Wenn man Thomas Mann kennen lernt, trifft man auf einen kühlen, in seinem Privatleben innerlich zurückgezogenen Denker, der auf der anderen Seite in einem großen Familienverbund lebt und dort als Familienoberhaupt seinen Mann in allen Lebenslagen stehen muss. Ohne seine Frau wäre dieses Familienunternehmen mit seiner schriftstellerischen Herausforderung nicht vereinbar gewesen. Bei seinen homosexuellen Liebschaften, oder besser gesagt, meist einseitigen Bewunderungen, vor allem junger, meist erst heranwachsender Männer, ist er zwar leidenschaftlich in der Anmutung, bleibt aber realiter, in seinem Inneren, emotional verschlossen und sogar versteckt. Da nimmt es fast wunder, dass er ein begeisterter Hundefreund zu sein schien. Die Idylle über "Herr und Hund", die er 1918 schrieb, enthüllt vieles von dem, wie Thomas Mann in Wirklichkeit tickt und spiegelt diese seine besondere Ambivalenz der Gefühle wider. Er erzählt, wie er nach anfänglichem Zögern doch sein Herz sogar weit öffnen kann und offenbart uns Lesenden detailreiche Erlebnisse, die er gemeinsam mit seinem Jagdhund Bauschan erlebt. Allerdings werden auch gewalttätige Eigenschaften und Todesandrohungen gegenüber Schwächeren sichtbar. Nach über 100 Jahren ist vieles von dem, was wir dort, vor allem wenn wir selbst Hundeliebhaber:innen sind, mitfühlen dürfen, so real und modern, als sei es gestern geschehen. Gleichzeitig gewinnen wir einen Einblick in eine längst untergegangene Zeit und Welt, die es so leider oder auch glücklicherweise nicht mehr gibt.
