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Die Welt nach Wagner

Ein deutscher Künstler und sein Einfluss auf die Moderne

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Ein Standardwerk über den großen Komponisten - von einem der angesehensten Musikkritiker der USA. Beginnend mit dem Tod Wagners erzählt Alex Ross, was für uns zur Gegenwart geworden ist: Wir leben und sehen die Welt seit Wagner mit seinen Augen, seine Themen und Szenen prägen auch heute noch unser gesellschaftliches Bühnenbild. Wagner ist für Ross ein deutsches Drama, das sich aus der Wirklichkeit, aber auch aus dem Wahn speist. Sein Buch ist eine eindrucksvolle Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts, durchzogen von dem Erbe Richard Wagners - der widersprüchlich war, ungreifbar, vielleicht sogar unvollendet. Nur so ist auch seine Musik und sein Nachleben in Deutschland zu verstehen: Wir sind noch immer Wagner.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
17. November 2020
Sprache
deutsch
Untertitel
Ein deutscher Künstler und sein Einfluss auf die Moderne. Originaltitel: Wagnerism. 3. Auflage. Zahlreiche s/w Abbildungen, 8 S. 4-farbige Tafeln.
Auflage
3. Auflage
Seitenanzahl
905
Autor/Autorin
Alex Ross
Übersetzung
Gloria Buschor, Günter Kotzor
Illustrationen
Zahlr. s/w Abbildungen, 8 S. 4-farbige Tafeln
Verlag/Hersteller
Originaltitel
Originalsprache
englisch
Produktart
gebunden
Abbildungen
Zahlr. s/w Abbildungen, 8 S. 4-farbige Tafeln
Gewicht
1202 g
Größe (L/B/H)
153/232/51 mm
ISBN
9783498001858

Portrait

Alex Ross

Alex Ross, geboren 1968, ist seit 1996 der Musikkritiker des New Yorker. Davor schrieb er vier Jahre lang für die New York Times. Ross wurde ein Arts and Letters Award der American Academy of Arts and Letters verliehen, der Belmont Prize, ein Guggenheim Fellowship und ein MacArthur Fellowship. Er war 2002 Fellow der American Academy in Berlin.

Studium der Anglistik und Slawistik in München. Unterricht an der Ludwig-Maximilian- Universität in englischer Literaturwissenschaft, Organisation des Aufbaustudiengangs Literarische Übersetzung aus dem Englischen .

Studium der Anglistik, Germanistik und Musikwissenschaft in Tübingen, Zürich, London und München. Promotion zum Dr. phil. Lehre und Forschung in englischer Sprachwissenschaft und Literaturwissenschaft an den Universitäten München, London und Glasgow.


Pressestimmen

Wagnerism ist monumentale Musikgeschichte, bestens recherchiert und geradezu enzyklopädisch aufbereitet. Man staunt über die enorme Breite und den Willen zur Vollumfänglichkeit, merkt dem Autor die Begeisterung über und Faszination für die vielen Wagner-Jünger an. Aber man spürt eben auch, dass noch viel mehr zu sagen wäre; dass die Geschichte des Wagnerianers so viel komplexer ist, als Nietzsche sie wahrnahm (und zu seiner Zeit wahrnehmen konnte). Adrian Daub, Zeit Online

Ausgerechnet im Spiegel seiner Rezipienten wird der Komponist auf 900 Seiten so lebendig wie in fast keinem anderen Buch. Dieses Meisterwerk der Kulturgeschichtsschreibung verweigert sich allen Klischees und Vereinfachungen, lässt vielmehr die Widersprüche und Besonderheiten von Richard Wagners Werk und Wirkung für sich sprechen. Martin Gasser, Kleine Zeitung

Ross Buch lehrt in seiner Breite vor allem eines: Vorsichtig zu sein gegenüber jeder widerspruchsfreien Auslegung dieses Werkes und seines Schöpfers, es wäre zu lesen als ein Plädoyer für die Vieldeutigkeit des Kunstwerks. Peter Uehling, Berliner Zeitung

Nichts ist schwarz und weiß in diesem 800-seitigen Wälzer. Und es sind gerade die ausgeleuchteten Brüche, die dieses massenkompatible Werk zu Wagner ausmachen. Gerald Heidegger, ORF

