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Produktbild: Leoparda | Anja Schmitter
Produktbild: Leoparda | Anja Schmitter

Leoparda

Roman

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Kleo führt ein bürgerliches, angepasstes Leben - bis zu ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag, an dem sie beschließt, dass sich etwas ändern muss. Während Zürich in einem apokalyptischen Hitzesommer zu schmelzen scheint, verkriecht sie sich in ihrer Wohnung und verwandelt sich langsam in ihr verwildertes Alter Ego Leoparda. Aus einem Sonnenbrand entsteht ein fleckiges Hautmuster, ihre Zähne werden immer spitzer, bald huscht sie nur noch nachts nach draußen. Als Raubkatze sucht sie die Menschen aus ihrer Vergangenheit heim: Adriano vom Tinder-Date, ihre Ex-Psychologin und beste Freundin Feli, die sie ständig belehrt, ihre Schülerinnen und Schüler, deren Teilnahmslosigkeit sie ärgert, und auch ihre Eltern, deren blankpolierte Glücksfassade endlich Risse bekommt. Leoparda teilt ihre Abenteuer auf Social Media, wo sie zum Star wird, während die alte Kleo immer mehr verschwindet. Anja Schmitters Debütroman ist ein furioser Seiltanz zwischen Imagination und Realität. In originellen Bildern und mit gesellschaftskritischem Blick erzählt sie vom Ausbrechen aus der Normalität, von Identitätssuche und Emanzipation.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
20. September 2022
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
200
Reihe
Lenos Pocket, 242
Autor/Autorin
Anja Schmitter
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
303 g
Größe (L/B/H)
23/122/194 mm
ISBN
9783039250257

Portrait

Anja Schmitter

Anja Schmitter, geboren 1992 in Münsterlingen. Nach einem Studium der Germanistik und Komparatistik in Zürich, Bordeaux und Wien studierte sie im Master Literarisches Schreiben an der Hochschule der Künste Bern. Anja Schmitter war als Autorin bei einem Gefängnistheater in Zürich tätig und als Dramaturgin beim See-Burgtheater in Kreuzlingen. Sie lebt in Zürich und schreibt Fiktion und literarische Reportagen, u. a. für das Magazin "Reportagen". "Leoparda" ist ihr erster Roman.

Pressestimmen

"Hellwach und mit beißender Tiefenschärfe erzählt Anja Schmitter von den Verheerungen der Gegenwart: Utopie und Dystopie zugleich, hält 'Leoparda' uns den Spiegel vor." (Ruth Schweikert)

Besprechung vom 19.04.2025

Die Talfahrt der Berge

Klimakatastrophen rücken ins Zentrum literarischer Fiktionen. Ein Roman, der am Comer See spielt, gewinnt an diesem Osterwochenende besondere Aktualität: Über "Erdrutsch" von Burkhard Spinnen und Charles Wolkenstein

Von Jan Wiele, Como

Wenn sich auf der engen Seestraße zwei Linienbusse begegnen und aneinander vorbeischlängeln müssen, kann einem angst und bange werden. So schön einige der Ansichten schon aus dem Bus heraus wirken, so einschüchternd können sie andererseits sein. Wer die Erfahrung dazu sucht, was klassische "Erhabenheit" bedeutet, mustergültig beschrieben etwa in Schillers Gedicht "Der Spaziergang", könnte sie wohl an kaum einem Ort besser machen als angesichts der steilen und steilsten Hänge am Comer See, um den sich Berge von bis zu 2600 Meter Höhe auftürmen.

Auf Postkartenansichten wirkt das Weltbild gefestigt. Wenn man unten steht oder fährt, vielleicht auch auf einem Schiff, wenn sich plötzlich das Wetter ändert, ein scharfer Wind oder ein Gewitter aufzieht, kann es schon ganz anders wirken, von anhaltendem Starkregen ganz zu schweigen. Man begreift dann die angebliche Urangst früherer Völker vor einem Himmelseinsturz - oder zumindest die ganz konkrete Gefahr von Erdrutschen. Die gehörte in dieser Gegend schon immer zum Leben dazu; angesichts der Zivilisation mit an den Hang geklebten Ortschaften, Nadelöhrstraßen und waghalsig gebauten Bahnstrecken ist sie noch viel greifbarer geworden. Die Starkregenereignisse, die zuletzt besonders auch Norditalien treffen, lösten etwa 2021 einen Erdrutsch in Brienno am Westufer des Comer Sees aus, der Schuttmassen in den Ort spülte und die Bewohner einer nahe gelegenen Ortschaft vorübergehend isolierte. In Fiumelatte am Ostufer schnitt vor zwei Jahren ein Erdrutsch die Bahnverbindung nach Varenna ab. Das wirkt noch harmlos im Vergleich zu den vielen Todesopfern von Flutkatastrophen durch rasant anschwellende Bäche und Flüsse anderswo, aber die Gefahr ist da, es lassen sich leider auch mühelos jüngere und jüngste Wetterkatastrophen in Nachbarregionen aufzählen. Diese wachsende Gefahr hat inzwischen auch die Literatur erreicht.

