesen Krieg zu beenden. Doch es schimmern immer wieder Sätze durch, die zeigen, wie tief die kollektive Sehnsucht nach besseren Tagen sitzt, und wie sehr sie sich mit einem nostalgisch Rückblick auf die eigene Jugend vermischt. Dass seine Mutter zum Beispiel nur auf die Ukrainer schimpft und sie die Russen fast nie erwähnt, begründet sie damit, dass ihr Letztere egal sind und sie sich die Ukraine von vor 30 Jahren zurück wünscht, wohlgemerkt die, die sie verlassen und die ihr aus mehreren Gründen das Leben schwer gemacht hat. Dabei entlarvt sie genau das, was ich als großes Problem in unserer gegenwärtigen Gesellschaft empfinde: man sehnt sich nach einer Jugend voller Hoffnung zurück obwohl damals gar nicht alles besser war, aber man war jung und optimistisch. Nun kommt man mit den düsteren Zukunftsvisionen der Gegenwart gar nicht klar, und Schuld sind immer die anderen.Die Figurenzeichnung des Autors ist hervorragend. Natürlich hat er besonders der Mutter einen bestimmten Anstrich gegeben, der mir großes Vergnügen bereitet hat, dieses Buch zu lesen. Es entbehrt nämlich trotz der Schwere des Themas nicht einem gewissen Humor. Dass sich Mutterliebe im Osten Europas in erster Linie daran zu erkennen gibt, dass man seine Söhne daran erinnert, die Mütze anzuziehen, ist dabei nur ein Beispiel. Die Ignoranz, die sich auch in den lesenswerten Dialogen ganz wunderbar offenbart, haben, mich regelmäßig zum Schmunzeln gebracht. Ich konnte mich in die zwischen, Verzweiflung und Resignation schwankenden Stimmungen des Sohnes wunderbar hineinversetzen. Der Kriegsalltag in der Ukraine ist gleichermaßen erschreckend wie banal. Hier hat der Autor, die Alltäglichkeit der Angriffe und die Abstumpfung gegenüber den damit verbundenen Gefahren, sehr realitätsnah eingefangen. Außerdem füllt er seine Story auch noch mit dem gegenwärtigen Lebensgefühl im Osten Deutschlands auf, und es wird sehr deutlich, wie eng unser Land an die Entwicklungen in der Ukraine geknüpft sind.Das Ganze ist dann auch noch sprachlich sehr fein geschliffen. Ich habe so viele schöne Sätze entdeckt und schnell gemerkt wie viel Spaß es macht diesen Text zu lesen.Deshalb empfehle ich das Buch gerne weiter, und würde mich freuen, wenn es besonders viele Menschen lesen, die sich den Erfahrungen als Immigrant*in mit kulturell anders geprägter Vergangenheit literarisch auseinandersetzen möchten. In diesem Roman bekommt ihr das gesellschaftspolitisch reflektiert und literatursprachlich verfeinert serviert. 
LovelyBooks-BewertungVon Sarange am 03.09.2025
Anekdotisch Kapitelman bietet in seinem autofiktionalen / autobiografischen Buch bedrückende Einsichten in das Leben der Kontingentflüchtlinge der Neunzigerjahre und Putins aktuellen Krieg in der Ukraine. Ein größerer Erzählbogen und Tiefgang fehlen mir jedoch; das Buch bleibt oberflächlich und anekdotisch. Ich hatte mir vor allem erhofft, dass erzählt wird, wie diese Spaltung der Familie in ukrainetreue Menschen und Putin-Versteher:innen sich entwickelt hat; sie ist ja nicht schlagartig vom Himmel gefallen. Da kommt aber fast nichts und den einen Erklärungsversuch am Ende fand ich bestürzend dünn.
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