»Wie kann dieses kleine Buch kein Roman, kaum eine Novelle auf hundert Seiten die ganze Magie der Literatur verdichten? « La Cause Littéraire, Limoges
»Mit einem nüchternen, auf das Wesentliche reduzierten Minimalismus in einer Einfachheit erzählt, die simpel erscheint, aber eine sensible Wahrnehmung der Realität offenbart. « Circolo dei libri, Camorino
»Keiner erzählt heutzutage mehr in diesem Zeitlupentempo. Doch gerade wegen ihrer Unzeitgemässheit hat die Erzählung ihre Dringlichkeit bewahrt. Sie führt das Erzählen wie das Dasein auf die elementaren Bestände zurück: die Genauigkeit des Beschreibens einerseits, der einsame Mensch in der Natur anderseits. « Roman Bucheli / Neue Zürcher Zeitung
»Individueller Schmerz wird durch Cassolas Kunstfertigkeit zu einer wiedererkennbaren Erfahrung. « Christiane Pöhlmann / FAZ
»Und das ist so schön an dem Buch, dass es zeigt, wie Geschichten Schmerz und Trauer umwandeln können in Kunst und in Hilfe. Insofern ist dieses Buch ein richtiges Trostbuch. « Elke Heidenreich / Spiegel Kultur
»Carlo Cassolas Erzählung ist ein Buch der Trauer, eine unprätentiöse Meditation über den Verlust, der alles verlangsamt und alles durch- dringt und jene »matte Einsamkeit« erzeugt, von der Roland Barthes schrieb, sie habe kein anderes Ende mehr als den eigenen Tod. « Ulrich Rüdenauer / ZEIT
»Ein Buch, das auf wenigen Seiten wahnsinnig tief eintaucht: in den toskanischen Wald, in Guglielmos Herz und in die eigene Seele. « Erik Brandt-Höge / Szene Hamburg
»Ein Kleinod. « Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln
»Ins Holz gehen ist reinste Poesie, ein Sprachschmuckstück, eine literarische Perle. « Literaturblatt
Besprechung vom 05.10.2024
Wortkraft
Carlo Cassola geht ins Holz
Von "etwas sprechen und gleichzeitig nichts erzählen" - das war es, was Carlo Cassola nach eigener Aussage in seiner Geschichte um den Holzfäller Guglielmo, der abgeschieden mit vier weiteren Arbeitern das Winterhalbjahr im Wald zubringt, wollte. Den ungeheuer dichten Text "Ins Holz gehen" entrindete er, bis nur "das existenzielle Geschehen des Fällens" blieb, das er dann "in den schlichten Hintergrund für ein einzelnes Gefühl verwandelte: den Schmerz des Protagonisten nach dem Tod seiner Frau".
Es geschieht denn auch nicht viel in dieser Geschichte, die im Grunde zu jeder Zeit spielen könnte, so sehr tritt der italienische Faschismus in den Hintergrund, so versteckt sind die Hinweise auf die Zwischenkriegszeit, konkret die Jahre 1937 oder 1938 - eine bewusste Entscheidung, denn der 1917 geborene Cassola vertrat eine antifaschistische Position und engagierte sich in der Resistenza. Die wenigen Geschehnisse wirken dafür umso nachdrücklicher, beispielsweise die Freude über den ersten Schnee: "Als er die Kälte seinen Hals hinunterrinnen spürte, musste er lachen."
Was Raum einnimmt, sind Worte, gesprochene, gesuchte und hinuntergeschluckte. Guglielmo, seit wenigen Monaten Witwer und Vater zweier Mädchen, ist wortkarg und notiert, ohne geizig zu sein, "jede noch so kleine Ausgabe". Dennoch heuert er einen Mann an, der etwas schlechter arbeitet als andere, aber wie kein Zweiter Geschichten zu erzählen weiß. Wenn sie in ihrer Hütte eingeschlossen sind wie ehedem die feine Gesellschaft zu Pestzeiten in Boccaccios "Decamerone", brauchen sie ihren eigenen Odysseus, anders wären die langen Abende nicht zu ertragen. Vor allem für Guglielmo nicht, denn "abends schlich sich die Erinnerung an seine Frau in seine Gedanken". Die Zeit heilt keine Wunden. "Es wird immer schlimmer." Doch sobald er nach Worten tastet, verstummt er. Mal sucht er das Zwiegespräch mit der toten Rosa, mal hofft er, "er würde das Sprechen verlernen". Im Frühling, als er zu seinen Töchtern zurückkehrt, hat sich die Natur erneuert, für ihn jedoch bleibt es "stockdunkel, der Himmel sternenlos".
Cassola hatte während der Arbeit an diesem Text selbst seine Frau Rosa verloren, stand danach als Witwer mit einer Tochter da. Nicht nur, weil es keinen Ich-Erzähler gibt, ist dies aber kein autofiktionaler Text. Individueller Schmerz wird durch Cassolas Kunstfertigkeit zu einer wiedererkennbaren Erfahrung. Diese "Verallgemeinerung" birgt den Trost.
In der Nachkriegszeit war Cassola ungeheuer erfolgreich, vor allem mit dem Roman "La ragazza di Bube" (deutsch "Mara"), der mit Claudia Cardinale verfilmt wurde ("Zwei Tage und zwei Nächte"). Sein dezidiert zeitloses Schreiben wurde ihm von der Gruppe 63 um Umberto Eco vorgeworfen. Diese verspottete ihn ebenso wie Giorgio Bassani und später Pier Paolo Pasolini als Schmonzettenschreiber. Wie "Ins Holz gehen" zeigt: Man kann Eco schätzen und Cassola trotzdem viel abgewinnen. CHRISTIANE PÖHLMANN
Carlo Cassola:
"Ins Holz gehen".
Erzählung.
Aus dem Italienischen von Marina Galli. Kampa Verlag, Zürich 2024. 112 S., geb.
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