Die Schatten , die ex post auf Wagner und sein Werk projiziert wurden, möchte Ross weder kleinreden noch wegdiskutieren. Er stellt ihnen jedoch in einer monumentalen Studie die Glanzlichter einer seit bald zwei Jahrhunderten ununterbrochen brodelnden Auseinandersetzung mit (und um) Wagner entgegen. In seiner Breite und Vielfalt, aber ebenso in seiner Widersprüchlichkeit hat dieser Diskurs wenige Entsprechungen in der Kulturgeschichte. Auf annähernd tausend eng bedruckten Seiten summiert sich seine in zwölf Jahren zusammengetragene Enzyklopädie der Wagner-Lesarten. Keine einzige davon möchte man missen. Es bleibt ein klares Bild mit Hunderten feingezeichneter Details und Facetten. In einer Zeit, die ein fatales Bedürfnis nach einfachen Antworten wiederentdeckt, ist dieses Buch das eindringlichste Plädoyer gegen jegliche Schwarz-Weiss-Malerei, gerade bei diesem Jahrhundertkomponisten. Christian Wildhagen, Neue Zürcher Zeitung

Alex Ross entwirft in seinem Buch Die Welt nach Wagner ein fesselndes Panorama der frühen Moderne. Ross lässt keinen Hinweis liegen, und was das Schöne an seinem (von Gloria Buschor und Günter Kotzor vorbildlich übersetzten) Buch ist: Er wertet nicht. Er beschreibt. Und breitet all die kleinen Mosaiksteinchen, die er mit enormen Fleiß gesammelt hat, vor uns auf dem Tisch aus. Jürgen Otten, Opernwelt

Die Wirkungsgeschichte Wagners ist nicht gerade unbekannt. Und doch gibt es, das eben gehört zur andauernden Wirkung, immer noch etwas Neues, Interessantes zu sagen, jedenfalls wenn man über einen freien, umsichtigen Kopf verfügt wie Alex Ross und dessen wunderbare Verbindung von Fleiß und Freude. Stephan Speicher, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Dem Musikkritiker des New Yorker gelingt ein weltumspannendes Panorama, das die Enge einer musikwissenschaftlichen Studie weit hinter sich lässt und Wagners Wirkungsmacht auf die Kultur- und Geistesgeschichte mit allen ihren Irrtümern und Vereinnahmungen sichtbar macht. Die Welt nach Wagner ist weit mehr als nur eine süchtig machende Fundgrube, ideal, um sich damit in Corona-Zeiten lange zu vergraben. Es ist eine epochale Betrachtung über eine der widersprüchlichsten Figuren der Kulturgeschichte, deren Autor eine Formel findet, die alle diese Widersprüche zwar nicht versöhnt, aber produktiv fasst [ ]. Dringender Kaufbefehl! Regine Müller, Deutsche Bühne

Zu den Qualitäten von Ross Buch gehört, dass der Autor weit über den Rand der vergangenen Jahrhundertmitte hinausblickt. Alex Ross Weltumfahrung mit und nach Wagner ist gewaltig, kaum eine Gegend bleibt da ohne Licht. Das hat in dieser Reichhaltigkeit bisher noch keine andere einschlägige Expedition geleistet, in solcher Lesbarkeit schon gar nicht. Noch ein Wagner-Buch? Ja, dieses. Stefan Dosch, Augsburger Allgemeine Zeitung

Ross erzählt das kenntnisreich, profund und gut lesbar, durchsetzt mit präzisen Analysen von Wagners Werk. Und wann soll man sich so einen 900- Seiten-Wälzer vornehmen, wenn nicht an den langen ruhigen Abenden, die vor uns liegen? Ralf ; Stefan Döring ; Lüddemann, Neue Osnabrücker Zeitung

Was sich der amerikanische Musikkritiker Alex Ross auch immer an Buchprojekten vornimmt er macht es mit einer Begeisterung, die sich im Umfang seiner musikalischen Exkursionen widerspiegelt und die sofort auch den Leser packt. Guido Fischer, Rondo

Der amerikanische Musikkritiker Alex Ross präsentiert unter dem Titel «Die Welt nach Wagner» auch noch viele weitere Formen der Wagner-Rezeption: auf 900 oft überraschenden, ungemein detail- und anekdotenreichen Seiten. ( ) Wie sehr er die Moderne geprägt hat, wie vielfältig er bis heute nachwirkt: Das wird in allen Verästelungen nachgezeichnet. Susanne Kübler, Tages-Anzeiger

Man vernimmt ein Echo aus dem Abgrund . Alex Ross sorgt in seinem herausragenden Buch dafür, dass es in so vielen (teils nie gehörten) Einzelstimmen wie möglich erklingt. Mirko Weber, Stuttgarter Zeitung