In jener der Schweiz, wo der Klimawandel besonders drastische Auswirkungen zeigt, waren zuletzt schon mehrere sogenannte Klimafiktionen erschienen. In Anja Schmitters 2022 erschienenem Roman "Leoparda" etwa steigt die Hitze eines Sommers über dem Zürichsee "ins Unermessliche", der Wasserstand der Limmat ist niedrig wie noch nie, obwohl die Gletscher "so schnell schmolzen wie noch nie". Ähnlich ist die Wetterlage im Kurzroman "Hitzewelle" von der Schweizerin Fabienne Maris aus demselben Jahr.

In dieser Buchsaison nun rückt der Comer See, an der Grenze von Schweiz und Italien gelegen, in den Mittelpunkt literarischer Fiktionen. Der Satiriker Oliver Maria Schmitt beschreibt in seinem Anfang Mai erscheinenden Roman "Komasee" vor allem die Glamourwelt zwischen Como und Laghetto, Cernobbio und Bellagio. Diese Farce um eine Paparazza, die ein privates Bild von George Clooney schießen will, bescheinigt dem "immer leicht überkandidelten Alpensee" eine "aufdringliche Grandezza". Aber neben dem Tourismusinfarkt droht der "zu stark geschminkt" wirkenden Gegend auch der Klimakollaps unter "jenem tropischen Brodem, der den norditalienischen Sommer der letzten Tage zu einer einzigen mikroklimatischen Zumutung, zu einer unentrinnbaren Hitzehölle gemacht hatte".

Zum Hauptthema wird der Klimawandel am Comer See in dem in wenigen Tagen erscheinenden Roman "Erdrutsch" von Burkhard Spinnen und Charles Wolkenstein. Das Buch beginnt mit einer Szene, wie sie in der Science-Fiction-Fernsehserie "Akte X" hätte auftauchen können: Ein geheimnisvoller "Vogelmann" steht barfuß auf einer Felsklippe und "redet mit den Tieren". Er spricht offenbar ihre Sprache, kann den Warnruf des Eichelhähers imitieren. Man will ihn zunächst in ein Heim für confusi stecken, für Verrückte, aber dann passiert es: Der Hang, auf dem er kurz zuvor noch stand und warnte, rutscht ab. Der Mann, der den Vogelmann gefunden hat, ist ein ehemaliger Bergsteiger namens Aurelio, der nun eine Hütte in der Nähe betreibt, man nennt ihn auch "den Tibeter", und der "weiß, was alle wissen: dass nämlich Bergstürze, Hangabgänge und Lawinen in den Alpen drastisch zunehmen, wahrscheinlich als eine Folge des Klimawandels. Regionen, die seit Jahrtausenden im Dauerfrost existiert haben, tauen jetzt auf. Hänge werden weich, verlieren den Halt und rutschen wie Teig vom Backblech."

Dass der Roman solche drastischen und einprägsamen Sprachbilder verwendet, mag damit zusammenhängen, dass einer der Autoren Kommunikationswissenschaftler und Werbefachmann ist. Er nennt sich heute Charles Wolkenstein, bürgerlich heißt er Rainer Zimmermann. Seinen Ko-Autor, den Schriftsteller und Kritiker Burkhard Spinnen, kennt er seit Studientagen. Wolkenstein lebt heute teilweise am Comer See; er hat viele Veränderungen und Zuspitzungen von Extremwetterproblematik und Übertourismus selbst erlebt, von denen das Buch handelt.

Spinnen ist für den Aspekt des Gesellschaftsromans verantwortlich, erzählen die beiden nun auf der Fähre von Cadenabbia nach Varenna, unterwegs also zwischen einigen der beliebtesten Touristenziele. Ein paar Journalisten sind angereist, um sich von den Autoren etwas über die Schauplätze und Inspirationen ihres Romans erzählen zu lassen. Das Schiff zieht vorbei an Bellagio mit seinem Grand Hotel "Villa Serbelloni;" ein paar Hundert Meter entfernt ragt in den See die aus Filmen bekannte Villa del Balbianello. Wolkenstein spricht davon, dass vor ein paar Jahrzehnten die alten Grand Hotels noch heruntergekommen waren, im Roman ist vom "Dornröschenschlaf" die Rede - aber der ist längst vorbei. Inzwischen sind es wieder Fünfsternehäuser, es kommen jährlich zwei Millionen Touristen an den See, zu den Olympischen Winterspielen in Mailand und Cortina d'Ampezzo sind noch mehr zu erwarten, und die Renovierungs- und Bauprojekte werden auch mehr.

