Das Geschmäcker verschieden sind, dürfte für niemanden wirklich eine Neuigkeit sein und das daher ein Buch bei manchen sehr gut und bei manchen sehr schlecht ankommt, logisch sein. In vielen Fällen gibt es dann noch diejenigen, die die Geschichte einfach nur mittelmäßig fanden. Spannenderweise habe ich im Vorfeld zu diesem Buch kaum Stimmen der letzten Gruppe gehört. Alles höchst subjektiv natürlich, aber ich hatte wirklich das Gefühl, dass das Buch entweder in den Himmel gelobt wird oder aus Enttäuschung und Frust abgebrochen wurde. Dies alles hat dazu geführt, dass obwohl ich nicht überzeugt war, ob das Buch das richtige für mich ist, mich für das Lesen entschieden habe.
Nach Beendigung der Lektüre muss ich sagen, ich kann die Stimmen verstehen, und zwar alle, sowohl die positiven als auch die negativen. Autorin Taffy Brodesser-Akner hat mich mit diesem Buch auf eine Achterbahn der Gefühle geschickt. Ihre teilweise äußerst detaillierten Beschreibungen von pikanten Szenen waren mir an manchen Stellen ein wenig zu plakativ. Da hätte ich gern mehr meiner eigenen Fantasie überlassen und lieber ein wenig mehr zwischen den Zeilen gelesen. Gepaart war das ganze dann auch noch mit teilweise äußerst vulgärer Sprache. Auch ein Punkt auf den ich verzichten hätte können.
Hinzu kamen dann noch die Protagonisten. Die Geschwister Nathan, Beamer und Jenny, sind quasi mit dem goldenen Löffel im Mund aufgewachsen. Duch ihre Kindheit und ihr ganzes weiteres Leben wird von einem Ereignis überschattet. Der Entführung ihres Vaters Carl. Obwohl diese glimpflich ausging und er wieder frei kam ohne äußerliche Beeinträchtigungen, legte sich von nun an ein Schatten über die Familie. Das Ereignis wurde totgeschwiegen und man versuchte einfach weiterzumachen, als ob dies nie passiert wäre. Doch wenig verwunderlich erlitt Carl ein Trauma durch dieses Ereignis und auch die Kinder blieben davon nicht unberührt. Dies alles könnte man noch nachvollziehen und würde wahrscheinlich sogar Mitleid mit den, mittlerweile erwachsenen Kindern haben. Doch Taffy Brodesser-Akner spielt auch hier wieder mit den Gefühlen der Leserinnen und Leser. Das Bild, das sie von den dreien zeichnet, ist nämlich absolut kein gutes und ich persönlich würde keinen der drei als Sympathieträger bezeichnen. Gemeinsamkeiten zwischen dem Leben der Geschwister und meinem eigenen gibt es zwar nicht, trotzdem konnte ich ihre Gedanken und Handlungsweisen an vielen Stellen nachempfinden.
Eine große Herausforderung war für mich auch der Aufbau des Buches. Denn die Autorin hat sich dafür entschieden nur sehr wenige Kapitel zu verwenden, was im Umkehrschluss bei einer Seitenanzahl von über 500 bedeutet, dass die einzelnen Kapitel furchtbar lang sind. Für mich war es daher immer wieder schwierig eine passende Stelle zu finden, an dem ich das Buch beiseitelegen konnte. Die Struktur der Erzählung ist auf den ersten Blick klar und sinnvoll, so stellt die Autorin pro Kapitel einen der Protagonisten in den Fokus. Die Geradlinigkeit wird aber gestört, da es immer wieder und vor allem ohne Vorankündigung zu zeitlichen Sprüngen kommt. Auch dies war manchmal eine Herausforderung, aber wichtig zum tieferen Verständnis der Familiengeschichte. Zusammengehalten wird das Ganze von einem allwissenden Erzähler, der nicht nur alles weiß, sondern auch tiefe Einblicke in die Seelenwelt der Protagonisten liefert.
Taffy Brodesser-Akner zeichnet ein unterhaltsames und gleichzeitig abstoßendes Familienportrait. Sie zeigt auf wie sehr Familien unter einem nicht aufgearbeiteten Trauma leiden können und wie sehr Reichtum, wenn er nicht selbst erwirtschaftet, sondern einfach immer vorhanden ist, die Menschen korrumpiert. Es geht um Träume, Wünsche, Sehnsüchte und der Suche nach einem Sinn im Leben um Vergänglichkeit und Schönheit, Liebe und Hass. Und dass man manchmal scheinbar alles hat und trotzdem das Wichtigste fehlen kann.