In angemessener Komplexität entsteht weder ein idealisiertes noch ein verzerrtes Bild. Wagner wird nicht schuldig, aber auch nicht freigesprochen vor der Geschichte, die er mit seiner Musik nachhaltig beeinflusst. ( ) Groß ist Ross vor allem im Ziehen von nahezu unbekannten Verbindungslinien. Mirko Weber, Stuttgarter Zeitung

Wie tiefgreifend sein Einfluß auf Literaten, Maler, Filmemacher war und ist, zeigt Alex Ross eindrucksvoll auf. Und auch, dass wir noch längst nicht mit ihm fertig sind. Mascha Drost, Deutschlandfunk

Die Welt nach Wagner ist ein Buch über den Einfluß eines Musikers auf Nicht-Musiker: Von den englischen Präraffaeliten über Kandinsky bis hin zu Anselm Kiefer; von Charlie Chaplin bis Stanley Kubrick, von Nietzsche bis zu heutigen White Supremacists. Mascha Drost, Deutschlandfunk

Ein grandioses Buch. ( ) Wer dem Meister auf höchstem und zugleich spannendstem Niveau begegnen möchte, muss in "Die Welt nach Wagner" eindringen. Wolfram Goertz, Die Zeit

Ross leuchtet dorthin, wo auch wissbegierige Wagnerianer im Dunkeln tappen. Karl Gaulhofer, Die Presse

Man muss Wagners Musik nicht bis ins kleinste Leitmotiv kennen, um sich staunend in dieser Lektüre zu verlieren, die eine süffig mäandernde Kulturgeschichtsanalyse des späten 19. und des 20. Jahrhunderts bietet. Alex Ross Buch verabreicht eine Lektüre-Droge. Joachim Mischke, Berliner Morgenpost

Alex Ross Buch verabreicht eine Lektüre-Droge, die in diesem Herbst ungleich stärker ins Blut geht als sonst. Joachim Mischke, Hamburger Abendblatt

Ein hochkomplexes, hochspannendes Kapitel Kulturgeschichte. Christoph Vratz, WDR 3 "Tonart"

Das ist ein Buch, auf das wir gewartet haben! ( ) Hinreißend geschrieben. Katharina ; Wolfram Eickhoff ; Goertz, SWR 2

Was für ein Ziegel von Wagnerschem Ausmaß! Doch was sich in den 15 Kapiteln zwischen "Rheingold" und "Die Wunde" verbirgt, liest sich unerwartet leichtfüßig, anekdotisch und mitreißend - selbst (oder gerade) für Nicht-Wagnerianer. Judith Hoffmann, ORF "Mittagsjournal"

Wie ein Detektiv, der sich in jedes Hinterzimmer Eintritt verschafft, oder ein Virus, das vor keiner Grenze haltmacht, erscheint der Komponist und der Autor folgt ihm quer durch alle Gesellschaftsschichten und Ideologien der letzten 150 Jahre. ( ) Doch erschöpft sich Ross Spurensuche nicht in bloßer Aufzählung. Vielmehr legt er all die Widersprüchlichkeiten offen, die bereits in Wagners Person angelegt sind. ( ) Immer dort, wo es sich lohnt, genauer hinzugucken, wechselt der Autor von der Überschau zum close reading . (. . .) Nichts ist eben simpel, wenn es um Wagner und den Wagnerismus geht, mindestens das hat man am Ende dieser funkensprühenden, betörenden, erschöpfenden Ideengeschichte gelernt. Christian Bos, Kölner Stadt-Anzeiger

Jetzt wagt sich Alex Ross, Musikkritiker des New Yorker , an eine Aufgabe, für die bei Wagner die Riesen aus Rheingold zuständig wären: Er baut eine 906 Seiten starke Burg, in deren Räumen er spektakuläre Funde der Wagner-Literatur zusammenträgt. Von der Zeitachse aus arbeitet sich der Generalist Ross durch sämtliche Etagen, durch Politik und Kunst, Philosophie und Werkdeutung, Theologie und Kompositionslehre. Das Ergebnis ist grandios. Wer dem Meister auf höchstem Niveau begegnen möchte, muss in Die Welt nach Wagner eindringen. Wolfram Goertz, Rheinische Post

Ein höchst lesenswerter Aufriss der Wagnerschen Wirkungsgeschichte. Helmut MAURÓ, Süddeutsche Zeitung

Besprechung vom 08.01.2021

Da kommt das Königreich der Freiheit

Das Gesamtkunstwerk als Anstoß: Alex Ross beugt sich kundig über die Wirkungsgeschichte Richard Wagners und macht dabei durchaus noch Entdeckungen.