Im Buch wird diese Entwicklung perspektiviert durch die junge Unternehmensberaterin Carlotta Widmer, die einen "Master in Sustainable Management & Technology" der Universität Lausanne hält und als Nachhaltigkeitsexpertin gilt. "Also muss sie einschlägige Mandate übernehmen, will sie nicht ihren Job aufs Spiel setzen. Dabei lehnt sie Greenwashing aus Überzeugung ab." Herausgefordert wird sie, als sie einer Gruppe von Klimaaktivisten begegnet und dann auch Aurelio und dem Vogelmann. In der Protestkultur wittert Carlotta kommenden Mainstream, den es zu umarmen gilt - und beruft ein Zoom-Meeting mit ihrer Agentur in St. Gallen ein, Thema: "Alpenwirtschaft 2030".

Zu der Frage, wann "Erdrutsch" eigentlich spielt, sagt Burkhardt Spinnen: "Immer morgen." Wir sind am Ostufer des Sees in Bellagio. Nicht weit entfernt gab es den realen Erdrutsch von Fiumelatte, der im Buch auch erwähnt wird; der darin anfangs beschriebene am über uns gelegenen Monte Croce di Muggio ist zum Glück noch Fiktion.

Über Vorbilder, was Klimafiktionen und Katastrophenromane angeht, möchten Spinnen und Wolkenstein offenbar nicht so gern reden. Es gäbe viele, von J. G. Ballard über Margaret Atwood bis zum deutschen Bestsellerautor Frank Schätzing. Dessen Hang zum Aufgreifen von neuester Forschung spiegelt der Roman "Erdrutsch" besonders in den Passagen zur Intelligenzforschung bei Vögeln, während er um die Figur des mysteriösen Vogelmannes auch eine Gesellschaftssatire spinnt. Einige sehen in ihm einen Wiedergänger des heiligen Franziskus: Die Aktivisten wie auch die Beraterin Carlotta wollen ihn für sich gewinnen.

Was den Roman interessant macht - und zugleich manchmal arg plakativ -, ist seine satirische Zuspitzung realistischer Gehalte, vermischt mit Lokalpolitik, mag sie nun die Taubenproblematik am Mailänder Dom betreffen oder die Anpflanzung von Trüffelwäldern für nachhaltigen Tourismus. Das kulminiert in der Planung eines "Little Tibet Resort & Spa" mit vierhundert Betten hoch über dem Comer See an der Alpe Giumello.

Zu dieser sind wir nun im Auto unterwegs auf einer nicht enden wollenden Serpentinenstraße. Es geht immer höher, erst durch liebliche Dörfer, dann durch kargere, bis wir schließlich auf einem Parkplatz landen und das letzte Stück laufen zu einem grandiosen Fernblick über den See und auf Hunderte Kilometer entfernte Alpengipfel.

Das Gefühl von Erhabenheit, diesmal aus Vogelperspektive, mischt sich hier fast zwangsläufig mit dem der Erschütterung darüber, dass dieses scheinbar perfekte Panorama, das an die Darstellung mittelalterlicher religiöser Weltbilder erinnert, vom Menschen zerstört oder auch nur beeinträchtigt werden könnte.

Die Wut darüber kanalisiert der Roman in die fiktive Aktivistengruppe einer sogenannten "Burnt Generation", die zunächst nur Plakate hochhält, aber dann zu immer drastischeren Störmaßnahmen greift.

Zur einschneidendsten, erzählt Spinnen, sei ihnen die Idee aber anderswo gekommen, nämlich am Nadelöhr der Schweizer Autobahn A 2 vor dem Gotthard-Tunnel, durch das viele Autofahrer müssen, wenn sie zu den oberitalienischen Seen wollen. Dort, wo so manche Reisende schon mal im Stau gestanden haben, klettern in einem Kapitel des Romans maskierte Aktivisten über die Leitplanken und attackieren die Autos: "Sie haben Bolzenschussgeräte, Akkunagler, Sekundenkleber und Schnellbeton dabei", heißt es im Text.

Die Aktivisten zitieren, verkleidet als Hexen, Goethes "Zauberlehrling", etwas abgewandelt allerdings: "Walle, walle, manche Strecke, dass zum Zwecke Scheiße fließe, in die Täler sich ergieße." Die Geister, die der Roman rief, wird er auch in seiner finalen Zuspitzung nicht wieder los, die sich zu Ostern vollzieht, dabei sogar den Papst auftreten lässt und noch Platz für manchen lange nachhallenden Satz hat. Darunter dieser: "Die große Talfahrt der Berge hat begonnen."

Der Roman "Erdrutsch" von Burkhard Spinnen und Charles Wolkenstein erscheint am 24. April im Kanon Verlag.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.

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