Unserer Demokratie fehlen die Talente!
Caroline Weimann und Philip Huseman sehen darin eine Gefahr für die politische Zukunft Deutschlands. Aus diesem Grund fördern sie gezielt den politischen Nachwuchs mit ihrer Organisation JoinPolitics. In ihrem Buch bringen sie das Problem des unattraktiven politischen Betriebs auf den Punkt und zeigen Lösungsansätze auf. Außerdem werfen sie einen aktiv-optimistischen Blick in die Zukunft des Landes, aber auch auf die Protagonist:innen von morgen. Sie erläutern, was sich ändern muss und wie sich das anstellen lässt. Dabei begleitet das Buch einige junge politische Talente, die durch JoinPolitics gefördert wurden, und zeigt, wie sich die Politik mit neuen frischen Ideen und genug Idealismus und Selbstbewusstsein ändern lässt.
"Die Politik von morgen" ist ein wichtiger Wegweiser für die politische Landkarte unserer Zukunft.
Besprechung vom 22.03.2025
Talente in die Politik!
Wie man Karrieren in Berlin fördert
Von Lukas Fuhr
Von Lukas Fuhr
Wer mit den Regierenden unzufrieden ist, kann sie in Demokratien abwählen. Wer aber mit allen zur Wahl stehenden Politikern unzufrieden ist - und das sind in parlamentarischen Demokratien ziemlich viele -, muss sich eben bessere Politiker schaffen. Das zumindest versuchen Caroline Weimann und Philip Husemann mit ihrer Organisation Joinpolitics: "Wie schaffen wir es, dass die besten Talente des Landes in die Politik gehen - und wer sind sie?"
Jemand müsse sich das dringend fragen, finden die Autoren. Wie so viele Schreiber gerade beschreiben auch sie, wie sich die Feinde der Demokratie organisieren und wie schwer es den als "Altparteien" geschmähten alten Parteien fällt, darauf zu reagieren. Die Analyse der gegenwärtigen Demokratiemalaise hat man andernorts schon frischer, ausführlicher und schlüssiger gelesen. Interessanter ist in diesem Buch, was nach der Diagnose kommt, und auch: dass überhaupt etwas kommt. Denn Husemann und Weimann erinnern an die erzdemokratische Tugend, sich als Souverän nicht mit den Gegebenheiten abfinden zu müssen. Sie also suchen junge Talente (eine der Krisen der Demokratie ist ihre Überalterung), deren Parteizugehörigkeit ihnen egal ist, solange sie zu dem gehören, was gemeinhin als demokratische Mitte gilt, und versuchen, sie voranzubringen, bis in den Bundestag, wenn es klappt.
Den Kandidaten stellt Joinpolitics drei Dinge: finanzielle Starthilfe, Coachings und Mentoring, vor allem aber eine Community mit anderen auf der Schwelle zwischen Bürger und Politiker - die unter anderem dafür da ist, den auf diesem Weg unvermeidlichen Frust durch Teilen handhabbar zu machen. Es mag beruhigen, als Jungsozialist zu erfahren, dass es in der Jungen Union ähnlich schrecklich sein kann.
Probleme, schreiben die Autoren, gebe es auf dem Weg in die Politik genug, zum Beispiel: "Die viel gerühmte innerparteiliche Demokratie führt in der Realität oft dazu, dass Funktionsträger, die das schon immer gemacht haben, und Delegierte (für die Gleiches gilt) gemeinsam die Parteilisten ausklüngeln." An der Abkürzungsstrecke stehen unter anderen der frühere Fußballnationalspieler Arne Friedrich (für die Themenbereiche "Leadership und Mental Health"), die stellvertretende Unionsfraktionschefin Nadine Schön (mit "umfangreichem Wissen über politische Prozesse in Parteien und Parlamenten"), Politikberater, Lobbyisten und Redenschreiber bereit: Politik ist eben nicht nur Beruf, sondern auch Handwerk.
Wie erfolgreich das Alternativprogramm zur innerparteilichen Ochsentour oder zur politischen Brillanz aus Eigenmitteln ist, kann das Buch nur sehr begrenzt zeigen. Die Fallstudien zu den Geförderten offenbaren durch ihre Auswahl, dass auch das Finden talentierter Neupolitiker eine ebenso hartbrettrig-langwierige Aufgabe sein dürfte wie Politik selbst. Jedenfalls dürfte niemand der Porträtierten über den überschaubaren Kreis eifriger Parlamentsbeobachter hinaus bekannt sein. Aber das zu ändern, ist nun mal Teil der Aufgabe, die sich die Autoren vorgenommen haben.
Wer auf der Internetseite von Joinpolitics weitersucht, findet auch dort keine Politiker der ersten Reihe, dafür viel Sachlichkeit: einen CDU-Gesundheitspolitiker, der sich dafür einsetzt, dass an Endometriose Erkrankte mehr Hilfe erhalten. Eine Sozialdemokratin, die in Brandenburg für Europa wirbt. Die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, wurde ebenso gefördert wie Verena Hubertz, die mittlerweile für die SPD im Bundestag sitzt.
Hubertz' Geschichte wird im Buch etwas ausführlicher dargestellt. Nur wie genau Weimann und Husemann ihr geholfen haben, erfährt der Leser dann doch nicht. Dabei würde man genau das gern erfahren, um zu ermessen, welchen Beitrag Joinpolitics zu einer Politikerkarriere leistet. Aus dem Buch kann man nicht lernen, wie man Politiker wird, aber immerhin, wer es gerade werden will. Das sind erfreulich verschiedene Menschen. Ohnehin sollte nicht mehr, wünschen die Autoren, pauschal von "den Politikern" gesprochen werden. Sondern über gute Politiker und schlechte. Gute Idee.
Caroline Weimann, Philip Husemann: Die Politik von morgen. Wie politische Talente unsere Demokratie retten können.
ZS-Verlag, München 2025. 208 S.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.