Als Richard Wagner am 13. Februar 1883 starb, war die Nachwelt mehr als nur respektvoll erschüttert. Nietzsche schrieb einem Freund: "Es war hart, sechs Jahre lang Gegner dessen sein zu müssen, den man am meisten verehrt hat." Brahms, hinter dem sich die Gegner Wagners versammelt hatten, schickte zur Beerdigung einen Lorbeerkranz. In Neuseeland schrieb ein Dichter namens Fergus Hume von der aischyleischen Musik des Verstorbenen, aus dem amerikanischen Süden meldete sich die Stimme eines Abolitionisten und Pazifisten, durch Wagner sei "die alte Ordnung unwirklich geworden". Die Totenfeiern zeigten, "welchen ungeheuren Schatten Wagner auf die Welt geworfen hatte", heißt es in "Die Welt nach Wagner. Ein deutscher Künstler und sein Einfluss auf die Moderne" von Alex Ross. Noch erstaunlicher aber ist, dass dieser Schatten mit dem Tod nicht verblasste. Die Einwände gegen Wagner - die Effektsicherheit, das Histrionentum - waren ja nicht aus der Luft gegriffen. Dass die Wirkung Wagners bald nachlasse, dass die Wagner'schen Effekte durch neue, stärkere entwertet würden, das war eine plausible Vermutung. Aber so kam es nicht. Im Gegenteil, Wagners Erfolg war nicht bloß einer der Opern- und Konzerthäuser, er zeigte sich am stärksten in der "beispiellosen Wirkung auf andere Künste". Sie vor allem interessiert Alex Ross, weniger die szenisch-musikalische Aufführungsgeschichte.

Die Wirkungsgeschichte Wagners ist nicht gerade unbekannt. Und doch gibt es, das eben gehört zur andauernden Wirkung, immer noch etwas Neues, Interessantes zu sagen, jedenfalls wenn man über einen freien, umsichtigen Kopf verfügt wie Alex Ross und dessen wunderbare Verbindung von Fleiß und Freude. Die große Linie gibt das Wort Nietzsches vor: "Wagner resümiert die Moderne." Es erklärt die besondere Bedeutung, die er für Frankreich hatte. Dort ist Wagner die Losung der Modernen, Wagner-Verachtung ist das Merkmal der Rückständigen. Flaubert schreibt im Wörterbuch der Gemeinplätze: "Lachen Sie, wenn Sie seinen Namen hören, und machen Sie sich über seine Musik der Zukunft lustig." Wagners Zusammenführung der Künste passt zu den synästhetischen Idealen der französischen Autoren; der freie Vers, das Prosagedicht zur "Emanzipation vom musikalischen Periodenschema", der "musikalischen Prosa" Wagners, wie der Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus sie beschrieben hat. Diese Emanzipation lässt auch die großen französischen Maler - Manet, Monet, Seurat, Signac, van Gogh, Degas oder Cézanne - zu Parteigängern Wagners werden.

Anders, weniger streitig und weniger interessant, entwickelt sich das Wagner-Interesse in England. Hier ist der Komponist ein Bote nicht der Moderne, sondern aus der Welt des König Artus. Wie in Frankreich wird eine Zeitschrift der Wagnerianer gegründet, aber "The Meister" hat nicht das Niveau der "Revue Wagnérienne". Auch in den Vereinigten Staaten wird Wagner rasch populär, im Metropolitan Opera House ist er zeitweilig der meistgespielte Komponist und auch im Sommer in Brighton Beach auf Coney Island. Dass die "brutale Energie des amerikanischen Unternehmergeistes" (und das damit verbundene Bedürfnis nach Erbauung und Verfeinerung) sich besonders angesprochen fühlte, vermutet Alex Ross mit guten Gründen. Ähnlich hat schon Shaw die Popularität Shakespeares unter den britischen Manchesterkapitalisten erklärt.

Deutschland ist demgegenüber langweilig und verhockt. Für Nietzsches Vermutung, der Typus Wagner stehe "unter Deutschen einfach fremd, wunderlich, unverstanden, unverständlich da", findet Alex Ross einige weitere Gründe. Hier ist Wagner nicht ein Problem, hier ist er den einen nationaler Besitz, den anderen fremd, Thomas Mann ist eine der wenigen Ausnahmen. Das trübe Bild hat allerdings auch damit zu tun, dass Wagners Wirkung auf die Musik, auf Bruckner, Mahler, Strauss und die Neue Wiener Schule, von Ross kaum beachtet wird.

