Im Jahr 2125 ist Europa zu großen Teilen unbewohnbar geworden. Die Sonne verbrennt die Erde und für die Menschen ist sie lebensgefährlich. Natürliches Sonnenlicht muss durch spezielle Folien gefiltert werden, damit die schädlichen Strahlen abgefangen werden und das freie Atmen ist ohne spezielle Masken nur in den Wintermonaten bedingt möglich. Die schweren Lebensumstände drücken sehr auf die Stimmung der Menschen und viele haben die Hoffnung auf ein lebenswertes Dasein verloren. Aus diesem Grund haben sich Sponsoren zusammengeschlossen, um den Menschen zu helfen.Eines der innovativsten Projekte betrifft die Errichtung von künstlichen Dörfern, die in Gegenden entstehen, die nicht mehr bewohnbar sind. Verlassene Ortschaften in unbewohnbaren Teilen Europas durch hochmoderne Be- und Entlüftungsanlagen wiederzubeleben, um ausgewählten Personen einen sicheren Raum zu schaffen, in dem sie neue Ideen entwickeln und ihre Kreativität den nötigen Freiraum geben können.Wer in solch ein Dorf einziehen darf, ist etwas Besonderes. Die Bewerberliste ist lang, und nur wer für die Herstellung von künstlicher Hoffnung geeignet ist, erlangt eine der exklusiven Einladungen. Esther Bonin ist eine davon. Zusammen mit Thea Hassler, die an der Planung und Realisierung der Projektdörfer mitgewirkt hat, zieht sie in Spes I ein, um ihr außerordentliches Talent und ihre Kreativität wieder frei zu entfalten. Sie ist Künstlerin und kann durch das Vergessen von tragischen Erinnerungen, die sich außerhalb des geschützten Dorfes ereigneten, wieder arbeiten. Sie malt Bilder, die eine enorme Macht auf die Betrachter ausüben. Ihre Sonnengemälde, nicht sonderlich abstrakt, eher einfach und beinahe naiv gemalt, strahlen und verströmen Hoffnung! Ihre Gemälde werden im Außen ausgestellt und sind absolute Verkaufsschlager. Jeder will ein Bild haben und die positive Energie in sich aufnehmen, denn je länger man davor verweilt, umso intensiver entfaltet sich ein gutes Gefühl voller Frieden und Hoffnung.Der Kunstsektor war immer schon ein entscheidender Indikator für den Stand des menschlichen Fortschritts gewesen, auch für andere Bereiche wie die Wissenschaft oder die Medizin.Die ursprünglich als Testlauf geplanten und für die Destillation von Hoffnung konzipierten Dörfer sind aufgrund des Erfolgs ein gewinnversprechendes Investitionsobjekt geworden, und viele neue sollen entstehen. Denn das Dorf hat durchaus einen wirtschaftlichen Zweck: die von den Menschen dort versprühte Hoffnung wird als Stoff aus der Atmosphäre gefiltert und als "Pure Hope" den Menschen im Außen verkauft. Pure Hope ist eine Droge, die zwar keine direkte körperliche Abhängigkeit entstehen lässt, aber dennoch künstlich bleibt. Das Destillat ist eine Art Treibstoff, um die Menschen im Außen zu versorgen, damit sie weiterhin an etwas glauben können. Daran gewöhnt man sich sehr schnell.Dieses Zeug kann nur produziert werden, wenn die schlechten Dinge verdrängt werden. Die laden euch ein, um an die Hoffnung zu kommen, die ihr habt.So dauert es nicht allzu lange bis Spannungen spürbar werden. Nicht alle sind mit dieser Geschäftspraktik einverstanden und selbst Thea Hassler, die das Projekt mitentwickelt hat, findet die Technik bei weitem nicht ausgreift, und was im großen Stil geplant ist, viel zu gefährlich.Meine persönlichen Leseeindrücke Es ist der Sommer 