In einer Welt, die von Automae als Herrscher und von Menschen in der unterdrückten Position geprägt ist, lebt das Menschenmädchen Ayla. Ihr einziges Ziel ist Rache an den künstlich erschaffenen Wesen, doch dann trifft sie die Automa Crier und ihrer Entschlossenheit gerät ins schwanken. Eine unübliche Liebesgeschichte nimmt ihren Lauf.
"Es fühlt sich an, als würde sie Mensch spielen." -Crier
Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, das eine dystopische Idee hat, die auch noch so gut umgesetzt wurde. Allein das Cover und der Farbschnitt sprechen einen an und die Karte vervollständigt es. Was mir schon am Anfang ins Auge stach, war der Zeitstrahl auf den ersten Seiten, der uns die Vergangenheit erzählt und das war eine perfekte Grundlage für die Geschichte. So kommt man auch gut in das Buch rein und der bildliche sowie flüssige Schreibstil vereinfacht das Leseerlebnis.
Außerdem haben wir das grandiose Setting mit der abenteuerlichen Welt. Die Automae sind künstlich erschaffene Roboter, die selbst denken und handeln können. Früher waren sie noch die Diener der Menschen, doch nach einem folgenschweren Krieg hat sich das Blatt gewendet und die Menschen sind nun Sklaven der Automae. Direkt kommen die philosophischen und ethischen Fragen auf, die sowieso schon in unserer heutigen Welt mit künstlicher Intelligenz präsent sind. Leben die Automae wirklich? Können sie fühlen oder ist es doch nur Nachahmung? Was überhaupt steckt hinter ihnen und wo zieht man die Grenze zwischen ihnen und den Menschen?
Man muss die ganze Zeit mitdenken und ungelöste Fragen und Probleme lösen und das war wirklich spannend und aufregend. Es ist interessant und gleichzeitig erschreckend, wie sich dieses Motiv durch den Roman zieht, denn die schlimmsten Ängste der Menschen werden hier verwirklicht. Mit den Intrigen, die der Automa-Adel und die Rebellen stricken und die Gewaltbereitschaft beider Seiten, haben wir eine düstere Atmosphäre und das ist wirklich gut gelungen. Die ersten Seiten waren mit dem Einstieg in die neue Welt spannend, danach wird die Geschwindigkeit gedrosselt, bis wir zu einem actiongeladenen Finale kommen, das zwar nur auf 80% hochkam, aber dennoch unsere Neugier auf den zweiten Band entfacht.
Auf die Charaktere wurde viel Wert gelegt und gemäß eines Jugendromans haben wir natürlich auch eine Liebesgeschichte, die mir aber durch die realistische Entwicklung und Transparenz sehr gut gefallen hat. Dass sich zwische junge Frauen ineinander verlieben, hat überhaupt keinen Unterschied gemacht und da alle Emotionen bei mir ankamen, kann ich nur mein Lob der Autorin aussprechen. Damit ist dieses Buch kein Quoten-Roman für queere Liebesstories.
So, in der Geschichte haben wir Ayla und Crier. Mensch und Automa. Eine Überdosis an Gefühlen Vs. ein Wesen, das die Gefühle und "Menschlichkeit" neu entdeckt. Zwei gegensätzliche Seiten den Gesellschaft und trotzdem hat es funktioniert. Mit Ayla haben wir die Rebellen und ihre Wut und Trauer gepaart mit ihrer tragischen Vergangenheit, machen sie sympathisch. Sie bleibt stark und stur und ihre Kapitel sind voller Spannung und Emotionen. Hier könnte alles passieren, vom Tod bis zur Kriegserklärung, und ich habe die ganze Zeit mit ihr gefiebert.
Crier wiederum hat mich, insbesondere ab dem zweiten Drittel des Buches, vollkommen von sich überzeugt. Schließlich ist sie gegen die jetzige Herrschaft und möchte zusammen mit den Menschen leben. Sie ist neugierig, teilweise naiv, und hat keine Scheu davor, neue Informationen aufzunehmen und ihre Sichtweise zu ändern. Ihre Entwicklung war stark und sie macht sogar die ersten Schritte, um ihren Verlobten, der die Menschen auslöschen will, aufzuhalten. Jedes Mal war ich überrascht von ihr und wie süß und intelligent Crier ist. Die Liebesgeschichte zwischen den Hauptpersonen entwickelt sich langsam und faltet sich immer weiter auf, bis sich keiner davon entziehen kann. Es war Der Knackpunkt des Buches, denn können Automae überhaupt lieben?
Besonders das Ende hat mir gefallen und auch wenn ich nun voller Gefühle bin, positiven wie negativen, hat die Autorin es geschafft, dass ich mit den Charakteren gelebt und geliebt habe und das ist ein großer Meilenstein. Auch die Nebencharaktere kommen gut zur Geltung, denn die verschiedenen Motive und Hintergründe treffen aufeinander. Dadurch, dass wir als Leser nicht alles wissen, muss man das Buch weiter und immer weiter lesen, denn es wurde zum richtigen Zeitpunkt spannend und intrigenreich. Kinok ist eine Schlüsselfigur, mehr verrate ich jedoch nicht.
Weiterhin wurde es politisch und sowohl die langweiligen Ratsszenen, als auch die Machenschaften der verschiedenen Führer im Schatten, sind wichtig für die Story und kleine Hinweise, die später mehr Sinn machen, lassen einen Aha-Momente erleben, sodass sich der Lesespaß verdoppelt. Die Storyline an sich war in Ordnung, mal mehr und mal weniger vorhersehbar. Wie Ayla als Spionin im Palast arbeitet und Crier ihren eigenen Krieg kämpft und das in einem Land kurz vor dem Zusammenbruch war fesselnd, aber an sich passiert nicht ganz so viel. Teilweise ist es träge und es entwickelt sich sehr langsam und nur die Neuigkeiten zwischendurch entfachen die Lust zum Weiterlesen. Dadurch kann ich leider keine fünf Sterne geben, auch weil man das Buch jederzeit beiseitelegen und Tage später ohne Schwierigkeiten wieder weiterlesen könnte.
Insgesamt ist es trotz der kleinen Kritik eine riesige Leseempfehlung von meiner Seite und da das Buch aktueller denn je ist, sollte man es unbedingt in die Hand nehmen!