Ist schon die Wirkungsgeschichte Wagners im Kaiserreich matt und uninspiriert, so verstärkte sich das nach 1918. Hans Heinz Stuckenschmidt, Parteigänger der musikalischen Avantgarde, resümierte 1933: "Die Jugend aber, und merkwürdigerweise auch die Hitlerjugend, steht Wagner ferner als je. Sie fühlt sich in seinem Pathos nicht wohl. Sie versteht seine Sprache kaum." Und die kommenden zwölf Jahre änderten daran nichts. Wagner galt unter eingefleischten Nationalsozialisten nicht viel, als dekadent, "na - lassen wir halt dem Führer seinen Spleen". In der Saison 1932/33 kam es im Reich zu 1837 Wagner-Aufführungen, 1939/40 waren es nur noch 1154. Wagner war unmodern, kompliziert, volksfern. Auch die oft gehörte Behauptung, in den KZs sei Wagner gespielt worden, ist nicht gut belegt. "Wir haben ganz sicher keinen Wagner gespielt", sagte später Anita Lasker-Wallfisch, Mitglied im Frauenorchester von Auschwitz und professionelle Cellistin. Wagner war zu schwierig für ein Ensemble mit vielen Laien, stattdessen gab es Schlager, Walzer, einzelne Sätze von Schubert und Beethoven.

Auf dem Gang durch die Kulturgeschichte, den der Leser mit Alex Ross unternimmt, trifft er natürlich alte Bekannte, aber es gibt doch sehr viel Überraschendes. Für Theodor Herzl war Wagner die große Stärkung in allen Krisen. Er sah sich als der zweite Moses seines Volkes, seine Staatsgründung als Werk ungekannter Größe: "Moses Auszug verhält sich dazu wie ein Fastnachtspiel von Hans Sachs zu einer Wagnerschen Oper." Die russische Revolution feierte sich mit Massenspektakeln, darunter "Das Geheimnis der befreiten Arbeit": Musik aus "Lohengrin" verkündete "die Ankunft des Königreichs der Freiheit". Die musikalische Leitung hatte Dimitri Tiomkin, den man als einen der wichtigsten Komponisten Hollywoods kennt. Großartig auch die Anverwandlung Wagners im Jazz (Proben auf Youtube unter Daniel Lambert, Pilgrim Chorus oder Charlie Parker, Cool Blues, Boston Storyville 1953).

"Lohengrin" geriet in Deutschland unter Verdacht. Der Held aus mythischer Ferne, der sich nicht befragen lassen will, hat etwas vom Führer. Für W. E. B. Du Bois sah die Sache anders aus. "The Souls of Black Folk", ein Grundlagenbuch der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung, enthält ein erzählendes Kapitel: Ein junger Schwarzer verlässt seine Heimat, in New York besucht er offenbar zum ersten Mal ein Konzert mit klassischer Musik, er hört das "Lohengrin"-Vorspiel und fühlt die Sehnsucht, "sich mit dieser klaren Musik aus dem Schmutz und Staub des niederen Lebens zu erheben. Wenn er nur in der freien Luft aufleben könnte, wo Vögel singen und untergehende Sonnen von Blut unberührt sind." In dieser Luft darf er nicht leben, schon bald wird er Opfer eines Lynchmobs. Er weiß es, und während er auf seine Mörder wartet, wird er ruhig, lächelt und erinnert er sich an "Lohengrin", den Augenblick seines Lebens, "in dem der Schleier sich zu lüften schien".

Das hat mit Wagner zu tun, gewiss, aber auch mit einer Kraft der Kunst, die heute kaum mehr erfahren wird. Künstler, die in unseren Tagen sterben, hinterlassen nur noch eine respektvoll erschütterte Öffentlichkeit. Als Hans Heinz Stuckenschmidt 1933 über Wagners sinkende Bedeutung nachdachte, mochte er das schon im Blick gehabt haben: "Vielleicht ist wirklich Kunst nur noch ein Rudiment früherer Kultur, wie der Schwanzknochen am menschlichen Leibe."

STEPHAN SPEICHER

Alex Ross: "Die Welt nach Wagner". Ein deutscher Künstler und sein Einfluss auf die Moderne.

Aus dem Englischen von Gloria Buschor und Günter Kotzor. Rowohlt Verlag, Hamburg 2020. 908 S., Abb., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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