"Das kann ich auch!", mögen unerfahrene Kunstbetrachter zu Picassos Bildern sagen. Und so verkehrt ist das vielleicht gar nicht. Zumindest hat Picasso manchmal auch sehr selbstbewusst wie ein Kind gemalt. Das Eingangsbild zu diesem Band gibt darüber Auskunft: Picasso hat es zusammen mit seinen damals noch kleinen Kindern gemalt. Und was kam dabei heraus? Picasso hatte die Gabe, den gleichsam ersten unverstellten, kindlich-naiven Blick auf Wirklichkeit als Erkennen von elementaren Formen ernst zu nehmen, zu bewahren und als Gestaltungsprinzip für seine Kunst umzusetzen. Genau daran kann man viele seiner Werke erkennen. Aber man muss schon genau hinschauen und das Sehen üben. Durch die Ermutigung, Eigentümliches zu hinterfragen und die Anregung, in den kreativen Gestaltungsprozess Einblick zu nehmen, so als wären wir selbst die Akteure, kann es gelingen, seine Bilder gleichsam nachzugestalten. Ein Foto zur Entstehung des mit seinen Kindern gemalten Bildes dokumentiert eindrücklich ein solches Verfahren: Picassos liebevoll-konzentrierter Blick lädt nicht nur seine eigenen Kinder ein, sondern alle kleinen und großen Betrachter. Und Britta Benke gelingt es mit diesem wunderbaren Kunstbuch, diese Spannung aufrecht zu erhalten. Daneben gibt es natürlich auch biografische Informationen zu Picasso. Ein Kapitel gibt die wichtigsten Daten wieder, immer angereichert mit kleinen Details, die auf die Besonderheit seiner Kunst hinweisen. Das Schönste aber sind die sorgfältigen Hin-, nein Hinein-Führungen in wenige ausgewählte Werke. Wie ihre Formen, Farben, Verfremdungen erklärt und mit vielen Fragen ergänzt werden, das ist einmalig bereichernd aufbereitet. Die Fragen stellen sich jedem genauen Betrachter und sie können keineswegs alle beantwortet werden, aber sie legen das Kompositionsprinzip des Künstlers offen, ohne alle Geheimnisse preis zu geben. Und letztlich gewinnen die Leser sogar die Einsicht, dass sie selbst mit den Formen spielen, in ihrer Phantasie Material suchen, finden und verwandeln. Ja, mit Picasso werden die Betrachter zum Künstler, jedenfalls, wenn sie das hier gelernt haben! (Rezension von Gabriele Hoffmann aus dem Libri-Fachkatalog Harry & Pooh 2008/2009)