2130, irgendwo im Norden Italiens, die Malerin Esther und die Ingenieurin Thea leben zwei der besten Leben, die in jenen Jahren noch möglich sind.Das gute Leben, zentrales Thema des Romans, ist in 100 Jahren nur noch unter einer Kuppel möglich. Das Leben im Außen ist durch die klimatischen Veränderungen, die die Welt drastisch verändert haben, in unserem heutigen Verständnis nicht mehr möglich. Die Erde ist zu einem feindseligen Ort geworden, der ganz Mitteleuropa unbewohnbar macht. Diese starke Aussage und die äußert gelungene und vollkommen nachvollziehbare Darstellung der Zukunft machen den Roman zu einer ganz besonderen Leseerfahrung.Mitteleuropa sieht aus wie ein verlassenes Gewerbegebiet.Dass Spes I gerade in Italien (Toskana) liegt und die Autorin aktuelle spektakuläre politische Entscheidungen miteingebaut hat, zeigen eine persönliche Liebe zu der Halbinsel. Tatsächlich versuchen Lokalbehörden der Abwanderung entgegenzuwirken, indem sie für einen symbolischen Kaufpreis von € 1 verlassene Gebäude in verlassenen Orten zum Erwerb anbieten, natürlich unter der Bedingung, dass man die Immobilie renoviert und in das erworbene Heim einzieht. Carla Kasparis Ausflug in die Zukunft ist eine gewollte literarische Wendung. Nach ihrem Debütroman Freizeit, der "radikal" in der Gegenwart verankert ist, wollte die Autorin bewusst eine Fantasiewelt erschaffen, in der sich ihre Geschichte abspielt. Dabei treibt sie aktuelle Themen zu Klimawandel auf die Spitze und fiktionalisiert sie, indem sie sie in die Geschichte ihrer Romanfiguren einbaut. Ins Absurde triftet sie dabei niemals ab, vielmehr ist es eine Weiterentwicklung von heutigen Prozessen, die sich in ihrem Kopf zu einem lesenswerten, und zum Nachdenken anregenden Roman entwickeln.Besonders eindringlich und erschreckend wirken die Lebensumstände im Außen. Eine Horrorvorstellung, der Mensch funktioniert nur noch, doch innere Antrieb, Freude, Unbeschwertheit gibt es nicht mehr. Umso wichtiger wird es, den Menschen jene Energiezufuhr zu geben, die sie weiter am Leben halten kann: die Hoffnung, eine Gefühlslage, ohne die der Mensch kein Dasein führen kann. "Das Ende ist beruhigend" ist der zweite Roman der Autorin, den ich in meinem Blog vorstelle und ich bin von Schreibstil, Struktur und Geschichte begeistert. Sie hat sich seit ihrem Debütroman "Freizeit" in Ausdruck und Formulierung, in der Kunst eine klar strukturierte Handlung zu erzählen, verfeinert und bietet mit diesem neuen Werk einen Roman, der gleichermaßen Utopie oder Dystopie sein könnte. Egal wie man die Geschichte einstufen mag, ich hoffe, es wird dieses Szenario niemals geben!Das was ich lese, wirkt auf mich, als hätte sich ein fantasievolles Grundschulkind einen gruseligen Zukunftsepos ausgemalt.FazitDas Ende ist beruhigend, oder auch nicht, wer das herausfinden möchte, muss den neuen Roman von Carla Kaspari lesen. In ihrem Zukunftsroman, in dem sie sich, ausgehend von den aktuellen Prognosen und Szenarien, Gedanken zu einem Leben in 100 Jahren macht, ist beachtenswert ausgearbeitet und sprachlich ansprechend umgesetzt. Carla Kasparis Roman Freizeit, der 2021 erschien, hatte mir schon sehr gefallen. Mit ihrem neuen Werk hat sie gezeigt, dass sie gewachsen und gereift ist.Wir Menschen sind sehr einfach gestrickte Wesen, am Ende viel zu einfach gestrickt für diese komplexe Welt.